Jemen-Konflikt auf kleiner Flamme
Hauptprobleme trotz Abkommen ungelöst
Von Karin Leukefeld *
Nur wenige Tage, nachdem der jemenitische Vizepräsident und
Verteidigungsminister Rashad al-Alimi am 30. Juni der Verlängerung und
Erweiterung des Waffenstillstandes mit der Houthi-Bewegung in der
nordjemenitischen Provinz Saada zugestimmt hat, stellen neue bewaffnete
Auseinandersetzungen die Vereinbarung wieder in Frage.
Übereinstimmend berichteten Regierungsseite und Houthi von einem Angriff
vor wenigen Tagen auf den Stammesführer Ibn Aziz, der als regierungstreu
gilt. Drei Personen wurden getötet, Aziz blieb unverletzt. Nach
Medienberichten war es in den letzten zwei Monaten wiederholt zu Kämpfen
zwischen den Houthi und dem Stamm von Ibn Aziz gekommen, der bisher
während des Bürgerkrieges auf Regierungsseite gekämpft hatte.
Vertreter eines staatlichen Komitees zur Überwachung des
Waffenstillstandes beschuldigten die Houthi in einer Stellungnahme, am
Frieden nicht interessiert zu sein. Sie »zögerten«, dessen Bedingungen
einzuhalten und weigerten sich, ihre Stellungen in den Bergen zu
verlassen und ihre Waffen abzugeben. Abu Malik, Vertreter der Houthi
verteidigte in einer Stellungnahme den Angriff auf Ibn Aziz. Er »ist
verantwortlich für Morde an unseren Anhängern und für den Tod von vielen
Einwohnern. Er hat den Kampf gegen uns begonnen«, so der
Houthi-Vertreter. Die Regierung bereite sich offenbar mit Waffenkäufen
auf einen neuen Krieg gegen seine Bewegung vor.
Die Waffenstillstandsvereinbarung von Februar sieht vor, dass die Houthi
sich von der lokalen Politik fernhalten, keine Kontrollposten errichten
sowie alle öffentlichen und privaten Gebäude, die sie während der Kämpfe
2009 eingenommen hatten, wieder verlassen müssen. Sie dürfen niemanden
festnehmen und müssen alle Gefangenen, darunter viele jemenitische
Soldaten, freilassen. Umgekehrt hatte sich die Regierung bereiterklärt
alle Gefangenen freizulassen, die der Houthi-Bewegung angehören oder
nahestehen. Sollte es erneut zu einem Krieg in der nordjemenitischen
Region kommen, wäre das der siebte Waffengang in sechs Jahren.
Nach Ansicht von Mohammed al-Dhahri, Professor an der Universität in
Sanaa, sollte die neue Vereinbarung den Konflikt herunterstufen und
damit die Rückkehr von mehr als 300 000 Kriegsflüchtlingen einleiten.
»Beide Seiten (Regierung und Houthi) müssen dafür Konzessionen machen«,
sagte Dhahri dem UN-Informationsnetzwerk IRIN. Stammeskonflikte hätten
eine »lange und komplizierte Geschichte« in Jemen. Die Rückkehr der
Inlandsflüchtlinge kommt nach Auskunft des UN-Flüchtlingsorganisation
UNHCR wegen der anhaltenden Kämpfe zwischen Houthi und regierungstreuen
Stämmen nicht in Gang. In der Provinz Saada sei weder die Sicherheit
noch eine grundlegende Versorgung mit Strom, Wasser, Arbeit und im
Gesundheitsbereich gewährleistet. Beim UNHCR Jemen sind derzeit 316.332
Inlandsflüchtlinge aus der Provinz Saada registriert.
Hintergrund des langen Konflikts ist aus Sicht der Houthi-Bewegung eine
kulturelle, soziale, wirtschaftliche und politische Diskriminierung in
ihren Siedlungsgebieten. Die Bewegung gehört den Zaiditen an, einer
schiitischen Strömung im Islam. Die jemenitische Regierung behauptet,
der Konflikt werde von Iran geschürt, das die Houthi als seine »fünfte
Kolonne« bewaffne und versuche, einen schiitischen Gottesstaat im Norden
Jemens zu errichten.
Iran dementiert, Waffen an die Houthi geliefert zu haben. Der nördliche
Nachbar Saudi-Arabien betrachtet die Houthi ebenfalls als Gefahr und
unterstützte deshalb im jüngsten Bürgerkrieg die jemenitische Regierung
mit Luft- und Bodentruppen.
* Aus: Neues Deutschland, 7. Juli 2010
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