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Neue Gefechte im Norden Jemens

Regierungstruppen töteten 100 Rebellen

Von Karin Leukefeld *

100 Rebellen sollen nach Angaben der jemenitischen Regierung bei den jüngsten Kämpfen im Nordwesten des Landes getötet worden sein. Seit dem 12. August geht die jemenitische Regierung mit Flugzeugen, Panzern und schwerer Artillerie gegen den Zaidi-Stamm in dieser Region Jemens vor. Hilfsorganisationen berichten von Zehntausenden Flüchtlingen.

Es ist nicht die erste Regierungsoffensive gegen den Stamm, der seit Jahren um religiöse Autonomie und für mehr soziale und wirtschaftliche Unterstützung kämpft.

Die 100 Toten der jüngsten Zusammenstöße wurden außerhalb des Ortes Haraf Sufyan (Provinz Amran) gefunden, hieß es in einer von der Regierung in Sanaa verbreiteten Erklärung, es handele sich um »Houthi-Rebellen«, die versucht hätten, vor den Kämpfen aus der Stadt zu fliehen. Ein Sprecher des Stammes, Mohammad Abd al-Salam, bezeichnete die offiziellen Zahlen der Regierung hingegen als übertrieben. Die jemenitische Luftwaffe habe das Industriegebiet in unmittelbarer Nähe des Zentrums von Saada (Hauptstadt der gleichnamigen Provinz) bombardiert, hieß es von Seiten des Zaidi-Stammes, der nach ihrem führenden Clan Al-Houthi »Houthis« genannt wird.

Ein Militärsprecher bestätigte den Angriff, der einer Tankstelle gegolten habe, die von den Rebellen genutzt worden sei. Angeblich soll das Militär auch Jugendliche anderer Stämme bewaffnet haben, damit diese sich an dem Kampf beteiligen. Die Regierung hat über die Militäraktion, die bereits in die dritte Woche geht, eine Nachrichtensperre verhängt, Journalisten sind nicht zugelassen. Die Rebellen warfen Saudi-Arabien vor, das jemenitische Militär zu unterstützen. Jemenitische Truppen seien auf saudisches Territorium marschiert, um von dort die Zaidis anzugreifen, hieß es in einer Erklärung, die per Internet verbreitet wurde. Saudi-Arabien beschuldigt Iran, den Zaidi-Stamm zu unterstützen und damit für Unruhe in der Grenzregion zu sorgen.

Die Zaidis sind schiitische Muslime, während Jemen und Saudi-Arabien mehrheitlich dem sunnitischen Islam anhängen, in Saudi-Arabien dem Wahabismus, einem extrem dogmatischem Islam. Jeder Angriff von saudischem Boden sei laut Erklärung »als Angriff gegen das Volk zu werten und verletze jemenitische Souveränität«.

Am vergangenen Freitag hatte Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh als Bedingung für einen Waffenstillstand die vollständige Unterwerfung des Stammes gefordert. Zum Beginn des Fastenmonats Ramadan sagte Saleh, man wolle »kein Blut vergießen und Frieden gewinnen«. Die Rebellen müssten aus bestimmten Bezirken abziehen, Straßensperren auflösen und Auskunft über das Schicksal der vor mehr als zwei Monaten entführten sechs Personen geben, einer fünfköpfigen Familie aus Sachsen und einem Briten. Ein Sprecher des Stammes erklärte gegenüber dem Nachrichtensender Al-Dschasira, die Bedingungen seien eine Erniedrigung und würden kein Problem lösen. Die Personen seien nicht von den Zaidis entführt worden. Die Regierung müsse früher gemachte Vereinbarungen einhalten, Gefangene freilassen und dem Stamm »ein gleichberechtigtes Leben in Würde und Sicherheit« garantieren.

Die Vereinten Nationen haben derweil einen sofortigen Waffenstillstand gefordert, damit Zivilisten die umkämpften Gebiete verlassen können. Seit Beginn der Kämpfe, die vor fünf Jahren erstmals ausbrachen, wurden rund 150 000 Menschen vertrieben. Aktuell spricht der UNHCR von weiteren 35 000 Vertriebenen. Aus Flüchtlingslagern in umkämpften Gebieten würden die Menschen fliehen. Amnesty International forderte Präsident Saleh auf, die Menschenrechte einzuhalten. Zivilisten müssten geschützt werden, heißt es in dem Schreiben. Folterverbot und das Recht auf Leben seien zu respektieren.

Jemen ist das ärmste arabische Land mit 23 Millionen Einwohnern und Zehntausenden Kriegsflüchtlingen aus Somalia. Eine neue Generation von Al Qaida nutzt nach Angaben westlicher Geheimdienste das Land als Rückzugsgebiet. In Südjemen fordert die Bevölkerung mehr politische Beteiligung oder die Abspaltung des Südens vom Rest des Landes.

* Aus: Neues Deutschland, 25. August 2009


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