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Den Angeboten folgt das Schweigen

Jemen: Sowohl Regierung als auch Houthi-Rebellen senden zweideutige Signale aus

Von Karin Leukefeld *

Unter bestimmten Bedingungen will die Regierung in Jemen auf ein Waffenstillstandsangebot der Houthi-Kämpfer im Norden des Landes eingehen. Wie der Nationale Verteidigungsrat am Sonntag in Sanaa mitteilte, sei man bereit, die Operation »Verbrannte Erde«, die die jemenitische Armee Anfang August 2009 gegen die Bewegung im Norden gestartet hatte, einzustellen - wenn die Houthis alle Forderungen erfüllten.

Verlangt werden der Abzug aller Houthi-Kämpfer aus öffentlichen Gebäuden, die Öffnung der Verbindungsstraßen zwischen der Hauptstadt Sanaa und dem Norden, die Freilassung aller gefangenen Soldaten und Staatsbediensteten sowie eine Rückgabe von Waffen, die während der Kämpfe erbeutet worden waren. Außerdem müsse die Bewegung sich verpflichten, künftig nicht wieder in das benachbarte Saudi-Arabien einzudringen. Seit November hatte die saudische Armee in die Kämpfe eingegriffen. Nach Angaben der Houthi-Bewegung hatte Saudi-Arabien zuvor Stützpunkte im Grenzgebiet für Angriffe der jemenitischen Armee geöffnet. Sollten die Houthis die genannten Bedingungen akzeptieren, könne der Militäreinsatz nach einem vorher festgelegten Verfahren beendet werden, erklärte der Verteidigungsrat unter Vorsitz von Präsident Ali Abdullah Saleh.

Bis auf die Verpflichtungserklärung hinsichtlich saudischen Territoriums sind die Forderungen der Regierung nicht neu. Präsident Saleh hatte bereits früher ähnliche Angebote gemacht, auf positive Antworten der Houthis dann aber nicht mehr reagiert. Erst am vergangenen Samstag hatte sich der Anführer der Houthi-Bewegung, Abdulmelik al-Houthi, erneut in einer Audiobotschaft zu Wort gemeldet und erklärt, seine Bewegung wolle die Kämpfe beenden und sei bereit, die Bedingungen der Regierung zu akzeptieren. Voraussetzung sei, dass die Armee die Angriffe umgehend einstelle. Zum vierten Mal erkläre er nun die Zustimmung zu den (ursprünglichen) Forderungen der Regierung, sagte al-Houthi. Die Regierung solle nicht zulassen, dass die »interne Auseinandersetzung von internationalen und regionalen Kräften« genutzt wird, Jemen in einen noch größeren Krieg zu ziehen. Es sei eine »Dummheit der Regierung«, gegen das eigene Volk Krieg zu führen.

Auf die neue Forderung zu Saudi-Arabien steht eine Antwort al-Houthis noch aus, da seine Erklärung zeitlich vor der Erklärung des Nationalen Verteidigungsrates veröffentlicht wurde. Der scheint nun einen Waffenstillstand davon abhängig machen zu wollen, ob die Houthis gegenüber Saudi-Arabien eine Nichtangriffsverpflichtung abgeben. Die Bewegung hatte schon eine Woche zuvor ihre Kämpfer von saudischem Territorium zurückgezogen und Riad Waffenruhe versprochen. Die saudische Regierung fordert nun von den Houthis, einer zehn Kilometer breiten Pufferzone zur Grenze zuzustimmen, die vom jemenitischen Militär kontrolliert werden soll.

Ob die Absichtserklärung der jemenitischen Regierung umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Derzeit deutet vieles darauf hin, dass Sanaa jedes Nachgeben der Houthi-Bewegung dazu nutzt, neue Forderungen aufzustellen. Die ursprünglichen Forderungen der Bewegung nach mehr kulturellen Rechten sowie mehr sozialer, wirtschaftlicher und politischer Partizipation sind für das Regime in Sanaa kein Thema.

Die Operation »Verbrannte Erde« ging auch am Wochenende weiter. In der Nacht zum Sonntag wurden nach Armeeangaben bei Kämpfen rund um die nördliche Provinzhauptstadt 24 Houthi-Kämpfer getötet. Nach Informationen der Houthis hat auch die saudische Luftwaffe ihre Angriffe auf das Gebiet fortgesetzt.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) warnt derweil vor einer humanitären Katastrophe für die Kriegsflüchtlinge, die aus dem Kampfgebiet vertrieben wurden. Mit 250 000 habe sich die Zahl der Inlandsvertriebenen (IDP) seit Beginn der Kämpfe am 12. August 2009 gegenüber Zahlen aus den vorherigen Jahren verdoppelt, sagte UNHCR-Sprecher Andrej Mahecic. Die Kämpfe weiteten sich immer mehr nach Westen aus, drei bestehende Flüchtlingslager müssten ständig erweitert werden. Weil es keine ausreichende Versorgung für die vielen Schutzsuchenden gebe, »sprießen selbstgebaute Unterkünfte wie Pilze entlang den Straßen, die zu den Lagern führen, aus dem Boden«.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Februar 2010


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