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Jemen sucht Wege zur Versöhnung

Heute beginnt die Regierung in dem zerrissenen Land einen dreitägigen "Nationalen Dialog"

Von Karin Leukefeld *

Mit einem dreitägigen »Nationalen Dialog« will die Regierung Jemens am Wochenende (30./31. Jan.) einen innenpolitischen Versöhnungsprozess einleiten. Das berichtet die jemenitische Nachrichtenagentur SABA unter Berufung auf das Parlamentsmitglied Ali Abdullah al Sallal.

Das Treffen soll den eigentlichen Dialog in Jemen, für den bisher kein fester Termin genannt wird, zwar nur vorbereiten, doch werden schon an diesem Wochenende rund 8000 Vertreter »verschiedener politischer, sozialer und ziviler Organisationen« aus dem ganzen Land erwartet. Sie wollen sich über die drängenden innenpolitischen Fragen informieren und darüber befinden, wie diese im weiteren »Dialogprozess« behandelt werden sollen. Als zentrale Themen nannte Ali Abdullah al Sallal »Sicherheit, Politik, Wirtschaft, Soziales und Versöhnung«. Fünf Komitees will man zu diesen Themen bilden. Eröffnet wird die Konferenz von Präsident Ali Abdullah Saleh.

Der stellvertretende Ministerpräsident Amin Abu Ras, auch zuständig für die Gemeindeverwaltung, hat die Universitäten des Landes aufgefordert, sich aktiv am »Nationalen Dialog« zu beteiligen und ihre Visionen und Vorschläge einzubringen. Alle Bürger, die sich der »Einheit Jemens und seiner Demokratie« verpflichtet fühlten und anderen nicht »bestimmte Ansichten aufzwingen« wollten, seien eingeladen, sich in diesem Prozess zu engagieren. Diese Äußerungen dürften als Anspielung auf die Opposition in Südjemen und auf die Houthi-Bewegung im Norden des Landes verstanden werden. Gegen beide Gruppen geht die jemenitische Regierung mit äußerster Härte vor.

Die Houthi-Bewegung wirft der Zentralregierung soziale, politische und kulturelle Ausgrenzung vor. Seit August 2009 läuft gegen sie die Militäroperation »Verbrannte Erde«, die Zehntausende Menschen vertrieben hat. Die Armee hat über das Gebiet den Ausnahmezustand verhängt, Journalisten haben keinen Zutritt. UNO-Organisationen und internationale Hilfsorganisationen dürfen nur außerhalb des Kampfgebietes arbeiten. Ein in der Provinzhauptstadt Saada eingeschlossener Mitarbeiter der britischen Organisation »Islamic Relief« berichtete kürzlich von verheerenden Zuständen und schrieb, es tobe ein »Krieg ohne Zeugen«.

Wie ernst es die jemenitische Regierung und Präsident Saleh mit der nationalen Versöhnung meinen, bleibt denn auch abzuwarten. Die Hilfszusagen des jetzt in London neu gegründeten »Freundeskreises Jemen« wurden unter anderem von politischen und Wirtschaftsreformen abhängig gemacht, die für mehr soziale Gerechtigkeit in dem bettelarmen arabischen Land sorgen sollen. Nach der Vereinigung Jemens im Mai 1990 war Präsident Saleh an der Macht geblieben und regiert seit nunmehr 32 Jahren. Zur Integration Südjemens hat Saleh aber nicht beigetragen. Die dortige Opposition wirft der Regierung vor, sich wie ein Besatzerregime zu verhalten und weder wirtschaftliche noch politische Partizipation zuzulassen. 1994 kam es zu einem Bürgerkrieg, den die Armee für sich entschied.

Oppositionelle Kräfte im Lande haben derweil das Ergebnis der Londoner Jemen-Konferenz am Mittwoch kritisiert. Die zugesagten Hilfen würden nur dazu beitragen, die Macht der Regierung in Sanaa abzusichern, heißt es in einer vorgestern verbreiteten gemeinsamen Erklärung der fünf größten Oppositionsparteien.

Die Konferenzteilnehmer hätten die schlimme Lage im Land außer Acht gelassen. Diese sei ein Ergebnis der Politik eben jener Regierung, der sie helfen wollten. Indem man diese Regierung unterstütze, unterstütze man auch »Instabilität und Korruption« in Jemen. Die Londoner Entscheidung habe die letzte Hoffnung der Jemeniten auf ernsthafte und wirkliche Hilfe für ihr Land durch die internationale Gemeinschaft zerstört.

* Aus: Neues Deutschland, 30. Januar 2010


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