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Angriff mit Streumunition

Amnesty verlangt von USA Aufklärung über Tötung von mehr als 50 Menschen in Jemen

Von Karin Leukefeld *

Amnesty International will von den USA wissen, ob ihre Armee im Dezember eine Rakete mit Streubomben auf ein Lager in Jemen abgefeuert hat. Bei dem Angriff in der Provinz Abyan sollen mindestens 50 Menschen getötet worden sein.

Der Angriff in dem Ort Al-Ma'jalah (Provinz Abyan) hatte nach offiziellen Angaben einem Ausbildungslager der Qaida gegolten und 34 Terroristen getötet. Man sei einer Serie von Selbstmordanschlägen gegen Einrichtungen im In- und Ausland zuvorgekommen, hieß es aus dem jemenitischen Innenministerium. Augenzeugen berichteten allerdings schon kurz nach dem Angriff von vielen getöteten Zivilisten und zerstörten Häusern.

Nach Angaben von Amnesty International wurden bei dem Angriff am 17. Dezember 41 Zivilisten getötet, darunter 14 Frauen und 21 Kinder. Bei 14 weiteren Toten konnte nicht ermittelt werden, ob sie Zivilisten oder Kämpfer gewesen seien. Am Montag veröffentlichte Amnesty in London Bilder von einer eingeschlagenen US-Rakete und einer nicht explodierten Splitterbombe, die kurz nach dem Angriff aufgenommen wurden. Zu sehen sind gut identifizierbare Reste einer Rakete vom Typ BGM-109 Tomahawk (Cruise Missile) sowie eine Streubombe des Typs BLU 97 A/B.

Die Cruise Missiles werden normalerweise von Kriegsschiffen oder U-Booten abgeschossen, solche Möglichkeiten hätten in der Region nur die US-Streitkräfte, so Amnesty. Die Rakete kann 166 Streubomben transportieren, von denen jede mehr als 200 Stahlsplitter enthält, die im Umkreis von 150 Metern zu schwersten Verletzungen führen. Eine ebenfalls in den Bomben vorhandene brennbare Flüssigkeit löst bei Explosion schwere Brände aus.

Kurz nach dem Angriff hatte die »New York Times« berichtet, das US-Militär habe Jemens Armee mit Aufklärungsbildern und »Feuerkraft« unterstützt, um gegen angebliche Qaida-Lager vorzugehen.

Ein Untersuchungsausschuss des jemenitischen Parlaments hatte im Februar der offiziellen Regierungsdarstellung widersprochen. Bei Ankunft in Al-Ma'jalah »fanden wir alle Häuser mitsamt ihrem Inhalt verbrannt, nur einige Überreste von Möbeln« seien noch zu sehen gewesen, heißt es in dem Bericht. Man habe Blutspuren der Opfer gefunden und Krater, wo die Raketen eingeschlagen wären. Außerdem habe man »eine Anzahl nicht explodierter Bomben« gefunden. Ein Überlebender des morgendlichen Angriffs habe den Parlamentariern berichtet, seine ganze Familie sei im Schlaf getötet worden, keiner von ihnen habe etwas verbrochen.

Die Provinzbehörde von Abyan erklärte damals, unter den Toten seien auch 14 Qaida-Mitglieder, konnte allerdings bis auf eine Person niemanden identifizieren. Bei dieser Person handelte es sich um einen früheren Afghanistankämpfer saudischer Herkunft, der seit 2003 in Jemen lebte. Der Parlamentsausschuss hatte von der Regierung eine juristische Untersuchung gefordert, um die Verantwortlichen für die Ermordung von Zivilisten zu fassen. Bisher ohne Erfolg.

»Ein Militärschlag dieser Art gegen mutmaßliche Kämpfer ohne einen Versuch ihrer Festnahme ist mindestens gesetzeswidrig«, sagte Philip Luther von der Nahostabteilung bei Amnesty International. Dass so viele Opfer Frauen und Kinder waren, mache klar, »dass der Angriff tatsächlich extrem unverantwortlich war«. 98 Staaten haben das Internationale Abkommen zur Ächtung von Streubomben 2008 unterzeichnet, das zu August in Kraft treten soll. Weder die USA noch Jemen gehören zu den Unterzeichnerstaaten.

* Aus: Neues Deutschland, 8. Juni 2010


Angriff auf Al Qaida-Lager im Jemen

Amnesty wirft USA Einsatz von Streubomben vor **

Die USA haben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (ai) zufolge Streubomben im Kampf gegen das Terrornetzwerk Al Qaida im Jemen eingesetzt. Bei dem Angriff auf ein mutmaßliches Al Qaida-Lager im Südjemen seien im Dezember 55 Menschen getötet worden, erklärte ai am Montag und forderte von den USA eine Stellungnahme. Ein Mitglied des Netzwerks stellte sich nach jemenitischen Angaben den Behörden.

Amnesty veröffentlichte Fotos, auf denen nach Angaben der Organisation Überreste eines im Südjemen explodierten "Tomahawk"-Marschflugkörpers aus US-Produktion sowie nicht explodierte Streubomben zu sehen sind. Die Aufnahmen sollen nach dem Angriff am 17. Dezember 2009 auf die Gemeinde El Maadschala in der südlichen Provinz Abjan entstanden sein, wo Al Qaida ein Ausbildungslager unterhalten soll. Seine Organisation sei "sehr besorgt", dass im Jemen Streubomben zum Einsatz kämen, sagte ai-Rüstungsexperte Mike Lewis in London. Die meisten der Opfer seien Zivilisten gewesen.

Die US-Regierung müsse offenlegen, welche Rolle sie in diesen Angriffen gespielt habe, forderte der Vizechef des ai-Programms für Nahost und Nordafrika, Philip Luther. Bisherige Anfragen von Amnesty an das Pentagon seien unbeantwortet geblieben.

In der Amnesty-Erklärung wird darauf hingewiesen, dass eine "Tomahawk"-Rakete mit 166 Streubomben bestückt werden könne. Jede von ihnen setze bei der Explosion 200 scharfkantige Stahlgeschosse frei. Diese könnten noch in 150 Metern Entfernung Verletzungen verursachen. Außerdem würden chemische Stoffe freigesetzt, die Feuer entfachten.

** Aus: Neues Deutschland, 8. Juni 2010


Images of missile and cluster munitions point to US role in fatal attack in Yemen ***

7 June 2010

Amnesty International has released images of a US-manufactured cruise missile that carried cluster munitions, apparently taken following an attack on an alleged al-Qa’ida training camp in Yemen that killed 41 local residents, including 14 women and 21 children.

The 17 December 2009 attack on the community of al-Ma'jalah in the Abyan area in the south of Yemen killed 55 people including 14 alleged members of al-Qa’ida.

“A military strike of this kind against alleged militants without an attempt to detain them is at the very least unlawful. The fact that so many of the victims were actually women and children indicates that the attack was in fact grossly irresponsible, particularly given the likely use of cluster munitions,” said Philip Luther, Deputy Director of Amnesty International's Middle East and North Africa Programme.

The Yemeni government has said its forces alone carried out the attack on al-Ma'jalah, the site of an alleged al-Qa'ida training camp in al-Mahfad district, Abyan Governorate.

Shortly after the attack some US media reported alleged statements by unnamed US government sources who said that US cruise missiles launched on presidential orders had been fired at two alleged al-Qa'ida sites in Yemen.

“Based on the evidence provided by these photographs, the US government must disclose what role it played in the al-Ma'jalah attack, and all governments involved must show what steps they took to prevent unnecessary deaths and injuries,” said Philip Luther.

The photographs enable the positive identification of damaged missile parts, which appear to be from the payload, mid-body, aft-body and propulsion sections of a BGM-109D Tomahawk land-attack cruise missile.

This type of missile, launched from a warship or submarine, is designed to carry a payload of 166 cluster submunitions (bomblets) which each explode into over 200 sharp steel fragments that can cause injuries up to 150m away. An incendiary material inside the bomblet also spreads fragments of burning zirconium designed to set fire to nearby flammable objects.

A further photograph, apparently taken within half an hour of the others, shows an unexploded BLU 97 A/B submunition itself, the type carried by BGM-109D missiles. These missiles are known to be held only by US forces and Yemeni armed forces are unlikely to be capable of using such a missile.

Amnesty International has requested information from the Pentagon about the involvement of US forces in the al-Ma'jalah attack, and what precautions may have been taken to minimize deaths and injuries, but has yet to receive a response.

“Amnesty International is gravely concerned by evidence that cluster munitions appear to have been used in Yemen, when most states around the world have committed to comprehensively ban these weapons,” said Mike Lewis, Amnesty International's arms control researcher.

“Cluster munitions have indiscriminate effects and unexploded bomblets threaten lives and livelihoods for years afterwards. All governments responsible for using them must urgently provide assistance to clear unexploded munitions.”

Neither the USA nor Yemen has yet signed the Convention on Cluster Munitions, a treaty designed to comprehensively ban such weapons which is due to enter into force on 1 August 2010.

A Yemeni parliamentary committee that investigated the 17 December 2009 attack reported in February that 41 people it described as civilians had been killed. In its report the committee said that on arrival at the scene of the attack in al-Ma’jalah it “found that all the homes and their contents were burnt and all that was left were traces of furniture.”

It said the committee “found traces of blood of the victims and a number of holes in the ground left by the bombing… as well as a number of unexploded bombs”, and that one survivor told the committee that his family, who were killed although they had committed no crime, were sleeping when the missiles struck on the morning of 17 December 2009.

In its report, the Yemeni parliamentary committee said the Yemeni government should open a judicial investigation into the attack and bring to justice those responsible for the killings of civilians, but no such investigation is known to have been held as yet.

The committee reported statements by the Abyan Governorate authorities that 14 alleged members of al-Qa’ida were also killed in the attack, but said it had been unable to obtain information confirming this and was able to obtain the name of only one of the 14 from the Abyan authorities

*** Source: amnesty international, 7 June 2010; www.amnesty.org


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