Japans Linke im Aufwind
Kommunistische Partei nach Zugewinnen bei Kommunalwahlen drittstärkste Kraft des Landes
Von Michael Streitberg *
Nach den Kommunalwahlen der vergangenen Wochen in Japan feiert sich die rechtskonservative Regierungspartei LDP (Liberaldemokratische Partei) als Siegerin. Die Bürger konnten am 12. und 26. April sowohl über die Gouverneure und Bürgermeister als auch über die Zusammensetzung der Präfektur- und Kommunalparlamente abstimmen. Stärkste Partei wurde bei den Urnengängen die Partei von Premierminister Shinzo Abe vor deren Koalitionspartner, die buddhistische Komeito. Die Wahlbeteiligung war äußerst gering: Nur 47 Prozent der Stimmberechtigten nahmen an der ersten Runde der Gouverneurswahlen teil, über die Zusammensetzung der Präfekturversammlungen wollten lediglich 45 Prozent entscheiden. Der LDP fällt es somit schwer, das Votum als breite Unterstützung für Abes Politik zu verkaufen.
Doch auch linke Kräfte konnten Erfolge vorweisen. So erreichte die Kommunistische Partei Japans (JCP) ihr bestes Ergebnis seit fast 20 Jahren: In den Präfekturen erhöhte sich die Zahl ihrer Mandate von 80 auf 111. Bei den Stadtratswahlen in 17 Großstädten konnte die JCP ihre Sitze von 107 auf 136 steigern. Damit zog sie an der sozialliberalen Demokratischen Partei (DPJ) vorbei, die von 2009 bis 2012 regierte. Die Kommunisten sind mittlerweile die drittstärkste politische Kraft des Landes.
Im Gegensatz zur DPJ ging die JCP im Wahlkampf in deutliche Opposition zur Regierung. Die Kommunisten kämpfen gegen die von Abe betriebene Revision der pazifistischen Nachkriegsverfassung und sprechen sich gegen die Militärallianz mit den USA aus. Die JCP unterstützt deswegen auch den Widerstand gegen den geplanten Ausbau der US-amerikanischen Truppenpräsenz auf der südlichsten Insel Okinawa. In den vergangenen Monaten hatten immer wieder Tausende Menschen gegen Abes Kurs der Militarisierung protestiert. Abgeordnete der JCP schlossen sich den Demonstrationen in Tokio und anderen Städten an.
Außerdem spricht sich die Partei gegen das geplante Freihandelsabkommen TPP (Transpazifischer Partnerschaftsvertrag) aus, das zwischen Japan, den USA und zehn anderen Staaten abgeschlossen werden soll. TPP ist eine Art asiatisches TTIP und würde internationalen Großkonzernen weitgehende Rechte einräumen. Im Gegenzug würde der Spielraum nationaler Parlamente beschnitten. Vor allem Japans Bauern und Milchproduzenten fürchten wegen der geplanten Deregulierungen um ihre Existenz.
Die JCP spricht sich zudem entschieden gegen das Festhalten Abes an der Atomenergie aus. Nach der Katastrophe von Fukushima waren und sind die Kommunisten die einzigen, die für einen Atomausstieg kämpfen.
Überzeugen konnte die JCP mit der Forderung, die unzählige Überstunden einzuschränken. Es handelt sich dabei um ein Problem von vor allem jungen Beschäftigten, die sich in Schnellrestaurants oder Supermärkten von einem Zeitvertrag zum nächsten hangeln und meist unterbezahlt sind. Der Gewerkschaftsbund Zenroren, in dem sich viele Anhänger der JCP organisieren, beteiligte sich am 15. April an einem internationalen Aktionstag für die Beschäftigten in Fastfoodrestaurants und forderte einen Mindestlohn von 1.000 Yen pro Stunde, rund acht Euro.
Seit den Zugewinnen bei den Tokioter Stadtratswahlen 2013 treten zahlreiche jungen Menschen der JCP bei. Im Januar 2014 hatte die Partei nach eigenen Angaben 320.000 Mitglieder und gehört damit zu den weltweit größten KPs.
Trotz ihrer Stärke stellt die JCP die bestehenden Verhältnisse nicht in Frage. Zwar ist der Sozialismus laut Programm das Ziel, doch im politischen Alltag beschränkt sich die Partei darauf, Reformen einzufordern. Gleichwohl sind es im Parlament nur die Kommunisten, die es vermögen, Abes Rechtsruck Widerstand entgegenzusetzen.
* Aus: junge Welt, Mittwoch, 6. Mai 2015
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