Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Japan vor Rechtsruck

Alle Meinungsumfragen sprechen für einen Sieg der Liberaldemokratischen Partei von Premier Abe bei Oberhauswahlen. Der strebt Verfassungsänderungen zugunsten des Militärs an

Von Josef Oberländer *

Japan wird an diesem Sonntag einen Rechtsruck erleben. Vor der Oberhauswahl am Wochenende sprechen alle Meinungsumfragen dafür, daß die Liberaldemokratische Partei (LDP) um Premierminister Shinzo Abe auch in der zweiten Kammer des Parlaments eine überwältigende Mehrheit erhalten wird. Damit wäre der Weg frei für Verfassungsänderungen, durch die das Militär aufgewertet und aufgerüstet werden soll. In den Gebietstreitigkeiten, unter denen die Beziehungen zu China, Südkorea und Taiwan seit Jahren leiden, steht der beinharte Nationalist Abe für direkte Konfrontation.

Abe ist ein Enkel von Nobusuke Kishi, dem Handels- und Industrieminister der Militärregierung unter Hideki Tojo, der unter anderem die Plünderung der von Japan im Zweiten Weltkrieg besetzten Gebiete organisierte. Nach Kriegsende saß Kishi für kurze Zeit als Kriegsverbrecher der obersten Kategorie im Gefängnis Sugamo. Aber für die US-Besatzungsmacht ging Antikommunismus vor. Von 1957 bis 1960 war Kishi Premierminister. Auch Abes Großvater väterlicherseits und sein Vater waren Politiker. Abe selbst ist so sehr der feudalistischen Tradition des Landes verhaftet, daß er sich gegen eine weibliche Thronfolge ausgesprochen hat. Er steht für das Verschwindenlassen japanischer Kriegsverbrechen aus den Schulgeschichtsbüchern, das Propagieren einer Erziehung zur Vaterlandsliebe und eine harte Linie gegen Nordkorea.

In der Vergangenheit war es im Reich der aufgehenden Sonne fast immer so, daß der Gewinner der Unterhauswahlen die darauf folgenden Oberhauswahlen verlor. Einfach durchregieren konnte seit Ende des von der LDP dominierten »Einparteiensystems« vor zwanzig Jahren so gut wie keine Regierung mehr. Naoto Kan, der glücklose Vorgänger Abes, begann seinen Aufstieg einst mit Siegen bei den Wahlen zum Oberhaus und zum Tokioter Stadtparlament. Sein Nachfolger Abe will sich ein halbes Jahr nach der Amtseinführung auch noch die Mehrheit im Oberhaus sichern – das Massenblatt Mainichi spricht bereits von einem historischen Wandel.

Japans Kommunisten, die aktuell sechs Sitze halten, dürften sich bei den kommenden Wahlen deutlich verbessern. Umfragen zufolge könnten sie erstmals seit zwölf Jahren wieder ein Direktmandat gewinnen. Sie sprechen sich gegen die von den USA vorangetriebene multilaterale Freihandelszone Trans-Pacific Partnership (TPP) aus. Statt einer Mehrwertsteuererhöhung, wie sie Abe plant, fordern sie höhere Einkommen und mehr Arbeitsplatzsicherheit. Sie unterstützen die Bevölkerung von Okinawa gegen die US-Militärpräsenz. Und für die KPJ ist auch der Atomausstieg noch ein Thema. Die LDP bemüht sich derweil um ein möglichst geräuschloses Wiederanfahren der nach der Atomkatastrophe von Fukushima stillgelegten Reaktoren.

Die rechtsextreme Nippon Ishin no Kai dürfte bei diesen Wahlen ebensowenig eine Rolle spielen wie die Grünen oder die zur Splitterpartei verkommenen Sozialdemokraten. Die KPJ tritt als einzige ernstzunehmende Oppositionspartei an. Den Rechtsrutsch wird jedoch auch sie nicht verhindern können.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 18. Juli 2013


Zurück zur Japan-Seite

Zurück zur Homepage