Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Streit um Südkurilen spitzt sich wieder zu

Japans Parlament besteht auf Rückgabe

Von Irina Wolkowa, Moskau *

Die russisch-japanischen Spannungen im jahrzehntealten Konflikt um die südlichen Kurilen wachsen erneut. Die fernöstliche Inselkette ging nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an die Sowjetunion. Japan findet sich damit nicht ab und besteht auf der Rückgabe der südlichsten Perlen dieser Kette.

Der Streit um die Inselgruppe hat sich erneut verschärft. Einstimmig verabschiedete das Unterhaus des japanischen Parlaments am Donnerstag vergangener Woche in Tokio einen Gesetzentwurf, der die Regierung verpflichtet, »maximale Bemühungen« um die Rückgabe der »nördlichen Territorien«, wie Japan die Inselgruppe nennt, zu unternehmen. Möglichst schnell müsse das Kaiserreich die Inseln Iturup, Kunaschir und Schikotan sowie Habomai - eine Gruppe kleiner Eilande - zurückerlangen. Das Oberhaus will noch vor der Sommerpause ähnlich entscheiden und das Dokument damit in Kraft setzen.

Moskau reagierte wegen des Nationalfeiertags am Freitag zunächst zurückhaltend. Andrej Nesterenko, Sprecher des russischen Außenministeriums, nannte es lediglich einen »ärgerlichen« Zwischenfall, kündigte aber an, eine offizielle Erklärung werde in Kürze folgen. Und die ließ tatsächlich nicht lange auf sich warten. Unzweideutig hieß es darin: »Diese Vorgehensweise der japanischen Seite ist unakzeptabel und fehl am Platz. Es ist gut bekannt, dass die südlichen Kurilen-Inseln im Ergebnis des Zweiten Weltkrieges legitim an die Sowjetunion und später an Russland übergegangen sind. Vor diesem Hintergrund kommt die 'Rückgabe' dieser Gebiete keineswegs in Frage.« Tokio scheine seine rechtswidrigen Gebietsansprüche eskalieren zu lassen. Das schade dem Dialog zwischen den beiden Staaten.

Der Streit um die Südkurilen hatte sich in den letzten Wochen kontinuierlich hochgeschaukelt. Die Inselgruppe, sagte Japans Regierungschef Taro Aso Mitte Mai beim Besuch seines Moskauer Kollegen Wladimir Putin in Tokio zu Beginn der gemeinsamen Pressekonferenz, sei »der Knochen im Hals der russisch-japanischen Beziehungen«. Er hoffte dennoch auf Fortschritte bei einer bevorstehenden Begegnung mit Präsident Dmitri Medwedjew. Am Rande des G8-Gipfels im Juli in Italien wollen sich Aso und Medwedjew treffen. Putin war da allerdings von vornherein weniger optimistisch: Moskau werde im Kurilen-Konflikt keine Kompromisse eingehen.

Zwar einigten sich beide Seiten kurz danach auf die Wiederaufnahme des kleinen Grenzverkehrs zwischen den südlichen Kurilen und Hokkaido, der nördlichsten Insel Japans. Doch Ende Mai bezeichnete Premier Aso die Inseln als »widerrechtlich besetzte Territorien«. Dafür las Medwedjew Tokios neuem Moskau-Botschafter bei der Überreichung seines Beglaubigungsschreibens die Leviten.

Aso hatte sich schon als Außenminister in Moskau unbeliebt gemacht. 2006 hatte er Russland zu einer Teilung der strittigen Inseln nach dem Prinzip »Halbe-halbe« aufgefordert und damit eine messerscharfe Reaktion seines Moskauer Amtskollegen Sergej Lawrow provoziert. Japans damaliger Regierungschef Shinzo Abe musste daher den geordneten Rückzug antreten: Die Erklärung des Außenministers dürfe nicht als konkretes Angebot der Regierung gewertet werden.

Der Streit um die Inselgruppe verhinderte bisher auch einen Friedensvertrag zwischen Russland und Japan. 1956 wurde lediglich eine Deklaration über die Beendigung des Kriegszustands unterzeichnet.

* Aus: Neues Deutschland, 15. Juni 2009


Zurück zur Japan-Seite

Zur Russland-Seite

Zurück zur Homepage