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Erdrutschsieg für Abe

Liberaldemokraten liegen bei Neuwahlen in Japan klar vorn

Von Sebastian Maslow, Tokio *

Nach den Wahlen zum Unterhaus am Sonntag steht Japan vor einem Regierungswechsel. Wahlprognosen deuten auf einen Erdrutschsieg der Liberaldemokratischen Partei (LDP) des rechtskonservativen Ex-Premier Shinzo Abe hin. Demnach geht man davon aus, dass die LDP eine absolute Mehrheit von rund 300 der insgesamt 480 Sitze gewonnen hat.

Die LDP kehrt nach nur drei Jahren in der Opposition wieder zurück in die Regierung. Nachdem die konservative Partei mehr als ein halbes Jahrhundert Japan regierte, verlor sie 2009 die Macht an Demokratische Partei (DPJ). Wahlprognosen des Fernsehsenders NHK gehen davon aus, dass die LDP gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner, der Neuen Komeito, eine Zweidrittelmehrheit im neuen Parlament stellen wird. Schon nach der Hälfte aller ausgezählten Stimmen kam die LDP auf 218 Sitze, die Neue Komeito auf 13. Die Demokratische Partei (DPJ) von Premierminister Yoshihiko Noda musste wie erwartet eine schwere Niederlage einstecken. Prognosen gehen davon aus, dass die DPJ lediglich 50 bis 77 Sitze gewinnen wird. Vor den vorgezogenen Neuwahlen hatte die DPJ noch 230 Mandate.

Mit der Wahl Shinzo Abes steht Japan vor einen politischen Kurswechsel. Beim ersten Urnengang nach dem historischen Erdbeben und Tsunami vom 11. März 2011 sowie der Atomkatastrophe von Fukushima wird die Energiewende in Japan nun vertagt. Während Noda einen Atomausstieg bis 2040 in Aussicht gestellt hatte, bleibt der Kurs der LDP mit ihrem Atomenergiebefürworter Abe unklar. Das schlechte Krisenmanagement und der schleppende Wiederaufbau der Tohoku-Region im Nordosten Japans hat zu einem Vertrauensverlust der DPJ geführt.

Auch die Wirtschaftspolitik der DPJ hat viele Wähler verstimmt. Erst im August hatte Nodas Regierung eine Umsatzsteuererhöhung von fünf auf zehn Prozent bis 2015 beschlossen und sich damit gegen ihrer eigenen Wahlversprechen von 2009 gestellt. Während die Steuerreform von Experten als wichtiger Schritt in der Bekämpfung der japanischen Schuldenkrise sowie der Finanzierung des Sozialsystems begrüßt wird, trauten der DPJ am Ende nur wenige in Japan zu, die Wirtschaft aus der Rezession zu führen. Gemessen am Bruttosozialprodukt beläuft sich die Schuldenquote in Japan auf mehr als 200 Prozent. Abe hatte indes angekündigt der chronischen Deflation ein Ende zu setzen. Mit milliardenschweren Konjunkturprogrammen will die LDP das Wachstum wieder ankurbeln. Sollte die lockere Haushaltspolitik Japan nicht aus der Krise führen, will Abe auch die Umsatzsteuererhöhung wieder kippen.

Neben den wirtschaftlichen Herausforderungen dürfte vor allem der Streit mit China um die Senkaku (Diaoyutai) Inseln zu den drängenden Problemen der neuen Regierung gehören. Experten befürchten, dass der Konflikt unter dem rechtskonservativen Abe weiter eskalieren könnte. Abe setzt sich für eine Revision der japanischen Friedensverfassung und einen Ausbau des japanischen Militärs ein.

* Aus: neues deutschland, Montag, 17. Dezember 2012


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