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Jamaikas Maroons wehren sich gegen den Bauxitabbau

Nachkommen entlaufener Sklaven pochen auf ihre Autonomierechte

Von Hans-Ulrich Dillmann *

Bauxit gehört zu den wichtigsten Devisenquellen Jamaikas. Doch das Vorhaben von jamaikanischen Bergbaufirmen, auch im Cockpit Country das Gestein abzubauen, stößt auf Granit. Die dort siedelnden, mit Autonomierechten ausgestatteten Maroons, Nachkommen entlaufener Sklaven, lehnen das ab.


Die Maroons haben eine lange Geschichte des Widerstandes. Die britische Kolonialmacht konnte sie nie besiegen, sondern ihnen lediglich nach jahrzehntelangem Guerillakrieg am 6. Januar 1738 ein Friedensabkommen abringen.

Auch nach der Unabhängigkeit 1962 haben die von afrikanischen Sklaven abstammenden Maroons Autonomierechte behalten, die der jamaikanische Staat nicht anzutasten wagt. Das gilt auch für das halbautonome Cockpit Country, eine im Nordwesten Jamaicas in der Provinz Trelawny gelegene Region, in der die nach ihrer Hauptstadt benannten so genannten Accompong Maroons siedeln. Die Gegend besitzt reiche Vorkommen des knollenartigen Gesteins, aus dem das Leichtmetall gewonnen werden kann. Doch die Botschaft ist unmissverständlich: »Cockpit Country ist unser Land. Wir sind bereit dafür zu leben und zu kämpfen, um es unseren Kindern so zu übergeben wie es unsere Vorväter uns übergeben haben«, betonte der Stammesälteste Melville Currie auf der jährlichen Versammlung der Maroons in Accompong Town Mitte Januar.

Auf dem »Quanza« genannten Treffen beschlossen die Maroons, keine »Umweltzerstörung« in ihrem Wohngebiet zu gestatten. Die »Quanza« findet seit 1738 jährlich statt, diesmal zum 269. Mal.

Der Konflikt über neue BauxitSchürfrechte begann im vergangenen Jahr, als die jamaikanische Regierung der Alcoa Inc. und der staatlichen Clarendon Alumina Production eine Abbau- und Weiterverarbeitungslizenz erteilte. Dabei wurde die Fläche von mehr als 10 000 Hektar des Accompong Maroons Territorium als Bergbaugebiet deklariert. Der Verkauf des Rohstoffs macht zwei Drittel der Exporteinnahmen der Karibikinsel aus, im vergangenen Jahr wurden mehr als 13 Millionen Tonnen abgebaut. Jamaika ist weltweit der fünftgrößte Exporteur von Bauxit. 2005 waren 3939 Menschen in diesem Wirtschaftszweig beschäftigt. Die Ausfuhr von Bauxit und Aluminium ist nach den Auslandsüberweisungen der im Ausland lebenden Jamaikaner und den Einnahmen aus dem Tourismus die drittwichtigste Devisenquelle von Xaymaca, wie die Taíno-Eingeborenen das »Land des Waldes und des Wassers« nannten.

Zwar zog die Regierung nach Protesten der Maroons und von Umweltschützern im Dezember die Schürferlaubnis wieder zurück. Aber diese Entscheidung der Regierung von Premierministerin Portia Simpson Miller von der sozialdemokratischen People's National Party (PNP), scheint eher taktischer Natur gewesen zu sein: Nach Interventionen der Bergbaubetreiber kündigte der Landwirtschaftminister Roger Clarke an, er werde über die Abbaulizenz aufgrund neuer Untersuchungen und wissenschaftlicher Daten noch im Frühjahr erneut entscheiden. Umweltschützer vermuten, dass Clarke eine neue Erlaubnis erteilen wird. Maroon-Regierungschef Colonel Sidney Peddie und die Chefs der Bezirke im Maroon-Land haben der jamaikanischen Regierung in Falle einer erneuten Abbaugenehmigung auf ihrem Terrain mit Widerstand und Aktionen gegen den Bauxittagebau gedroht. Mit einem positiven Bescheid werde von Seiten der jamaikanischen Regierung der Friedensvertrag zwischen Britten und Maroons von 1738 gekündigt, sagte Peddie. Gleichzeitig forderte er die britische Regierung auf, sich für die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Autonomie des Cockpit Countries einzusetzen. »Wir werden die Cockpits nicht verlassen, denn unsere Vorväter haben dafür gekämpft«, betonte auch Melville Currie vor den Vertretern von rund 5000 Maroons, die heute noch in Jamaika leben.

Die Regierung in Kingston hat sich seit Jahrzehnten nicht sonderlich um die Lebensbedingungen der ehemaligen Rebellen gekümmert. Das Straßennetz ist kaum ausgebaut, Infrastrukturmaßnahmen in der Region hinken immer um Jahre hinter denen des übrigen Landes hinterher. Dafür hat sich das Accompong Maroon Territorium zu einem Kleinod für Naturtouristen und Urlaubern entwickelt, die an der Kultur Jamaikas abseits des Reggaes interessiert sind. Zwar muss man sich vor dem Betreten des Gebiets von den Chiefs eine Erlaubnis gegen eine Gebühr einholen, aber dann bietet Cockpit Country viele Möglichkeiten für Wanderer, die Gegend in Begleitung eines Führers zu durchstreifen.

Vor allem im Ökotourismus sehen die Verantwortlichen der Maroons Chancen für eine nachhaltige und umweltverträgliche Entwicklung der ärmlichen Region. Die Bergbaupläne würden weitere Überlegungen und Planungen der Maroon-Führung durchkreuzen in Sachen Natururlaub aber auch beim ökologischen Anbau von Gemüse, Obst und Heilpflanzen. Von der Heilkraft der Pflanzen schwärmt auch der Stammesälteste Melville Currie. »Ich gehe nie zum Arzt. Schon meine Mutter schickte mich in den Wald, um Kräuter zu sammeln und daraus Medizin zu machen. Wir tranken es und danach ging es uns besser.« Die traditionelle Kräutermedizin ist unter den Maroons noch immer weit verbreitet. »Hier gibt es jede Heilpflanze die man sich denken kann«, sagt Currie. Die Maroons hoffen dabei auf das mögliche Interesse von Pharmaunternehmen, die sich auf die Verarbeitung von Heilpflanzen spezialisiert haben. Maroon-Leader Colonel Frank Lumsden aus Charles Town sieht die Möglichkeit, im größeren Umfang zwei Heilpflanzen zu kultivieren, die im Cockpit Country endemisch sind und nach Ansicht von Pharmakologen bei der Krebsbehandlung eingesetzt werden können. »Wir bereiten derzeit eine Konferenz vor, um die Möglichkeiten eine Medizinpflanzenproduktion zu diskutieren«, sagte Lumsden. Um Alternatvien waren die Maroons in der Geschichte schließlich noch nie verlegen.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Februar 2007


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