Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Weniger Jets

Italien will Militärausgaben senken und verzichtet auf Ankauf von "F-35"-Kampfflugzeugen

Von Gerhard Feldbauer *

Um die gewaltigen Staatsschulden seines Landes abzubauen, die bei über 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, will Italiens Premier Matteo Renzi die Militärausgaben um drei Milliarden Euro jährlich senken. Verzichten will der Regierungschef dazu auch auf den Kauf der Hälfte von 90 vorgesehenen Mehrzweckkampfflugzeugen vom Typ »F-35« des US-Rüstungsgiganten Lockheed Martin. Am vergangenen Dienstag stimmte das Parlament den von der regierenden Demokratischen Partei (PD) eingereichten Plänen mit deutlicher Mehrheit zu. Im Rahmen einer geplanten Abrüstung sollen in den nächsten Jahren auch 385 Kasernen geschlossen und die Gebäude verkauft werden. Die Zahl der Soldaten soll bis 2024 von derzeit 190000 auf 150000 sinken, die der Generäle um ein Drittel. Von 30000 Beamten im Verteidigungsministerium und angeschlossenen Dienststellen sollen 10000 entlassen werden.

Renzi geht mit der Senkung der Militärausgaben auf Konfrontationskurs zu US-Präsident Barack Obama, der bei einem Rom-Besuch im März energisch gefordert hatte, in dem Bereich keine Kürzungen vorzunehmen. Obama hatte sich zudem ausdrücklich für das Geschäft mit Lockheed Martin eingesetzt. Widerstand gab es auch beim größten Rüstungskonzern Italiens, Finmeccanica, der mit Elektroniklieferungen an der Herstellung des »F-35« beteiligt ist. Durch die Halbierung der Bestellung spart Italien mindestens sieben Milliarden Euro. Experten schätzen den Preis für den bisher teuersten Tarnkappenjet jedoch ohnehin bedeutend höher ein als in der Kalkulation veranschlagt. Die Kosten für die geplante Produktion von etwa 3000 Maschinen haben sich in der Entwicklungsphase bereits von ursprünglich 780 Milliarden auf 1,5 Billionen Dollar verdoppelt.

Der Kauf der Kurz- und Senkrechtstarter war während der Amtszeit von Silvio Berlusconi vereinbart worden, der damit seine besondere Verbundenheit mit Obamas Vorgänger George W. Bush demonstrieren wollte. Der Nutzen des Joint Strike Fighters, des gemeinsamen Mehrzweckkampfflugzeugs der NATO und der engsten Verbündeten der USA, war nicht nur in Italien von Anfang an strittig. Experten bezweifeln, daß die »F-35«, wie vom Pentagon gepriesen, gleichzeitig feindliche Flugzeuge und Bodenziele bekämpfen können. Mit nur einem Triebwerk erreicht der Jet lediglich eine vergleichsweise geringe Höchstgeschwindigkeit und wird unter Piloten schon »fliegende Gurke« genannt. Daß der Kampfjet aufgrund seiner speziellen Konstruktion für feindliches Radar nahezu unsichtbar sein soll, wird ebenfalls für fraglich gehalten. Für Angriffe auf Bodenziele ist die »F-35« auch nur begrenzt geeignet, da sie Bomben und Raketen in inneren Schächten transportieren muß, um ihre Tarnkappeneigenschaften nicht zu verlieren. Deshalb kann sie weniger Bomben und Munition mitführen.

Etliche Pannen in jüngster Zeit nähren zudem Befürchtungen, die »F-35« könnte ein Unfallflugzeug ähnlich dem »F-104«-Starfighter der 1960er bis 1980er Jahre werden, von dem über 250 wegen Defekten abstürzten. Am 23. Juni fing nun eine »F-35A« beim Start auf der Eglin Air Force Base in Florida Feuer. Kurze Zeit später wurde an einer »F-35B« während eines Flugs über Arizona ein Kraftstoffleck entdeckt. Am 3. Juli mußte das Pentagon sämtliche Flüge des Maschinentyps stoppen und die Triebwerke überprüfen lassen.

In der Parlamentsdebatte über den Antrag der PD versicherte Verteidigungsministerin Roberta Pinotta unwidersprochen, der Verzicht auf die Kampfjets beeinträchtige »die Sicherung der Verteidigung Italiens« nicht. Forderungen der Linkspartei SEL und aus der Friedensbewegung, auf den Kauf aller 90 »F-35« zu verzichten, fanden dennoch keine Zustimmung. Das wurde damit begründet, daß die Auftragsreduzierung mit Lockheed Martin noch ausgehandelt werden müsse, um, wie die liberal-bürgerliche Zeitung La Repubblica schrieb, Konventionalstrafen zu verhindern.

* Aus: junge Welt, Montag 29. September 2014


Zurück zur Italien-Seite

Zur Italien-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Rüstungs-Seite

Zur Rüstungs-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage