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Steuerdrohung bleibt in der Schublade

Vorstoß israelischer Rechter mit Bumerang-Effekt

Von Oliver Eberhardt *

Zwei rechtsgerichtete israelische Parlamentsabgeordnete wollen kritischen Organisationen eine Strafsteuer auf ausländische Spenden aufdrücken. Umgesetzt wird das wohl nicht.

Am Montagmittag ist Handelsminister Naftali Bennett plötzlich verstummt. »Kein Kommentar«, brummt er ins Telefon, und ist weg. Dabei hatte der Vorsitzende der Siedlerpartei Jüdisches Heim (HaBajit HaJehudi) noch vor Tagen gefordert, Organisationen zu bestrafen, die Angriffe gegen israelische Soldaten oder Gerichtsverfahren gegen sie unterstützen, zum Boykott israelischer Einrichtungen aufrufen oder die Definition Israels als jüdischer und demokratischer Staat anzweifeln. Dafür hatten Ajelet Schaket, Abgeordnete seiner Partei, und Robert Ilatov, Parlamentarier der Koalitionspartei Jisrael Beitenu im Dezember einen Gesetzentwurf eingebracht, der vorsieht, dass Zuwendungen aus dem Ausland für solche Organisationen zu 45 Prozent besteuert werden sollen – die Steuerbefreiung für eingetragene Vereine würde also aufgehoben.

Das hat auch bei den deutschen Parteistiftungen für erhebliche Kritik gesorgt. Zwar wären sie selbst nicht direkt von dem Gesetz betroffen, weil ihm zwischenstaatliche Regelungen zwischen Israel und der Bundesrepublik entgegenstehen und der Gesetzentwurf explizit von israelischen Organisationen spricht. Doch viele der Parteistiftungen unterstützen solche Gruppierungen auch finanziell – und müssten deshalb befürchten, dass ein Großteil des Geldes beim israelischen Finanzamt verschwindet.

Doch dass diese Initiative jemals Gesetz wird, war vor dem vergangenen Wochenende unwahrscheinlich. Heute ist es ausgeschlossen. Denn auch beim Jüdischen Heim wünscht man sich mittlerweile, dass der Entwurf »in der Schublade bleibt«, wie ein Mitarbeiter der Parteizentrale erklärt. Denn mit dem Wochenende sei dort die Erkenntnis gereift, dass dieses Gesetz auch Organisationen aus dem eigenen Umfeld beträfe. Beispielsweise sabotierten Aktivisten aus dem Umfeld des Jescha-Rates, einer Lobbyorganisation der Siedler, am Freitagmorgen Militärfahrzeuge. Und dann feierten Funktionäre der Organisation den Tod Ariel Scharons: Er habe seine Strafe für die Räumung der Siedlungen im Gazastreifen 2005 erhalten, wurde immer wieder erklärt. Im Gesetzentwurf, auch wenn er von den Autoren erklärtermaßen für linke Organisationen gedacht war, wird aber nicht zwischen rechts und links differenziert.

Was auch gar nicht möglich wäre, wie man im Büro von Generalanwalt Jehuda Weinstein sagt. Weinstein, der unter anderem auch die Regierung bei Klagen gegen die Gesetzgebung vor dem Obersten Gerichtshof vertritt, hatte bereits kurz nachdem der Gesetzesausschuss des Kabinetts den Entwurf Mitte Dezember mit den Stimmen der rechten Ausschussmitglieder angenommen hatte, kritisiert, das Gesetz verletze »elementare Grundsätze« der Demokratie, und angekündigt, sein Büro werde das Gesetz nicht vor Gericht verteidigen.

Derzeit liegt der Entwurf allerdings sowieso auf Eis. Denn direkt nach der Abstimmung im Gesetzesausschuss haben die beiden moderaten Koalitionsparteien Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft) und HaTnuah (Die Bewegung), die mit Zippi Livni die Justizministerin stellt, Widerspruch gegen die Entscheidung eingelegt. Normalerweise werden solche Widersprüche zügig bearbeitet. Doch nicht nur der Generalanwalt, auch das Büro von Regierungschef Benjamin Netanjahu lassen sich damit Zeit: Letzterer hatte die Initiative nur auf die Tagesordnung setzen lassen, um die Rechten gnädig zu stimmen.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 14. Januar 2014


"Das würde einen Maulkorb für unsere Partner in Israel bedeuten"

Dagmar Enkelmann über mögliche israelische Strafsteuern gegen Kritiker **


»Der Spiegel« berichtet in seiner neuen Ausgabe von einer Gesetzesvorlage, wonach kritische israelische Nichtregierungsorganisationen, die von deutschen Stiftungen finanziell unterstützt werden, mit einer Strafsteuer in Höhe von 45 Prozent belegt werden können. Was sind die Hintergründe?

Den Versuch, ein entsprechendes Gesetz durch die Knesset zu bringen, hat es bereits 2011 gegeben. Die deutschen politischen Stiftungen sind davon betroffen, weil das für die Partnerorganisationen in Israel bedeuten würde, ihre Kontakt offenzulegen. Stiftungsübergreifend haben wir uns 2011 mit einem Brief an die Abgeordneten der Knesset gewandt, um gegen das Gesetz zu protestieren. Auch sind wir Anfang 2012 mit einer Delegation in Israel gewesen und haben uns dort nochmals kritisch zu dem Gesetzentwurf geäußert – auch direkt in der Knesset durch Gespräche mit verschiedenen Parteien, bis hin zur Siedlerpartei. Das Interessante war: Unsere Erklärung wurde mit großem Respekt zur Kenntnis genommen. Das Gesetz wurde auf Eis gelegt. Und deswegen bin ich sehr verwundert, dass es nun wieder Thema ist.

Was wären die Folgen des Gesetzes?

Letzten Endes würde das Gesetz einen Maulkorb für unsere Partnerorganisationen in Israel bedeuten – und damit auch unsere Arbeit in Frage stellen. Wir als Stiftung sind uns einig: Wir würden die Verabschiedung des Gesetzes bedauern, weil es unsere Arbeit behindert. Ein Beispiel: Wir unterstützen die israelisch-palästinensische Organisation »Combatants for Peace«, die den sogenannten »Alternativen Gedenktag«, bei dem sowohl jüdischer als auch palästinensischer Opfer gedacht wird. Dieses Kooperationsprojekt könnten wir im Falle des Inkrafttretens dieses Gesetzes nicht mehr finanzieren.

Das hieße, der Status als NGO wäre gefährdet?

Ja, dann entscheidet de facto die Regierung, wer sich politisch positionieren, wer sich mit wem treffen und wer sich als Organisation zusammenschließen darf. Daher ist anzunehmen, dass das Gesetz zulasten der Opposition gehen würde. Vor dem Hintergrund der israelischen Sozialbewegungen der letzten Zeit ist dies von besonderem Interesse. Zum Beispiel gab es die Proteste der Wohnungslosen in Tel Aviv. Und es existiert auch eine starke Anti-Siedlungsbau-Bewegung in Israel selbst.

Gibt es weitere Pläne, zusammen mit anderen deutschen Stiftungen gegen die Gesetzesvorlage zu protestieren?

Wir befinden uns in Gesprächen. Und ich gehe davon aus, dass es erneut eine gemeinsame Erklärung geben wird. Das Spannende ist ja, dass politisch unterschiedlich ausgerichtete deutsche Stiftungen in diesem Punkt einer Meinung sind. Die Arbeit der politischen Stiftungen besteht ja vor allen Dingen in Bildungsarbeit und der Unterstützung von Projektpartnern. Es gibt regelmäßige Kontakte zwischen den Stiftungen, weil wir ein gemeinsames Verständnis der Arbeit haben. Und das besteht darin, mit Partnern in den Ländern zu arbeiten. Zwar sind die Partner unterschiedlich. Bei uns zum Beispiel kommen sie eher aus der Frauen-, Umwelt- und den Sozialbewegungen. Das ist bei der Konrad-Adenauer-Stiftung natürlich etwas anders. Doch der generelle Anspruch ist natürlich, dass wir frei sein wollen in unseren Entscheidungen, mit wem wir zusammenarbeiten möchten.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 14. Januar 2014


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