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Raketen auf Tel Aviv, Tote in Gaza

Konflikt zwischen Israel und Palästinensern eskaliert *

Im Nahen Osten ist die Lage am Mittwoch weiter eskaliert. Militante Palästinenser griffen erneut Ziele in Israel mit Raketen an, die Armee reagierte mit Luftschlägen im Gaza-Streifen. Die Zahl der Toten sei dort am Mittwoch auf über 40 gestiegen, hieß es in palästinensischen Berichten, darunter seien 15 Frauen und Kinder. Berichte über Opfer in Israel gab es bislang nicht. Ein Sprecher der israelischen Armee erklärte, insgesamt seien rund vier der acht Millionen Menschen in Israel durch Raketen aus dem Gaza-Streifen bedroht, seit Dienstag seien davon über 160 abgefeuert worden.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte eine Ausweitung der Angriffe im Gaza-Streifen an. »Die Armee ist auf jede Möglichkeit vorbereitet.« Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas warf Israel kurz darauf »Völkermord« vor. »Die Ermordung ganzer Familien ist ein Völkermord, den Israel an unserem palästinensischen Volk verübt«, sagte Abbas nach einem Krisentreffen der palästinensischen Führung in Ramallah.

Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi sicherte ihm zu, sich für eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas einsetzen. Die Arabische Liga forderte den UN-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung auf. US-Präsident Barack Obama betonte, seine Regierung sehe weiterhin in einer Zweistaatenlösung den einzigen Weg zu dauerhaftem Frieden in Nahost.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier forderte, »der mörderische Raketenbeschuss der Hamas auf israelische Städte« müsse sofort gestoppt werden. Der Linkenpolitiker Wolfgang Gehrcke machte Regierungschef Netanjahu für die Eskalation verantwortlich, dieser habe von Anfang an Front gegen die palästinensische Einheitsregierung gemacht. Der israelische Historiker Tom Segev warnte vor einer weiteren Radikalisierung von Israelis und Palästinensern. Schon seit Jahren beobachte er mit wachsender Sorge, »dass es in beiden Gesellschaften sehr legitim geworden ist, zu hassen«. Der Zentralrat der Juden in Deutschland fordert »mehr Verständnis und Empathie« für Israel.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen hat inzwischen beklagt, dass immer öfter Journalisten in den Palästinensergebieten zwischen die Fronten des Konflikts geraten. Beschuss, Festnahmen und Repressionen gebe es sowohl von Seiten der israelischen Armee als auch der Palästinenser.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 10. Juli 2014


Auf beiden Seiten regiert die Angst

Zarte Erholung von Gazas Wirtschaft zunichte gemacht / Israels Bevölkerung enttäuscht

Von Oliver Eberhardt **


Israels Luftangriffe auf Gaza sind am Mittwoch fortgesetzt worden; umgekehrt sind jetzt auch wenige Kilometer südlich von Haifa palästinensische Raketen eingeschlagen. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Israel ist an Krieg gewöhnt, sollte man meinen, für die Menschen in Jerusalem und Tel Aviv ist es dennoch ungewohnt: Urplötzlich heult die Sirene auf. Und kaum jemand weiß, was zu tun ist. Verblasst sind die Schriftzüge, die auf die Luftschutzräume hinweisen, modrig, dreckig ihr Inneres. Viele Jahre lang wurden sie nicht gebraucht: Der Krieg war immer woanders, 2006 im Norden, 2012 im Süden. Jetzt ist er hier.

Nicht oft, aber immer mal wieder ist seit Dienstagabend in den beiden israelischen Metropolen der Alarmton zu hören, fängt das Raketenabwehrsystem »Eiserne Kuppel«, das aus sehr teuren, sehr komplexen Geschützen besteht, Raketen ab. Man solle sich nicht allzu große Sorgen machen, versucht der Heimatschutz zu besänftigen: Im Gaza-Streifen dürfte es nicht viele Raketen geben, die so weit reichen.

Brenzliger ist die Lage im und um den Gaza-Streifen herum: Mehr als 220 Luftangriffe mussten die Menschen in dem dicht bevölkerten Landstrich dort seit Montag ertragen; mindestens 40 Todesopfer gab es seitdem bis zum Mittwochnachmittag. In keine Statistik geht die Zahl derjenigen ein, die durch das Leben mit dem ständigen Krieg psychische Traumata erleiden: »Die Folgen solcher Traumata werden durch die Bank weg unterschätzt«, heißt es in einer an der Hebräischen Universität Jerusalem angefertigten Studie: »Sie setzen die Betroffenen nicht nur unter einen lebenslangen Leidensdruck, sondern definieren auch das Denken ganzer Generationen.«

Auf beiden Seiten: Jenseits der Grenze, in Israel, versinkt nun wieder einer der ärmsten Landesteile in einen Stillstand. Gerade erst hatte die ohnehin schon schwache Wirtschaft hier damit begonnen, sich zu erholen; es hatten sich sogar einige neue Unternehmen angesiedelt. Denn der Waffenstillstand, der im Herbst 2012 den letzten Gaza-Krieg beendete, hatte gehalten, bis jetzt. Zwar waren immer mal wieder Raketen auf Israel abgefeuert worden, doch in Israel war man sich bewusst, dass dafür kleine militante Gruppen verantwortlich waren, die damit die Hamas-Regierung unter Druck setzen wollten.

Nun herrscht auf beiden Seiten wieder Stillstand, wieder Angst. Und wieder Wut. Auf der israelischen Seite wird den Menschen in diesen Tagen urplötzlich bewusst, wie wenig hinter den Versprechungen steckte, die die Regierung in Jerusalem, das Verteidigungsministerium in Tel Aviv nach 2012 gemacht hatten: Selbst in vielen Schulen wurden nach wie vor keine Luftschutzräume eingerichtet; die öffentlichen Bunker sind vielfach runtergekommen und teilweise gar nicht nutzbar. Man solle sich nicht weiter als 15 Sekunden, also die Zeit, die man brauche, um ein Glas Wasser zu trinken, oder sich die Schnürsenkel zuzubinden, von einem Bunker entfernen, mahnt der Heimatschutz. Meist reicht es mangels Schutzräumen nur dazu, sich hinter irgendwas auf den Boden zu werfen.

In Gaza steigen derweil die Aggressionen nicht nur auf Israel, sondern auch auf die Hamas und noch viel mehr auf die Kampfgruppen: »Wir sind der Spielball dieser Leute; sie machen, was sie wollen, und wir sollen dabei mitmachen«, schreibt ein Kontakt in Gaza per E-Mail. Seinen Namen will er nicht veröffentlicht sehen: In der verschlossenen Welt der palästinensischen Kampfgruppen sei jeder ein Verräter, der anderer Meinung ist. Bislang hatte die Hamas diese Gruppen durch ein kompliziertes System aus Geben und Nehmen einigermaßen unter Kontrolle.

Doch seit Israels Luftwaffe vor allem hochrangige Offiziere des Ezzedin-al-Kassam-Brigaden angreift, stehen die Zeichen für diese ausschließlich auf Krieg. Am Dienstagabend hatte die politische Hamas-Führung Israels Regierung eine Neuauflage des Waffenstillstandes angeboten, im Gegenzug für die Freilassung der Gefangenen, die einst im Gegenzug für den in Gaza fest gehaltenen Soldaten Gilad Schalit freigelassen und im Juni vom israelischen Militär wieder festgesetzt worden waren. Israel verweigerte das, und die Reaktion der Brigaden kam umgehend: Ein Waffenstillstand sei ausgeschlossen, teilten sie mit. Verhandlungen laufen bereits seit der vergangenen Woche; die ägyptischen Vermittler sagen aber, sie hätten nur noch wenig Hoffnung, dass daraus in absehbarer Zeit etwas werden wird.

Die Entscheidung, ob auf die Luftangriffe eine Bodenoffensive folgt, steht nun kurz bevor: Die Zahl der Ziele, die noch aus der Luft angegriffen werden könnten, sinkt mit jedem Kampfeinsatz. Die Reservisten, die in den vergangenen Tagen mobilisiert worden waren, sind mittlerweile zu einem großen Teil an der Grenze zum Gaza-Streifen eingetroffen.

Doch während die Menschen auf beiden Seiten darauf warten, wie es weiter geht, wird auch immer wieder die Frage nach der Zukunft gestellt: Was wird passieren, wenn die Hamas tatsächlich handlungsunfähig wird? Wie soll der Gaza-Streifen dann regiert werden? Sowohl Israels Regierung als auch die Führung in Ramallah weichen der Frage aus – sie hat sich bislang nicht gestellt.

** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 10. Juli 2014


Kairo will vermitteln

Ägypten steht der Hamas nicht mehr so nah wie 2012

Von Roland Etzel ***


Ägyptens Präsident Sisi hat seinem palästinensischen Kollegen Abbas am Telefon zugesichert, sein Land werde sich für eine Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel einsetzen.

Bisher herrschte Funkstille zwischen dem neuen ägyptischen Präsidenten Abdul Fattah al-Sisi und der Führung der Palästinenserorganisation Hamas. Letztere entstand 1987 im Gaza-Streifen als Zweig der ägyptischen Muslimbrüderschaft und konnte sich mit der Wahl des Muslimbruders Mohammed Mursi 2012 zum ägyptischen Präsidenten eines starken Rückhalts aus Kairo erfreuen.

Aber eben nur zwölf Monate lang, bis Mursi vor einem Jahr von Sisi weggeputscht wurde. Seitdem ist es nicht nur wieder vorbei mit Verbindungen nach Gaza über den ägyptischen Landweg, Sisi ließ die Hamas sogar zur Terrororganisation erklären und ging damit – sehr zur Freude Israels – weit über die traditionell restriktive Haltung Kairos gegenüber der Hamas hinaus.

Die ägyptische Regierung hat folglich im Moment keine Möglichkeit, mit offiziellen Vertretern der Hamas zu sprechen. Zweifellos gibt es immer informelle Wege, wenn man sie sucht. Allerdings bleibt die Frage, wie man einen Nachbarn beeinflussen will, dem man die Feindschaft erklärt hat. Alle bisherigen Verlautbarungen aus Israel und Ägypten zur aktuellen Krise unterstellen, dass die Raketenabschüsse auf Israel von der Hamas ausgehen oder von ihr kontrollierbar sind. Das allerdings ist zumindest in dieser Absolutheit zu bezweifeln. Die Izzedin-al-Kassam-Brigaden, die den Großteil der Raketen abfeuern, gelten zwar als militärischer Arm der Hamas, lassen sich aber weniger steuern, als es der Hamas-Führung selbst lieb ist.

Deshalb wäre es am zweckmäßigsten, mit deren Kommandeuren zu sprechen, wenn man möglichst schnell eine Feuereinstellung erreichen wollte. Das allerdings dürfte kaum ohne deren protokollarische Aufwertung zu haben sein. Der abgesetzte Mursi hatte das getan. Auch weil er das Vertrauen der relevanten Gaza-Größen genoss, war es ihm daraufhin bei der Gaza-Krise im November 2012 (siehe Zeittafel) gelungen, einen Waffenstillstand mit Israel auszuhandeln.

Der neue ägyptische Präsident würde wohl aus Israel und den USA nur Lob ernten, wenn er einem neuerlichen Krieg gegen die Hamas tatenlos zusähe. Das kann allerdings längerfristig nicht in seinem Interesse liegen. Die Meinung der Masse der Ägypter ist keineswegs so hamasfeindlich wie die seine. Die im Moment noch positive Stimmung für Sisi wird bei sich verschlechternder sozialer Lage im Land wohl bald kippen. Da ist es von Vorteil, wenn man dem Volk zeigen kann, dass man etwas für die »palästinensischen Brüder« getan hat.

*** Aus: neues deutschland, Donnerstag, 10. Juli 2014


Von »Sommerregen« und »Gegossenem Blei« zum »Schutzrand« (Chronik)

Seit sich die israelische Armee im September 2005 nach 38 Jahren Besatzung aus dem nur 360 Quadratkilometer großen Gaza-Streifen zurückzog, ist die palästinensische Region nie für längere Zeit zur Ruhe gekommen.

2006
  • 28. Juni: Drei Tage nach Gefangennahme des israelischen Soldaten Gilad Schalit durch ein palästinensisches Kommando beginnt Israels Armee die erfolglose Operation »Sommerregen«. Frei kommt Schalit erst im Oktober 2011 im Austausch für 1027 palästinensische Gefangene.
  • 1. bis 7. November: Beim Einsatz »Herbstwolken« im Norden des Gaza-Streifens werden 56 Palästinenser getötet, die Hälfte Zivilisten. Am 26. November beendet die Armee eine fünfmonatige Offensive, bei der mehr als 400 Palästinenser starben.
2007
  • 15. Juni: Die Hamas übernimmt nach Kämpfen mit den Milizen der Fatah-Partei von Präsident Mahmud Abbas die Macht im Gazastreifen. Im September erklärt Israel den Gaza-Streifen zur »feindlichen Einheit«.
2008
  • 27. Februar bis 3. März: Nach dem Tod eines Israelis bei einem palästinensischen Raketenangriff beginnt Israel den Militäreinsatz »Heißer Winter«. Mehr als 120 Palästinenser werden getötet. Erst im Juni wird eine Waffenruhe vereinbart.
  • 27. Dezember: Wegen anhaltenden Raketenbeschusses leitet Israel die Großoffensive »Gegossenes Blei« ein. Nach massiven Luftangriffen werden auch Bodentruppen im Gazastreifen eingesetzt. Bis zum Waffenstillstand am 18. Januar 2009 sterben 1400 Palästinenser und 13 Israelis.
2010
  • 31. Mai: Israels Armee stürmt das Schiff »Mavi Marmara«, das trotz israelischer Warnungen mit anderen Booten Hilfsgüter in den Gazastreifen bringen will. Zehn türkische Aktivisten sterben.
2011
  • April: Bei einem erneuten Gewaltausbruch werden 150 Geschosse auf Südisrael gefeuert; 20 Palästinenser sterben bei den folgenden Luftangriffen.
  • August: Anschläge nahe der israelischen Hafenstadt Eilat mit acht Todesopfern lösen im und um den Gaza-Streifen eine Gewaltwelle aus. 26 Palästinenser und ein Israeli kommen ums Leben.
2012
  • März: Israelische Luftangriffe töten 25 Palästinenser, darunter 14 bewaffnete. Aus dem Gaza-Streifen werden über 250 Geschosse auf Israel abgefeuert.
  • Juni: Gezielt werden zwei Kämpfer der Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad getötet; es folgen einwöchige Luftangriffe mit 15 toten Palästinensern, während 152 Raketen in Israel einschlagen und fünf Israelis verletzen.
  • Oktober: Bei militärischen Reaktionen auf 120 Raketenangriffe sterben 15 Palästinenser.
  • 14. bis 21. November: Mit der gezielten Tötung des Hamas-Kommandeurs Ahmed Dschaabari in Gaza beginnt die israelische Militäroperation »Säule der Verteidigung«. Binnen acht Tagen sterben bei Luftangriffen und massivem Raketenbeschuss 177 Palästinenser und sechs Israelis, in der großen Mehrzahl Zivilisten. Ägypten vermittelt einen Waffenstillstand, der 2013 zu relativer Ruhe führt.
2014
  • Im 1. Quartal nimmt der Raketenbeschuss durch palästinensische Freischärlergruppen, die mit Hamas rivalisieren, wieder zu. Vier Palästinenser sterben bei israelischen Luftangriffen.
  • 11. bis 13. März: Gezielte Angriffe töten drei Aktivisten des Islamischen Dschihad, nachdem Mörsergranaten auf Israel abgefeuert worden waren.
  • Ab Mitte Juni nehmen nach der Entführung dreier israelischer Jugendlicher und nachfolgenden Militäroperationen im Westjordanland gegen die Hamas auch in Gaza Raketenbeschuss durch Palästinenser und Luftangriffe seitens Israels massiv zu.
  • 8. Juli: Israel eröffnet die Operation »Schutzlinie« oder »Schutzrand«. 40 000 Reservisten werden mobilisiert, um für eine Bodenoffensive bereitzustehen.


Wieder Kriegszeit

Gastkommentar. Gewalteskalation in Nahost

Von Moshe Zuckermann ***


Es ist wieder einmal so weit. Ein »Anlaß« hat die Gewalt­spirale zwischen Israelis und Palästinensern so hochgeschraubt, daß man sich wieder vor die Frage gestellt sieht, ob ein neuer Krieg ansteht. Israels Süden, aber auch Tel Aviv werden von Hamas-Raketen beschossen; die israelische Luftwaffe bombardiert »strategische Ziele« im Gazastreifen; die Hamas kurbelt die Propaganda des »Widerstands« gegen den »zionistischen Feind« an; das israelische Kabinett bestätigt die Rekrutierung von 40000 Reservisten für eine mögliche Bodenoffensive; die Palästinenser haben bereits jetzt über 30 Tote zu verzeichnen; in Israels Städten warnen Sirenen vor Luftangriffen usw., usf. Das alte Szenario, das alte Spiel, neue Tote, neues Leid. Es ist wieder Kriegszeit.

Die Antwort auf die Frage, wie es wieder dazu gekommen ist, kann nicht einfach gegeben werden. Sie hängt davon ab, wann man den »Anfang« der jetzigen Gewalteskalation markiert, mithin was der »Anlaß« dazu war. Oder auch (kindisch gefragt): Wer hat diesmal angefangen? Abgebrühte politische Kommentatoren pflegen in solchem Zusammenhang die Interessenlage zu durchforsten: Die Hamas hatte Interesse am neuen Gewaltausbruch, weil sie sich gegenüber der PLO und in Anbetracht der Schläge, die sie durch israelische Militäraktionen im Westjordanland in den letzten Wochen erlitten hat, als souverän agierender Faktor profilieren muß. Von Netanjahu heißt es, er habe den bevorstehenden Waffengang nicht gewollt, wobei er aber die Entführung und Ermordung der drei israelischen Jugendlichen dazu instrumentalisiert hat, einen Keil zwischen Hamas und PLO zu treiben und bei dieser Gelegenheit mit den Infrastrukturen der Hamas in der Westbank aufzuräumen, den »Anlaß« also mitkreierte. Avigdor Lieberman, der aus taktischen Machterwägungen seine Partei vom Likud losgelöst hat, nutzt die Gewaltsituation aus, um sich durch forcierte Kriegstreiberei gegenüber Netanjahu zu profilieren. Ganz zu schweigen von Naftali Bennetts rechtsradikaler Agitation für einen massiven Waffengang, bei der machttaktische Überlegungen gekoppelt mit Förderung der Siedlerinteressen, als deren parlamentarischer Vertreter er gelten darf, eine gravierende Rolle spielen.

Man könnte auch wieder die Rolle der wie stets in Kriegszeiten gleichgeschalteten Medien anvisieren, die erneute Versammlung der Bevölkerung ums »nationale Stammesfeuer« sowie die Lust auf Brachialgewalt bei gewissen Militärinstanzen und Publizisten. Dies wäre aber müßig: Es ist die ewige Wiederkehr des zur perfiden Ideologie geronnenen »Unabwendbaren«. Daß die eigentliche Ursache dieses Gewaltzirkels im Unwillen zum Frieden wurzelt, wird erst gar nicht zur Sprache gebracht. Darin wissen sich Hamas und Netanjahus Regierungskoalition verschwistert. Mahmud Abbas wird wohl als Hauptverlierer aus diesem Waffengang hervorgehen. Im Interesse daran dürfte es ebenfalls ein stilles Einverständnis zwischen Netanjahu und Hamas geben.

*** Prof. Dr. Moshe Zuckermann lehrt Geschichte und Philosophie an der Universität Tel Aviv.

Aus: junge Welt, Donnerstag, 10. Juli 2014



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