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USA rüstet Israel mit neuer Munition aus

Washington bedauert Ausbleiben eines Waffenstillstandes und ermöglicht Fortsetzung des Krieges

Von René Heilig *

Unverändert: Israels Premier Netanjahu macht eine Zerstörung der Hamas-Tunnel zur Vorbedingung einer Waffenruhe. Die Hamas will die Aufhebung der Blockade.

Zwischen der US-Regierung und der israelischen Führung kriselt es gewaltig. Grund sei die harte Haltung der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Feldzug gegen Gaza, sagt Washington. Man darf das Bedauern über einen ausbleibenden Waffenstillstand bezweifeln.

»Es gibt nichts Beschämenderes, als schlafende Kinder anzugreifen«, sagte Generalsekretär Ban Ki Moon am Donnerstag und verurteilte damit aufs Schärfste den Angriff Israels auf eine UN-Schule. Bei der Attacke am Mittwoch waren nach palästinensischen Angaben 15 Menschen umgebracht worden. Fast zeitgleich sickerte durch, dass die USA Israel Munition im Wert von umgerechnet 750 Millionen Euro übergeben. Sie ist bereits vor Ort, die USA unterhalten in Israel Depots, aus denen sich Netanjahus Armee bei Bedarf bedienen kann.

Die Bitte um diese Lieferung stammt vom 20. Juli, bestätigt das Pentagon. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel hat – statt den Krieg durch die Verweigerung von Nachschub »auszutrocknen« – die Lieferung bereits drei Tage später genehmigt. So kann es nicht verwundern, dass Netanjahu am 27. Juli eine unbeschränkte Fortsetzung der Offensive verkündete.

Die USA stünden für die Sicherheit Israels ein, betonte Pentagonsprecher John Kirby. Es sei für die nationalen Interessen der USA »entscheidend«, Israel dabei zu helfen, seine Fähigkeit zu einer »starken und reaktiven Selbstverteidigung« zu entwickeln und aufrecht zu erhalten. Kirby betonte, sein Chef habe die Lieferung allein genehmigt. Eine Billigung des Weißen Hauses sei nicht nötig gewesen. Offenbar versucht sich der US-Präsident und Friedensnobelpreisträger Barack Obama herauszuhalten.

Nicht zum ersten Mal reden die USA mit gespaltener Zunge. Mitte Juli warnten die USA Israel vor der – nun tobenden – Bodenoffensive im Gaza-Streifen. Zugleich bewilligte der US-Haushaltsausschuss eine Aufstockung der Finanzhilfen für das israelische Raketenabwehrsystem »Iron Dome«. Im kommenden Jahr will man 350 Millionen US-Dollar zur Verfügung stellen.

In den vergangenen drei Wochen hat die Hamas nach israelischen Zählungen fast 3000 ungelenkte Raketen abgefeuert. »Iron Dome« erwies sich als effektives, aber auch kostspieliges Abwehrmittel. Völlig unklar sind die finanziellen Mittel, über die Hamas verfügt, und wer den militärischen Arm sponsert.

Seit dem Beginn der israelischen Militäroffensive sind durch die Angriffe nach Angaben der palästinensischen Rettungskräfte mehr als 1350 Menschen getötet und mehr als 7300 verletzt worden. Bei den Opfern handelt es sich zumeist um Zivilisten, darunter viele Kinder. Auf israelischer Seite wurden 56 Soldaten und drei Zivilisten getötet.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 1. August 2014


Munition für Netanjahu

USA zeigen sich »besorgt« über Lage im Gazastreifen – und schicken der israelischen Armee Nachschub. Junge Israelis verweigern Einberufung

Von André Scheer **


Israel verletze durch die Angriffe auf dicht besiedelte Gebiete im Gazastreifen internationales Recht und mißachte den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Schutz von Zivilisten, kritisierte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Genf. Auch die palästinensische Hamas verstoße gegen die Regeln des Völkerrechts, wenn sie Waffen in Schulen, Krankenhäusern oder Moscheen lagere, fügte sie hinzu. Insbesondere aber die israelischen Angriffe auf Schulen der Vereinten Nationen in den besetzten Gebieten könnten Kriegsverbrechen sein, die strafrechtlich zu ahnden seien, unterstrich sie.

Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums wurden in Gaza seit dem Beginn der israelischen Invasion am 8. Juli mehr als 1360 Menschen getötet, unter ihnen 315 Kinder. Trotzdem will Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Krieg fortsetzen. Weitere 16000 Soldaten wurden einberufen, um »die Arbeit zu Ende zu bringen«, wie der Regierungschef erklärte. Sorgen um Nachschub braucht er sich dabei nicht zu machen. Obwohl US-Verteidigungsminister Charles (»Chuck«) Hagel am Mittwoch (Ortszeit) in wohlfeilen Worten erklärt hatte, Washington sei über die humanitäre Lage in Gaza »besorgt«, bekräftigte er Angaben des Pentagon zufolge in einem Gespräch mit Tel Avivs Verteidigungsminister Moshe Yaalon die Unterstützung der USA »für Israels Sicherheit und sein Recht, sich selbst zu verteidigen«. Deshalb verhindert Washington, daß der israelischen Armee womöglich die Munition ausgeht. Nachschub sei am 20. Juli von Tel Aviv beantragt und drei Tage später genehmigt worden, berichtete die britische Tageszeitung The Guardian unter Berufung auf den Pressesprecher des Pentagon, Konteradmiral John Kirby. Es sei »vital für die nationalen Interessen der USA«, Israel bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung seiner starken Selbstverteidigungsmöglichkeiten zu unterstützen, so der Militär.

In den USA selbst stößt diese Haltung auf wachsenden Widerstand. »Während die US-Regierung dem brutalen israelischen Regime in beschämender Weise uneingeschränkte Unterstützung leistet, macht das Volk der Vereinigten Staaten klar, daß die öffentliche Meinung einen scharfen Schwenk gegen diese langjährige Politik vollzieht«, heißt es in einem Aufruf der Antikriegsbewegung ANSWER zu einer Großdemonstration am Samstag vor dem Weißen Haus in Washington. Aus allen Teilen des Landes sollen Busse in die Hauptstadt fahren, kündigen die Organisatoren an. Unterstützt wird die Kundgebung unter anderem von »Veterans For Peace«, einer Antikriegsorganisation ehemaliger Militärangehöriger, sowie von muslimischen und linken Vereinigungen.

Auch in Israel wird weiter gegen den Krieg protestiert. Für den heutigen Freitag rufen die Kommunistische Partei des Landes und andere Organisationen zu einer Solidaritätskundgebung für junge Israelis auf, die sich der Einberufung in die Armee widersetzen und deshalb im Gefängnis sitzen. So mußte am Montag der 19jährige Udi Segal seine Haft antreten. Zum Gefängnis begleitet wurde er von rund 100 Menschen – Juden und Arabern –, unter ihnen die Eltern des bereits seit April aus dem gleichen Grund inhaftierten Uriel Ferrera. Auch zwei Militärärzte, die sich mit Beginn der Offensive gegen Gaza von der Armee abgesetzt haben sollen, droht eine Strafe wegen »unangemessenen Verhaltens« und »Kampfvermeidung«.

** Aus: junge Welt, Freitag, 1. August 2014


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