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Illegaler Siedlungsausbau

Israel schreibt neue Wohneinheiten in der Westbank aus. Wiederaufbau in Gaza auf sechs Milliarden Euro beziffert. Hamas nicht verantwortlich für Mord an israelischen Jugendlichen

Von Karin Leukefeld *

Israel hat am Freitag den Bau für 283 neue Wohneinheiten für Siedler ausgeschrieben. Mit den Wohnungen soll die Siedlung Elkana im Nordwesten des von Israel besetzt gehaltenen Westjordanlandes ausgebaut werden, der Bau war bereits im Januar genehmigt worden. Elkana gilt nach dem Völkerrecht als illegal, weil sich die Siedlung auf palästinensischem Boden befindet. Die Ausschreibung wurde am Donnerstag auf der Webseite der israelischen Landbehörde veröffentlicht. Erst Anfang der Woche hatte das israelische Militär 400 Hektar Land südlich von Bethlehem beschlagnahmt. Dabei handelt es sich um den größten Landraub durch Israel seit den 1980er Jahren. Die anhaltende und aggressive Landnahme der israelischen Regierung wird international verurteilt. Die Genfer Konvention verbietet es Besatzungsmächten, in dem Land, das sie besetzt halten, Siedlungen zu bauen. Israel ignoriert das.

Mit dem illegalen Siedlungsbau verbunden sind tägliche Angriffe und repressive Maßnahmen, Verhaftungen und die anhaltende Zerstörung von Häusern und des Agrarlandes von Palästinensern im Westjordanland. Israelische Soldaten setzten am späten Donnerstag abend einen Olivenhain unweit der illegalen Siedlung Kiryat Arba (Hebron) in Brand. Der von Anwohnern gerufenen Feuerwehr wurde der Zugang zu dem Feuer verweigert. Unweit des Ortes Jaaba (Hebron) zerstörten israelische Soldaten mehrere Wohnhäuser, Wirtschaftsgebäude sowie einen Brunnen. Ein Sprecher der zuständigen israelischen Behörde (COGAT) erklärte, die Gebäude seien »ohne Genehmigung« errichtet worden. Auch in der Altstadt von Jerusalem wurden Wohnhäuser von palästinensischen Familien vernichtet.

In der Negevwüste begann das israelische Militär erneut mit der Zerstörung von Wohnungen und Häusern von Beduinenfamilien, was während des Krieges gegen Gaza eingestellt worden war. Das israelisch-palästinensische Knessetmitglied Talab Abu Arar sprach von einem »Krieg gegen die Araber im Negev«, der »auf allen Ebenen« stattfinde.

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hat derweil die Kosten zum Wiederaufbau des zerstörten Gaza­streifens auf 7,8 Milliarden US-Dollar (5,9 Milliarden Euro) beziffert. Dem 200 Seiten umfassenden Bericht zufolge wurden 60000 Wohneinheiten zerstört, ein Drittel davon wird als »unbewohnbar« eingestuft. Weitere 3 Milliarden US-Dollar (2,2 Milliarden Euro) sind für die Entwicklung des Küstenstreifens vorgesehen. Geplant ist der Bau einer Entsalzungsanlage und eines Seehafens.

100000 Männer könnten beim Wiederaufbau Arbeit finden, erklärte das palästinensische Arbeitsministerium. Die palästinensische Arbeitergewerkschaft spricht von 200000 arbeitslosen Männern im Gazastreifen, 55 Prozent der Bewohner gelten als arm. Wenn Israel wie angekündigt die Belagerung des Küstenstreifens aufhebt und die Grenzübergänge öffnet, geht der palästinensische Wirtschaftsrat für Entwicklung und Wiederaufbau davon aus, daß die Arbeit fünf Jahre dauern könnte. Falls nicht, könnte der Wiederaufbau auf bis zu 20 Jahre dauern. Eine internationale Geberkonferenz soll Ende September in Ägypten oder Norwegen stattfinden.

Die Führung der Hamas soll einem Bericht in der New York Times zufolge tatsächlich nicht für den Mord an den drei israelischen Jugendlichen Anfang Juni verantwortlich sein, wie Israel behauptet hat. Die Zeitung veröffentlichte am Freitag Dokumente zur Anklage von Hussam Kawasme, der sich vor einem israelischen Militärgericht für die Tat verantworten muß. Demnach gebe es keinen Beweis, daß die Hamas im Gazastreifen die Entführung befohlen oder vorab von ihr gewußt hätte. Ende August hatte der Hamas-Vorsitzende Khalid Meschaal eingeräumt, daß die Tat von Angehörigen der Organisation im Westjordanland eigenmächtig durchgeführt worden sei.

* Aus: junge Welt, Samstag 6. September 2014


Wiederaufbau in Gaza kostet 6 Milliarden Euro

»New York Times«: Hamas-Führung war nicht an Ermordung israelischer Teenager beteiligt **

Eine Expertenkommission der palästinensischen Autonomiebehörde schätzt die Kosten für den Wiederaufbau des im Konflikt mit Israel stark zerstörten Gazastreifens auf rund sechs Milliarden Euro. Der Palästinensische Wirtschaftsrat für Entwicklung und Wiederaufbau (Pecdar) stellte in Ramallah einen Bericht über das Ausmaß der Zerstörungen des 50-tägigen Konflikts vor. In dem Küstenstreifen waren im Juli und August mehr als 2100 Palästinenser getötet worden. Tausende Häuser und große Teile der Infrastruktur wurden zerstört oder beschädigt.

Die Experten schätzen, dass der Wiederaufbau selbst bei vollständiger Aufhebung der israelischen Blockade fünf Jahre dauern würde. Seit Beginn der Waffenruhe haben noch keine Baumaterialien die Grenzen in den Gazastreifen passieren dürfen. Israel und verschiedene Palästinensergruppen verhandeln noch über eine dauerhafte Friedenslösung. Die israelische Regierung befürchtet, dass die radikalislamische Hamas oder andere militante Gruppen etwaige Materialien für ihren Kampf gegen Israel verwenden könnten.

Die 13 Autoren des Pecdar-Berichts schlugen ferner vor, die bis zu 2,2 Millionen Tonnen Schutt der zerstörten Häuser für eine Ausweitung des Gazastreifens vor der Küste zu nutzen. Pecdar war ins Leben gerufen worden, um die Umsetzung von von internationalen Geldgebern finanzierten Projekten in den Palästinensergebieten zu betreuen und zu überwachen. Noch im September soll eine internationale Geberkonferenz für den Gazastreifen in Ägypten oder Norwegen stattfinden.

Im Fall der drei im Westjordanland im Juni ermordeten israelischen Jugendlichen gibt es offenbar keinen Hinweis auf eine Verstrickung der Hamas-Führung. Die »New York Times« veröffentlichte am Freitag Dokumente zur Anklage des Drahtziehers Hussam Kawasme, die am Vortag vor einem israelischen Militärgericht erhoben worden war. Demnach gebe es bisher keinen Beweis, dass die Führungsriege der im Gazastreifen herrschenden radikal-islamischen Hamas die Entführung befohlen oder vorab von ihr gewusst hätte. Die Tat sei zwar mit Geldern aus Gaza finanziert, aber von einer lokalen Hamas-Zelle im Westjordanland geplant und ausgeführt worden.

Die Teenager waren Mitte Juni im Westjordanland entführt und später tot aufgefunden worden. Israel hatte die radikal-islamische Hamas beschuldigt, hinter den Morden zu stehen. Zahlreiche Mitglieder der Palästinenserorganisation waren daraufhin verhaftet worden. In einem Interview Ende August hatte Hamas-Chef Chaled Maschaal zwar zugegeben, dass Angehörige der Organisation an der Tat beteiligt gewesen seien. Ranghohe Hamas-Mitglieder seien aber nicht involviert gewesen.

Laut »New York Times« verteidigt die israelische Regierung ihr Vorgehen. Die Hamas-Führung habe dazu aufgerufen, Israelis zu entführen, zitiert die Zeitung einen ungenannten Regierungsbeamten.

** Aus: neues deutschland, Samstag 6. September 2014


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