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Erneuter Landraub

Israel konfisziert als "Strafaktion" 400 Hektar im besetzten Westjordanland

Von Karin Leukefeld *

Die israelische Militärbehörde hat am Sonntag 400 Hektar palästinensischen Bodens südlich von Bethlehem konfisziert. Diesen neuerlichen Landraub im besetzten Westjordanland begründet Israel damit, daß dies eine Strafaktion wegen der Entführung und Ermordung von drei israelischen Jugendlichen Anfang Juni sei. Drei festgenommene Palästinenser aus Hebron werden der Tat beschuldigt, Beweise dafür liegen allerdings nicht vor.

Bei dem Gebiet handelt es sich um Ackerland und Olivenhaine, die seit Jahrhunderten von Palästinensern aus den Orten Surif, Husan, Al Jabaa und Bethlehem bearbeitet werden. Muhammad Ghuneimat, Bürgermeister der Stadt Surif, beschrieb, wie israelische Soldaten in den Hainen Zettel aufgehängt hätten, auf denen die Beschlagnahmung bekannt gegeben wurde. Die palästinensischen Eigentümer haben 45 Tage Zeit, Einspruch zu erheben. Erfahrungsgemäß werden diese Beschwerden von Israel abgeschmettert. Juristische Grundlage für den neuerlichen Landraub ist ein Gesetz aus dem Jahr 1858, als Palästina Provinz des Osmanischen Reiches war.

Teile des nun beschlagnahmten Landes waren nach Informationen der israelischen Bürgerrechtsbewegung »Peace Now« (Frieden jetzt) bereits in den 1990er Jahren von Siedlern besetzt worden, die die 1984 gegründete israelische Militärbasis Gvaot zu einer Ortschaft ausgebaut hatten. Diese begrüßten die militärische Landnahme und kündigten die offizielle Gründung »der neuen Stadt Gvaot« an. »Die Mörder der drei Jugendlichen wollten uns Angst machen und Zweifel über unser Recht auf dieses Land verbreiten«, hieß es in einer Stellungnahme. »Unsere Antwort ist, die Siedlungen zu stärken.«

Nach geltendem Völkerrecht und internationalen, auch von Israel unterzeichneten Abkommen ist die Besetzung des palästinensischen Westjordanlandes verboten, wie auch die Besiedlung und Beschlagnahmung. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon erinnerte Israel daran, daß dessen Siedlungspolitik im Westjordanland »illegal« sei und die Vereinten Nationen immer wieder darauf hingewiesen hätten. Zudem sei sie kontraproduktiv für die angestrebte Zwei-Staaten-Lösung. Er forderte Israel auf, von jedem weiteren Siedlungsbau abzusehen und sich an das Völkerrecht zu halten.

Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erakat forderte diplomatischen Druck auf Israel, das »viele Verbrechen gegen die Palästinenser und ihr besetztes Land« verübe. Die internationale Staatengemeinschaft müsse Israel dafür zur Rechenschaft ziehen.

»Peace Now« bezeichnete die Enteignung als »die größte seit den 1980er Jahren«, die das gesellschaftliche und wirtschaftliche Gefüge um Gush Etzion und Bethlehem »dramatisch verändern« könne. Die Gruppe warf dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vor, die Zwei-Staaten-Lösung zugunsten einer Ein-Staaten-Lösung torpedieren zu wollen. Es zeige sich erneut, daß »Gewalt Israel zum Entgegenkommen bewegt, während Gewaltfreiheit mit dem Ausbau von Siedlungen beantwortet wird«. Hagit Ofran von »Peace Now« äußerte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP die Befürchtung, daß Netanjahu noch mehr Land konfiszieren werde, um dem Druck der Siedlerbewegung in seiner Regierung zu begegnen. Bereits Mitte Juni hatten die israelischen Behörden den Neubau von 1472 Wohneinheiten für rund 6000 Siedler im Westjordanland bewilligt.

Kritik kam auch von den westlichen Verbündeten Israels. Der britische Außenminister Philip Hammond forderte den Staat auf, die Pläne zurückzunehmen, denn die »besonders fehlgeleitete Entscheidung« werde dem Ansehen Israels ernsthaft schaden. Ein Vertreter des US-Außenministeriums bezeichnete den geplanten Siedlungsausbau als »kontraproduktiv für Israels erklärtes Ziel einer mit den Palästinensern vereinbarten Zwei-Staaten-Lösung«. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier »bedauerte« am Dienstag die Landnahme als »falsches Signal zur falschen Zeit«. Man erwarte, »daß der Beschluß der israelischen Militärbehörden revidiert wird«.

Die menschenrechtspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion »Die Linke«, Annette Groth, forderte unterdessen von EU und Europäischem Rat, das Assoziierungsabkommen mit Israel auszusetzen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch 3. September 2014

Und so begründet die israelische Regierung den Landraub (Im Wortlaut):

Festlegung von Staatsland im C-Gebiet des Westjordanlands

Am 25. August wurde eine Fläche von knapp vier Quadratkilometern in der Nähe der Gemeinde Gush Etzion im Westjordanland zu Staatsland erklärt. Der gelegentlich formulierte Vorwurf, Israel habe dieses Land ohne rechtliche Grundlage und ohne geordnetes Verfahren annektiert, ist falsch und soll im Folgenden entkräftet werden.

Die Fläche befindet sich im sogenannten C-Gebiet des Westjordanlands, das sich entsprechend der israelisch-palästinensischen Vereinbarungen vollständig unter israelischer Kontrolle befindet. Es bestehen für das zur Rede stehende Gelände, das nicht erschlossen ist, keinerlei substantiellen Eigentumsforderungen, weder von Palästinensern, noch von Israelis. Zu bedenken ist weiterhin, dass in jedem zukünftige Friedensabkommen das Gebiet von Gush Etzion unter israelischer Hoheit stehen wird.

Bei der Statusbestimmung und der Registrierung von Land im Westjordanland folgen die israelischen Behörden einem festgelegten legalen Verfahren. Dieses Verfahren gilt für Fälle, in denen die Eigentumsverhältnisse unbekannt sind und es wurzelt im über einhundert Jahre zurückreichenden osmanischen Rechtssystem. Das Verfahren zur Festlegung von Eigentumsverhältnissen zieht sich für gewöhnlich viele Jahre hin, wobei alle Verfahrensaspekte durch die Zivilverwaltung beaufsichtigt werden.

Bereits während der Britischen Mandatszeit, die 1948 endete, gab es Versuche, die Eigentumsverhältnisse in der diskutierten Gegend in Übereinstimmung mit den zuvor genannten Gesetzen festzulegen. Im vorliegenden Fall hat Israel das Verfahren vor über einem Jahrzehnt angestoßen, also lange vor den jüngsten Ereignissen, wie der Entführung und Ermordung der drei israelischen Jugendlichen.

Zu jedem Zeitpunkt des dargelegten Verfahrens können Anspruchsteller bei der Zivilverwaltung Anträge vorlegen, um begründete Eigentumsansprüche zu stellen. Wenn am Ende des Verfahrens kein Besitzer festgestellt werden kann, wird das Land zu Staatsland erklärt.

Als weitere rechtliche Absicherung müssen alle Fälle der Verstaatlichung von Land durch den israelischen Generalstaatsanwalt genehmigt werden. Wie jedes andere legale oder verwaltungstechnische Verfahren in Israel unterliegt auch die Festlegung von Staatsgebiet der juristischen Prüfung und kann vor dem Höchsten Gericht angefochten werden.

Quelle: Newsletter der Botschaft des Staates Israel, 04.09.14




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