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Klartext aus Israel

Verteidigungsminister Mosche Jaalon: Wir führen keine Friedensverhandlungen mit den Palästinensern. US-Vorschläge das Papier nicht wert

Von Rüdiger Göbel *

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist im Nahen Osten und zündet verbale Nebelkerzen. Der Friedensprozeß sei »in eine ganz entscheidende Phase« eingetreten, behauptete Berlins oberster Diplomat nach einem Treffen mit dem amtierenden palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas in Ramallah. Zuvor hatte Steinmeier sich schon über die von US-Außenminister John Kerry moderierten Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern geäußert: »Die Chancen scheinen diesmal besser, als es in früheren Zeiten war.« Und: »Wir sind guter Hoffnung, daß es diesmal gelingt, die Grundlagen für eine Zweistaatenlösung zu legen.«

Israels Verteidigungsminister Mosche Jaalon spricht dagegen Klartext. Die israelische Tageszeitung Jediot Achronot zitierte den rechten Hard­liner am Dienstag mit den Worten: »In Wirklichkeit gibt es gar keine Verhandlungen zwischen uns und den Palästinensern, sondern die Amerikaner sprechen mit uns und parallel mit den Palästinensern.« Mit Verve zieht Jaalon über Washingtons »Friedensvermittler« her: »US-Außenminister John Kerry, der hier mit Entschlossenheit auftaucht und dann getrieben von unangebrachter Besessenheit und mit messianischem Eifer vorgeht, hat mir gar keine Lehren über den Konflikt mit den Palästinensern zu erteilen.« Der US-Minister könne ihm »nichts erzählen vom Konflikt mit den Palästinensern«, wetterte der israelische Wehrminister dem Blatt zufolge in privaten Gesprächen fort. »Retten kann uns nur, daß John Kerry den Friedensnobelpreis gewinnt und uns in Ruhe läßt.«

Jaalon, wie Regierungschef Benjamin Netanjahu Mitglied der rechten Likud-Partei, kritisierte demnach insbesondere die US-Vorschläge zu Sicherheitsfragen im Jordantal, das die Ostgrenze eines unabhängigen Staates Palästina bilden würde. Die von Kerry und US-General John Allen präsentierten Pläne »sind das Papier nicht wert. Sie garantieren weder Sicherheit noch Frieden«, soll Jaalon laut Jediot Achronot geurteilt haben. Nur die fortgesetzte israelische Militärpräsenz im Westjordanland und am Jordanfluß könnten sicherstellen, »daß der Flughafen Ben Gurion und Netanja nicht zum Ziel von Raketen aus allen Richtungen werden«, so Minister Jaalon. Sein Sprecher Ofer Harel dementierte den Bericht auf Anfrage nicht, sagte laut dpa nur: »Wir haben keinen Kommentar.«

Der als »Falke« bezeichnete Politiker bekam von anderen Kabinettsmitgliedern in der Sache Rückendeckung. Juval Steinitz, für internationale Beziehungen zuständig und enger Vertrauter von Ministerpräsident Netanjahu, erklärte am Dienstag in einem Radiointerview, auch wenn er inhaltlich mit Jaalon übereinstimme, »sollten wir eines unbedingt unterlassen: persönliche Beleidigungen«. Justizministerin Zipi Livni, Chefunterhändlerin mit den Palästinensern, kritisierte lediglich: »Man kann auf verantwortliche Art gegen die Verhandlungen argumentieren, ohne die Verbindungen mit unserem besten Freund zu beschädigen.« Die Beziehungen zu den USA seien »unser ausschlaggebender strategischer Trumpf«, so Livni.

Den Palästinensern demonstrierten Jaalons Soldaten derweil, wer im Westjordanland das Sagen hat: Die Besatzungstruppen setzten am Dienstag die offizielle Wagenkolonne des palästinensischen Regierungschefs Rami Hamdallah kurz vor Ramallah für längere Zeit fest.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 15. Januar 2014


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