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Netanjahu abgeblitzt

Likud-Chef bisher erfolglos bei Suche nach Koalitionspartnern

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem *

In Israel sinken die Chancen des rechtskonservativen Benjamin Netanjahu auf die Bildung einer Regierung: Die nationalistischen Parteien wollen sich nicht auf eine Koalition mit seinem Likud-Block einlassen, weil der vor den Wahlen mehrere rechte Politiker kaltgestellt hatte.

War das ein Treffen unter Freunden? »Nein«, sagt der Mann, während er am Mittwoch abend mit versteinerter Miene ein Restaurant in der Jerusalemer Stadtmitte verlässt, »das war unglaublich unangenehm.« Anderswo, in einem schmucklosen Fernsehstudio am Rande der Stadt, gibt sich sein Chef, der Likud-Vorsitzende Benjamin Netanjahu, nach wie vor siegesgewiss: „Ich bin davon überzeugt, dass ich der nächste Premierminister des Staates Israel sein werde«, sagt der Rechtskonservative den Reportern des zweiten israelischen Fernsehkanals, und wiederholt damit, was er schon seit der Wahlnacht immer wieder sagt. Was er nicht ausspricht: Die Chancen, dass seine Wunschkoalition aus rechten und religiösen Parteien zustande kommt, entsprechen seit dem Treffen seiner Emissäre mit Vertretern der ultranationalistischen Nationalen Union ungefähr jenen eines Schneeballs in der Hölle.

Es sei hoch hergegangen, berichten Mitarbeiter Netanjahus: Nicht nur, dass die Nationale Union in Abstimmung mit dem »Jüdischen Heim«, einer weiteren ultranationalistischen Partei, eine »kaum erfüllbare« Wunschliste auf den Tisch gelegt habe, in der eine deutliche Aufstockung des Kindergeldes, eine Festschreibung des Verzichts auf Zugeständnisse an die Palästinenser und die Aufhebung aller Gesetze, die »gegen die Torah verstoßen« gefordert wird – während des Treffens sei auch deutlich geworden, dass in beiden Parteien starke persönliche Abneigungen gegen den Likud-Vorsitzenden Netanjahu gehegt werden.

«Die nehmen lieber in Kauf, dass Kadima die Regierung bildet, als dass sie Netanjahu stützen würden«, sagt der Likud-Verhandler. Der Grund: Die Ultranationalisten nehmen Netanjahu übel, dass er nach einem Parteikongress vor den Wahlen kurzerhand zwei ultrarechte Likud-Politiker, gute Freunde von Nationaler Union und »Jüdischem Heim«, die bei der Abstimmung über die Wahlliste erstaunlich gut abgeschnitten hatten, kurzerhand wieder von der Liste gestrichen hatte. Im Likud-Block hat der Vorsitzende dieses Recht.

Mit dem wahrscheinlichen Aus für das rechtsreligiöse Szenario sinken auch die allgemeinen Chancen Netanjahus, von Präsident Schimon Peres mit der Regierungsbildung beauftragt zu werden: Auf eine große Koalition wird sich die Kadima-Fraktion Zipi Livnis, die im Parlament einen Sitz mehr hat als der Likud, nur einlassen, wenn Livni Premierministerin wird. Und eine Koalition mit den Extremisten von Jisrael Beitenu ohne Beteiligung der Ultranationalisten, aber dafür mit den religiösen Parteien, hätte nicht genug Mandate für eine Mehrheit.

Diese Entwicklung hat bei vielen für vorsichtiges Aufatmen gesorgt: »Eine rechte Regierung in Israel wäre das Letzte, was wir im Moment gebrauchen können«, sagt ein Mitarbeiter des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, der selbst kurz zuvor öffentlich gefordert hatte, die internationale Gemeinschaft solle den Likud genauso isolieren wie man die Hamas isoliert habe. Und auch viele Israelis nahmen die Neuigkeiten mit Freude zur Kenntnis: »Das Schreckgespenst Netanjahu ist dabei, viel von seinem Horror zu verlieren«, fasste die Zeitung »Jedioth Ahronoth« die Gemütslage in der politischen Mitte Israels am Donnerstag zusammen.

* Aus: Neues Deutschland, 13. Februar 2009

Amtliches Endergebnis der Wahlen: Kadima bleibt in Führung

Nach der Auszählung der Briefwahlstimmen von Soldaten, Diplomaten, Behinderten u. a. steht nun das amtliche Endergebnis der Wahlen zur 18. Knesset fest. Am Stand vom Mittwoch hat sich dabei nichts geändert. Kadima unter der Führung von Außenministerin Tzipi Livni ist die stärkste Partei und erhält 28 der 120 Knesset-Sitze.

Die Sitzverteilung in der Knesset gestaltet sich wie folgt:
  • Kadima – 28
  • Likud – 27
  • Israel Beiteinu – 15
  • Avoda – 13
  • Shas – 11
  • Yahadut Hatorah – 5
  • Ha’eichud Hale’umi – 4
  • Ram-Ta’al – 4
  • Hadash – 4
  • Habeit Hayehudi – 3
  • Meretz – 3
  • Balad – 3
Mit 3 416 587 Wählern lag die Wahlbeteiligung bei 65%. 43 097 Stimmen wurden aus verschiedenen Gründen für ungültig erklärt.

Die Mindestprozenthürde von 2% entsprach 67 470 Stimmen. Insgesamt gingen etwa 104 000 Stimmen durch die Wahl kleiner Parteien verloren.

Ein Knesset-Mandat entspricht 27 246 Stimmen. Fünf Überhangmandate wurden an die fünf größten Parteien verteilt.

(Haaretz, 12.02.09)

Quelle: Newsletter der israelischen Botschaft in Berlin, 13. Februar 2009




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