Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Wir verweigern Angriffe in den besetzten Gebieten"
"We Refuse to Attack in the Territories"

Erklärung israelischer Luftwaffenpiloten und Reservisten
A Letter from Israeli Air Force Pilots in Reserves

Im Februar 2002 haben zum ersten Mal israelische Reserveoffiziere auf sich aufmerksam gemacht, indem sie eine Erklärung veröffentlichten, dass sie sich fortan weigern würden, "illegale und unmoralische" Militäroperationen in den besetzten Palästinensergebieten durchzuführen. Bis heute haben rund 550 Reservisten und aktive Soldaten sich diesem Aufruf angeschlossen.
Am 24. September 2003 bekam die "Refusnik"-Bewegung neuen Schwung, als 27 Piloten der israelischen Luftwaffe eine fast wortgleiche Erklärung abgaben. Offenbar haben sie einen wunden Punkt getroffen - sind sie doch prompt vom Luftwaffenchef ihres Dienstes enthoben worden. Der Fall hat im Inneren Israels und weltweit großes Aufsehen erregt. Der harte Kurs des Kabinetts Scharon gegenüber der palästinenischen Autonomiebehörde, die fortdauernden gezielten Liquidierungen mutmaßlicher palästinensischer Attentäter und von Führern radikaler Organisationen, die ständigen Militäraktionen, Razzien und Absperrungen, der Bau der Mauer, genannt "Sicherheitszaun", und zuletzt die Androhung, den gewählten Präsidenten Yassir Arafat "entfernen" zu wollen empören nicht nur die betroffenen Palästinenser, sondern geraten zunehmend auch in der israelischen Gesellschaft in die Kritik. Die Demonstration am 20. September in Tel Aviv mit rund 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, darunter auch Knesset-Abgeordnete aus den Reihen der Opposition, signalisiert den wachsenden Widerstand gegen die offenkundig kontraproduktive Politik der Hardliner. Die Friedensbewegung schöpft inmitten einer sehr zugespitzten Situation Hoffnung auf eine Erschöpfung des Kriegskurses und auf eine von der Bevölkerung getragene Rückkehr zu einer Politik des Verhandelns und der Gespräche.

Im Folgenden dokumentieren wir die Selbstverpflichtungs-Erklärung der Piloten vom 24. September in englischer Sprache. (Die oben genannte fast identische Erklärung vom Februar 2002 ist in deutscher Sprache zu haben.)

Im Anschluss daran dokumentieren wir die Berichterstattung über die Verweigerungsaktion durch den täglichen Newsletter der israelischen Botschaft. Es ist - natürlich - die Sichtweise der israelischen Regierung. Wir wollen die darin enthaltene Rechtfertigung der Militäraktionen der israelischen Luftwaffe (IAF) nicht kommentieren, weil sie für sich spricht. Der letzte Satz sollte aber nicht unkommentiert bleiben, weil er die Ideologie des angeblich "unpolitischen" Militärs verbreitet. Die Dienstverweigerer "missbrauchen" ihre Uniform zu "politischen Zwecken", heißt es da. Die Gegenfrage lautet: Zu welchen Zwecken gebrauchen die Piloten, die bei ihren Einsätzen gezielte Tötungen vornehmen und den Tod von Zivilisten wissentlich in Kauf nehmen, ihre Uniform - und vor allem ihre Waffen?

Pst

Die Erklärung der Verweigerer:

Israeli Air Force Pilots in Reserves:
We Refuse to Attack in the Territories.


"We, Air Force pilots who were raised on the values of Zionism, sacrifice, and contributing to the state of Israel, have always served on the front lines, willing to carry out any mission, whether small or large, to defend and strengthen the state of Israel.

"We, veteran and active pilots alike, who served and still serve the state of Israel for long weeks every year, are opposed to carrying out attack orders that are illegal and immoral of the type the state of Israel has been conducting in the territories.

"We, who were raised to love the state of Israel and contribute to the Zionist enterprise, refuse to take part in Air Force attacks on civilian population centers. We, for whom the Israel Defense Forces and the Air Force are an inalienable part of ourselves, refuse to continue to harm innocent civilians.

"These actions are illegal and immoral, and are a direct result of the ongoing occupation which is corrupting all of Israeli society. Perpetuation of the occupation is fatally harming the security of the state of Israel and its moral strength.

"We who serve as active pilots - fighters, leaders, and instructors of the next generation of pilots -- hereby declare that we shall continue to serve in the Israel Defense Forces and the Air Force for every mission in defense of the state of Israel."

Signed:
Brigadier General Yiftah Spector, Colonel Yigal Shohat, Colonel Ran, Lieutenant Colonel Yoel Piterberg, Lieutenant Colonel David Yisraeli, Lieutenant Colonel Adam Netzer, Lieutenant Colonel Avner Ra'anan, Lieutenant Colonel Gideon Shaham, Major Haggai Tamir, Major Amir Massad, Major Gideon Dror, Major David Marcus, Major Professor Motti Peri, Major Yotam, Major Zeev Reshef, Major Reuven, Captain Assaf, Captain Tomer, Captain Ron, Captain Yonatan, Captain Allon, Captain Amnon"


Berichterstattung durch die israelische Botschaft in Berlin (Newsletter)

9 Piloten und 18 Reservesoldaten der israelischen Luftwaffe haben in einem Brief an ihren vorgesetzten Kommandanten erklärt, dass sie sich künftig weigern werden, gezielte Tötungen palästinensischer Terrorführer bei Luftangriffen vorzunehmen. „Wir, alte und neue Soldaten, lehnen diese illegalen und unmoralischen Befehle ab, die durch den Staat Israel gegeben wurden", so heißt es in dem Brief. „Wir, die wir dazu erzogen wurden, Israel zu lieben und zum zionistischen Ideal beizutragen, können nicht an Operationen in zivilen Bevölkerungszentren teilnehmen, und lehnen es ab, unschuldige Palästinenser in Gefahr zu bringen." Die Erklärung sorgte trotz der zahlenmäßig kleinen Gruppe für einen Schock innerhalb der Führung der Luftwaffe. Der Luftwaffen-Kommandant Generalmajor Dan Halutz erklärte gegenüber dem Fernsehen, dass er sich Zeit nehme, auf den Brief zu antworten. „Wir sprechen über 27 von mehreren Tausend, wir müssen die Dinge also in die richtige Perspektive rücken." (Israelischer Rundfunk)

Die israelische Luftwaffe IAF hat am Donnerstag 27 Soldaten von ihrem Dienst in der IAF suspendiert, neun davon aktive Kampfpiloten. Die Soldaten hatten am Mittwoch in einem offenen Brief an den Luftwaffenchef Dan Halutz erklärt, Befehle zum Angriff auf zivile Ziele in den Palästinensergebieten zu verweigern. Alle 27 Soldaten sind Reservisten. Keiner von ihnen wurde von der IAF zum Kampfeinsatz in den Palästinensergebieten aufgefordert.

Israel ist seit drei Jahren einem grausamen Terror ausgesetzt, das kein anderes Land der Welt vorher kannte. Der palästinensische Terror gegen jüdische und israelische Ziele wird im Namen des Islamischen Heiligen Krieges geführt. Israel hat diesen Terroristen und ihren Organisationsstrukturen einen kompromisslosen Kampf angesagt. Ziel dieses Kampfes ist die Zerschlagung der Terrororganisationen, nicht die palästinensische Zivilbevölkerung. Viele ihrer Militärmaßnahmen hat die israelische Armee abgesagt, um palästinensische Zivilisten nicht zu treffen. Es ist wahr, dass in diesem schwierigen Kampf gegen den Terror auch unschuldige Zivilisten getroffen wurden. Dies war nicht Absicht der Militärmaßnahmen. Es muss aber auch betont werden, dass sich die Terroristen bewusst unter Zivilisten aufhalten, um sich dadurch zu schützen.

Am Donnerstag haben Hunderte Piloten und Flugnavigatoren der IAF eine eigene Erklärung unterzeichnet. Darin werfen sie den 27 Reservesoldaten vor, bewusst ihre Uniform zu politischen Zwecken zu missbrauchen.



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