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Israel setzt Dialog aus

Jerusalem protestiert mit Gesprächsabbruch gegen britisches Kriegsverbrechergesetz

Von Karin Leukefeld, Damaskus

Aus Protest gegen ein britisches Kriegsverbrechergesetz hat Israel seinen strategischen Dialog mit Großbritannien ausgesetzt. Das bestätigte der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Yigal Palmor, am Mittwoch. Der britische Außenminister William Hague war Tags zuvor in Israel eingetroffen. Der Besuch war ursprünglich auf zwei Tage angesetzt.

Das britische Gesetz ermöglicht es, internationale Kriegsverbrecher vor einem britischen Gericht anzuklagen. Es führte bereits verschiedene Male dazu, daß israelische Politiker aus Angst vor juristischer Verfolgung geplante Besuche in Großbritannien abgesagt haben.

Der strategische Dialog zwischen beiden Ländern findet normalerweise einmal im Jahr statt und befaßt sich vor allem mit Fragen der Verteidigungsund Sicherheitspolitik. Hague’s Besuch sei wichtig für den »kontinuierlichen Austausch zwischen beiden Staaten«, erklärte Israels Außenamtssprecher Palmor. Die Reisefreiheit israelischer Politiker sollte ursprünglich »ganz oben auf der Tagesordnung« stehen. Die Aussetzung des strategischen Dialogs einen Tag nach der Ankunft des Außenministers in Israel sei nicht als Beleidigung oder »Hinterhalt « für den britischen Außenminister zu verstehen.

Das britische Außenministerium wollte den Vorfall nicht weiter kommentieren. Es handele sich um ein »sensibles Thema, zu dem wir keine Stellungnahmen abgegeben«, sagte eine Sprecherin.

Zahlreiche hochrangige israelische Politiker sind von dem britischen Kriegsverbrechergesetz betroffen. So liegt etwa gegen die frühere Außenministerin Zipi Livni in Großbritannien eine Anzeige wegen Kriegsverbrechen während des Gazakrieges (2008/09) vor. Auch der amtierende Verteidigungsminister Ehud Barak hat im September 2009 wegen einer entsprechenden Anklage auf eine Reise nach Großbritannien verzichtet. Erst vor wenigen Tagen traf es den stellvertretenden Ministerpräsidenten Dan Meridor, der beim Britisch- Israelischen Kommunikations- und Forschungszentrum am kommenden Montag auftreten sollte. Gegen Meridor wird wegen der Erstürmung des Hilfsschiffes Mavi Marmara ermittelt, bei der Ende Mai neun Personen von israelischen Sonderkommandos ermordet worden waren.

Die britische Regierung will das Gesetz zeitnah ändern. Bis dahin, so die Empfehlung von Außenminister Hague, sei es jedoch für israelische Minister besser, nicht nach Großbritannien zu reisen.

Ein ähnlich weitreichendes Gesetz zur Verfolgung von Kriegsverbrechern gab es bis 2003 auch in Belgien. Dort war ein Verfahren gegen den früheren israelischen Regierungschef und Exgeneral Ariel Scharon eingeleitet worden, wegen seiner Rolle beim Massaker in den Palästinenserlagern Sabra und Schatila im Libanon im Jahr 1982. Es wurde jedoch nach massivem Druck aus Israel und den USA von der Regierung in Brüssel aufgehoben.

* Aus: junge Welt, 5. November 2010


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