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Keine Aufklärung

Deutsche U-Boote für Israel: Bundesregierung weicht Fragen der Linken aus

Von Knut Mellenthin *

Die Bundesregierung interessiert sich nicht dafür, ob Israel seine von der deutschen HDW-Werft gelieferten oder dort bestellten U-Boote als Atomwaffenträger nutzt. Das bekräftigte sie in ihrer Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen (Die Linke). Israel hat den Atomwaffensperrvertrag nicht unterschrieben, gibt keine Auskunft über Umfang und Einsatzregeln seines Arsenals und hält sich auch die Möglichkeit eines nuklearen Erstschlags offen. Vier U-Boote, die nach israelischen Wünschen extra für den Abschuß von Marschflugkörpern modifiziert wurden, hat Israel bereits aus Kiel erhalten; zwei weitere sind noch im Bau.

In ihrer auf den 29. Mai datierten Anfrage hatte Dagdelen wissen wollen, mit welchem Gesamtbetrag der Verkauf der sechs Schiffe an Israel aus dem Bundeshaushalt subventioniert wurde. Diese Frage hatte die Abgeordnete einige Wochen zuvor schon einmal gestellt, als Antwort aber nur den Zuschuß zum sechsten der U-Boote mitgeteilt bekommen.

Weiter wollte die Parlamentarierin wissen, in welcher Höhe sich Deutschland an den Kosten der »Modernisierung« der ersten drei, schon Ende der 90er Jahre gelieferten U-Boote beteiligt, die zur Zeit gerade in Israel vorgenommen wird. Dafür fließe kein Geld, hieß es dazu von der Regierung. Drittens erkundigte sie sich, welche technischen Voraussetzungen der U-Boot-Konstruktion Gewähr dafür bieten, daß diese U-Boote nicht mit Trägersystemen für nukleare Waffen ausgestattet werden können.

Zum ersten Punkt listete die Bundesregierung in ihrer am Mittwoch eingegangenen Antwort nun endlich die einzelnen Zuschüsse auf. Insgesamt 1,1 Milliarden D-Mark (562 Millionen Euro) flossen demnach für die ersten drei Boote, zusammen 333 Millionen Euro für die nächsten beiden, und schließlich 135 Millionen Euro für das sechste Schiff. Das ergibt zusammengerechnet eine Summe von mehr als einer Milliarde Euro.

Zum politisch entscheidenden dritten Punkt heißt es in dem vom Parlamentarischen Staatssekretär Christian Schmidt erteilten Bescheid lediglich kurz und ätzend: »Die Bundesregierung beteiligt sich nicht an Spekulationen über eine mögliche Bewaffnung.«

Um eine derart nichtssagende Auskunft abzuliefern, hatte Schmidt am 7. Juni schriftlich mitgeteilt, daß sich die Antwort »leider noch etwas verzögern« werde, da »umfangreiche Zuarbeiten und Abstimmungen« mit dem Verteidigungsministerium erforderlich seien. Die nach der Geschäftsordnung vorgesehene Frist wurde dadurch überschritten. Dabei hätte die Bundesregierung über eine atomare Nachrüstung der an Israel gelieferten U-Boote gar nicht spekulieren müssen, wenn sie sich irgendwann im Laufe der Zeit in Tel Aviv zu diesem Thema erkundigt hätte. Ist das jemals geschehen? Offenbar nicht, wie der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Karsten Voigt dem Spiegel am 5. Juni offenbarte: »Wenn wir danach gefragt hätten, wäre das Schlimmste gewesen, wenn die Israelis uns eine ehrliche Antwort gegeben hätten.«

In einer Presseerklärung kommentiert die Abgeordnete Dagdelen am Donnerstag den Vorgang: »Damit wird deutlich, daß die an Israel gelieferten U-Boote nichts anderes sind als Trägersysteme für nukleare Waffen. Die Bundesregierung verweigert jedoch gegenüber dem Parlament, der Öffentlichkeit und den Steuerzahlern die Aufklärung über die Details des Milliardengeschenks der deutschen Steuerzahler an das israelische Militär.«

* Aus: junge Welt, Freitag, 15. Juni 2012

Skandalöse Informationspolitik in Sachen deutscher U-Boote

Presseerklärung

"Vertuschen, täuschen, lügen – das ist offenbar die Strategie der Bundesregierung im Umgang mit parlamentarischen Anfragen wegen der Lieferung von seegestützten Trägersystemen für Atomwaffen an Israel. Während der Parlamentarische Staatsekretär im Verteidigungsministerium Christian Schmidt noch am 8. Mai auf meine schriftliche Frage (4/359) antwortete, dass die Bundesregierung ‚keine Lieferungen von Trägersystemen für Nuklearwaffen genehmigen würde‘, möchte sich die Bundesregierung in ihrer aktuellen Antwort auf meine Nachfrage hin (5/329) ‚nicht an Spekulationen über eine mögliche Bewaffnung‘ beteiligen. Damit versucht die Bundesregierung zu vertuschen, dass sie von Anfang an sehr wohl wusste, dass sie Trägersysteme für nukleare Waffen nach Israel liefert und diese zu diesem Zweck auch in Deutschland hergestellt werden.“, kritisiert Sevim Dagdelen, Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. für Internationale Beziehungen und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages. Dagdelen weiter:

„Die Bundesregierung tut so, als würde Deutschland an Israel nicht modernste Trägersysteme für Atomwaffen liefern, sondern Fischkutter, deren mögliche Bewaffnung jedweder Art völlig abwegig sei. In skandalöser Form ist das Verteidigungsministerium nicht gewillt, die konkrete Frage nach den technischen Voraussetzungen der U-Bootkonstruktion der Dolphin-Klasse und mithin der Kernwaffenfähigkeit ihrer Abschussvorrichtungen zu beantworten. Damit wird deutlich, dass die an Israel gelieferten U-Boote nichts anderes sind als Trägersysteme für nukleare Waffen. Die Bundesregierung verweigert jedoch gegenüber dem Parlament, der Öffentlichkeit und den Steuerzahlern die Aufklärung über die Details des Milliarden-Geschenks der deutschen Steuerzahler an das israelische Militär.

Besonders fragwürdig und absurd ist, dass Staatsekretär Schmidt am 7. Juni eine Fristverlängerung „[a]ufgrund erforderlicher und umfangreicher Zuarbeiten und Abstimmungen“ geltend machte und den Eindruck hinterließ, er wolle technischen Sachverstand konsultieren, um die Hinweise des Nachrichtenmagazins ‚Der Spiegel‘ auf die Kernwaffentauglichkeit zu prüfen. Tatsächlich ging es dabei nur um eine reine Verzögerungstaktik und Vereitelung der Ausübung des parlamentarischen Fragerechts. Diese skandalöse Täuschungspolitik des parlamentarischen Staatssekretärs Schmidt ist bisher folgenlos geblieben. Bundeskanzlerin Merkel muss sich fragen lassen, wie lange sie noch an einem Regierungsmitglied festhalten will, dass den Deutschen Bundestag in einer derart gravierenden Angelegenheit schlicht versucht hinters Licht zu führen.




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