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Besatzungsmacht kritisiert

Südafrikanisches Ministerium rät Bürgern von Israel-Reisen ab

Von Christian Selz, Kapstadt *

Erstmals hat Südafrikas Regierung am Dienstag in einer offiziellen Verlautbarung seine Bürger aufgefordert, nicht nach Israel zu reisen. Der Vizeminister für Internationale Beziehungen und Zusammenarbeit, Ebrahim Ebrahim, sprach von »einer Politik des Abratens, weil wir glauben, daß Israel eine Besatzungsmacht ist und in den besetzten Palästinensergebieten Dinge macht, die von der gesamten internationalen Gemeinschaft abgelehnt werden«. Er stellte zwar gleichzeitig klar, daß sein Land niemanden aufhalten werde, doch »wir raten ihnen davon ab«. Die Botschaft ist eindeutig: Die ANC-Regierung in Pretoria will Druck machen auf Tel Aviv, dessen Politik gegenüber den Palästinensern in der Kaprepublik bereits wiederholt mit der Unterdrückung während der Apartheid verglichen worden war.

Mit Besuchen von Südafrikanern in Israel würde »die Besetzung der Palästinensergebiete anerkannt werden, und wir glauben, daß eine Botschaft an die Israelis gesandt werden muß, daß sie diese Besatzung beenden müssen«, begründete Ebrahim den Schritt der Regierung.

»Die Katze ist aus dem Sack«, kommentierte Israels Botschafter in Südafrika, Dov Segev-Steinberg, die südafrikanische Entscheidung. Bereits Ende 2010 hatte der ehemalige Kapstädter Erzbischof Desmond Tutu das Ensemble der Oper seiner Stadt aufgefordert, eine geplante Israel-Reise abzusagen. »Nur die dickhäutigsten Südafrikaner würden sich dabei wohl fühlen, vor einem Publikum aufzutreten, das beispielsweise Menschen aus einem besetzten Dorf in der Westbank ausschließt, während es deren jüdische Nachbarn aus einer illegalen Siedlung auf besetztem palästinensischen Gebiet einschließt«, wetterte Tutu seinerzeit. Der Erzbischof war bereits vor Nelson Mandela für seinen Einsatz gegen die Apartheid mit dem Friedensnobelpreis geehrt worden. Er hatte wiederholt das Engagement weißer, jüdischer Aktivisten gegen die Rassentrennung hervorgehoben, plötzlich stand er selbst am Pranger, mußte sich gar als »Fanatiker« bezeichnen lassen.

Die Ablehnung der israelischen Politik in der Palästinenserfrage ist in Südafrika seither ständig gewachsen. Die Universität Johannesburg beendete auf studentischen Druck eine Kooperation mit einer israelischen Hochschule. Im Mai dieses Jahres preschte schließlich Rob Davies, Handelsminister im Kabinett von Jacob Zuma, vor. Er forderte, Waren, die außerhalb der israelischen Grenzen von 1948 – also beispielsweise im Gazastreifen – produzier twerden, müßten als »hergestellt in den besetzten palästinensischen Gebieten« deklariert werden. Davies wollte das zwar nicht als Boykottaufruf verstanden wissen. Sein Kabinettskollege Marius Fransman, zweiter Vizeminister für Internationale Beziehungen und Zusammenarbeit, redete allerdings offen von einer »Strategie, ökonomischen Druck auf Israel auszuüben«.

Eine weitere Nachricht vom Kap belegt, daß Südafrikas Regierung sich inzwischen in einer Position fühlt, in der sie sich solche Schritte erlauben kann. Am Dienstag gab das Land bekannt, 2013 erstmals das Jahrestreffen der BRICS-Gemeinschaft der wirtschaftlich stärksten Schwellenländer, der neben dem jüngsten Mitglied Südafrika Brasilien, Rußland, Indien und China angehören, auszurichten.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 16. August 2012


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