Israels Regierung rechnet mit Arafats Abgang
Sharons Stellvertreter in der Schweiz: Siedlungsstopp würde "natürliches Wachstum" der Siedlungen nicht verbieten
Die Online-Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung veröffentlichte am 26. Januar 2002 einen Bericht, dem ein Interview mit Israels Finanzminister und stellvertretendem
Ministerpräsidenten Silvan Shalom zugrundelag. Shalom war dieser Tage auf Besuch in der Schweiz. (Der Artikel war gezeichnet von R.M.)
Silvan Shalom zählt zur jüngeren Garde in der
Führungsschicht des Likud - der Partei des Ministerpräsidenten Sharon und der stärksten Partei in der Regierungskoalition. Sahalom wurde 1958 in Tunesien
geboren, seine Familie siedelte ein Jahr später nach Israel um. Ende Januar 2002 weilte Shalom zur Unterzeichnung eines
Doppelbesteuerungsabkommens in der Schweiz.
In dem Interview, das er bei der Gelegenheit einem Redakteur der Neuen Zürcher Zeitung gab, machte Shalom kein Hehl aus seiner Ambition, eines Tages selbst das Amt des israelischen Ministerpräsidenten zu übernehmen. Er schließe nicht aus, dass er
bei der nächsten Knessetwahl, die voraussichtlich 2003 stattfinden
wird, als parteiinterner Herausforderer des 73-jährigen Sharon für
die Kandidatur um das Ministerpräsidentenamt antreten könnte.
Deutlich auch seine Äußerungen zum Konflikt mit den Palästinensern. Solange die Führung der Palästinenser bei Arafat liege, so schreibt die NZZ, werde es schwerlich je zu neuen Friedensverhandlungen kommen. Arafat sei für Israel "kein
glaubwürdiger Partner" mehr, denn er sei offenkundig nicht bereit
und wohl auch nicht fähig, die terroristischen Angriffe gegen die
israelische Bevölkerung zu unterbinden. Shalom wies darauf hin dass diese Meinung inzwischen auch vom früheren Ministerpräsidenten Barak und
dessen Aussenminister Ben-Ami vertreten. Nach Shaloms Ansicht
hat Arafat durch seine seine Unfähigkeit zu einer
wirklichen Verständigung mit Israel bereits in Camp David bewiesen, als er Baraks
"Kompromissvorschläge" undifferenziert abgelehnt habe. Auf den Einwand der Interviewers, dass Arafat den Terror der Extremisten ja kaum
wirkungsvoll bekämpfen könne, "wenn die israelische Regierung ihn
gleichzeitig in Ramallah praktisch gefangen halte und dazu die
Einrichtungen seiner Sicherheitskräfte fortschreitend zerstöre", ließ
Shalom nicht gelten. Arafat habe seine Versprechungen ja auch dann
nicht eingelöst, als er sich noch frei bewegen konnte, sagte Shalom.
Der Minister iat aber davon überzeugt, dass es hinter Arafat in
der palästinensischen Führung durchaus Persönlichkeiten gibt, mit
denen man "vernünftig" verhandeln und sich "verständigen" könnte. Auf die Frage, ob im Hintergrund bereits entsprechende Kontakte liefen, antwortete Shalom ausweichend: Wenn man darüber spräche, würde man das Leben dieser Personen gefährden.
Hätte die israelische Regierung für den Fall, dass die Terroranschläge tatsächlich völlig aufhörten, den Palästinensern Kompromisslösungen anzubieten? - Shalom löegt sich da auf nichts fest. "Da der Regierungschef dazu keine Details nenne, könne er dies auch nicht tun", heißt es in dem Artikel. Den Siedlungsstopp in den besetzten Gebieten, den auch der Mitchell-Plan vorsieht, interpretiert Shalom auf seine Weise: Die israelische Regierung habe den Mitchell-Plan akzeptiert. Er, Shalom, beharre
aber darauf, dass nach Lesart seiner Regierung ein
Siedlungsstopp das "natürliche Wachstum" der Siedlungen nicht
verbieten würde. Den Einwand des Redakteurs, dass es ja in Gaza und in Cisjordanien
bereits Tausende von leer stehenden Wohnungen gebe, lässt Shalom im Interview
nicht gelten.
Was antwortet Shalom heute jenen Wählern, die vor einem Jahr für
Sharon gestimmt haben, weil er ihnen damals "Frieden und Sicherheit"
versprochen habe? Shaloms Antwort: Die Mehrheit der Bürger in
Israel verstehe, dass die Regierung Sharon das Richtige tue, um die
Terrorattacken zu bekämpfen. Es liege an den Palästinensern zu
begreifen, dass sie mit Gewalt nicht weiterkämen - und dass sie einen
kompetenteren Führer als Arafat brauchten.
Zusammengestellt nach Neue Zürcher Zeitung, Online, 26. Januar 2002
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