Reise ohne Friedensplan
Bei seinem ersten Israel-Besuch als Präsident hat Obama die Latte tief gelegt
Von Max Böhnel, New York *
Die erste Auslandreise seit Beginn seiner zweiten Amtszeit führt USA-Präsident Barack Obama nach Israel, Palästina und Jordanien. Einen »großen Friedensplan« bringt er eigenen Aussagen zufolge nicht mit.
Drei Viertel seiner Besuchszeit, die von Mittwochnachmittag bis Sonnabendmorgen (Ortszeit) reicht, wird Obama in Israel und mit Vertretern der neuen israelischen »Siedlerregierung« verbringen, wie es die linksliberale Tageszeitung »Haaretz« formulierte. So kritisch geben sich jedoch US-amerikanische Mainstreammedien und das Weiße Haus nicht. »Wir arbeiten sehr eng mit den Israelis zusammen«, sagt Obamas Sicherheitsberater Ben Rhodes. In den Gesprächen mit dem engsten Verbündeten der USA werde es um »den Friedensprozess, Syrien und Iran gehen«. Aber von Einmischung und »Engagement«, wie Obamas außenpolitischer Wahlkampfslogan im Jahr 2008 lautete, ist nichts mehr zu hören. Ein Jahr später hatte der Präsident in seiner berühmten Rede in Kairo einen »Neubeginn« versprochen. Heute setzen Obama-Strategen stattdessen auf die bewährte »Zuerst-Israel«-Politik.
Er werde keinen »großen Friedensplan« mitbringen, hatte Obama in der ersten Märzwoche Hoffnungen gedämpft. Im Jahr 2011 war sein Versuch, neuen Wind in Friedensverhandlungen zu bringen, an der Netanjahu-Regierung gescheitert. Sie hatte sich einem Siedlungsstopp im Westjordanland verweigert. Trotzdem sah Washington von politischem Druck auf Netanjahu ab. Auch die Anerkennung palästinensischer Staatlichkeit durch die Vereinten Nationen im vergangenen November konnte die sperrige Haltung der USA und Israels nicht aufweichen.
Nach Obamas Ankunft in Tel Aviv am Mittwochnachmittag steht die strategische Kooperation zwischen Israel und den USA im Vordergrund, symbolisiert durch eine Besichtigung der als Wunderwaffe gepriesenen »Iron Dome«-Technik. Das Antiraketensystem wird von den USA finanziert. Im Washingtoner Kongress ist eine Erklärung im Umlauf, der zufolge zusätzliche Mittel dafür beschafft werden sollen.
Hiesige Medien spekulierten über eine Annäherung zwischen Obama und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Der hatte im USA-Wahlkampf offen für den republikanischen Herausforderer Mitt Romney Stellung bezogen. Obama wiederum hatte Netanjahu bei einem Washington-Besuch demonstrativ nicht empfangen.
Nach Gesprächen mit dem israelischen Militär und mit Regierungsmitgliedern fährt Obama in das Westjordanland nach Ramallah zu Konsultationen mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und Premier Salam Fayyad. Deren Namen wurden in den großen US-amerikanischen Medien weitgehend ausgespart - symbolisch für die Bedeutung, die den Palästinensern beigemessen wird.
Sowohl den Donnerstagabend als auch den größten Teil des Freitags verbringt Obama wieder in Israel. Nach einem Besuch der Geburtskirche in Bethlehem - Hommage an die katholische Kirche - begibt sich der USA-Präsident schließlich zur Haschemiten-Dynastie nach Amman. In der Zeitschrift »The Atlantic« von dieser Woche spricht sich Jordaniens König Abdullah II. - aus Sorge um einen »arabischen Frühling« in seinem Land - ausdrücklich für Reformen und einen Übergang zur Demokratie aus.
Unterdessen machten im Washingtoner Senat zwei Briefe an Obama die Runde. In einem wird der Präsident aufgefordert, Druck auf die Palästinenser auszuüben. Sie dürften Israel auf keinen Fall vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen. In einem anderen wird das Weiße Haus aufgefordert, dem israelisch-palästinensischen Friedensprozess wieder Leben einzuhauchen. Dafür soll der neue Außenminister John Kerry sorgen. Er traf bereits am Dienstagabend in Israel ein.
* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 20. März 2013
Gedämpfte Erwartungen in Jerusalem und Ramallah
Israels Regierung hofft auf Bekräftigung der "unzerstörbaren Allianz", Palästinenser sehen sich in die Nebenrolle gedrängt
Von Oliver Eberhardt **
Der Aufwand ist immens, der Zufall
hat keine Chance: Schon vor Wochen
hat eine Vorhut von Weißem Haus und
Secret Service, dem Sicherheitsdienst
des USA-Präsidenten, jeden Ort
durchforscht, den Barack Obama in
Israel und Palästina besuchen wird.
Exakt wurde festgelegt, wer wann
was wie und wo tun wird. Dabei
war man um größtmögliche
Transparenz bemüht – manchmal
sogar zu große: Unter anderem
wurde bekannt, dass einer der
Agenten des Secret Service den
sogenannten »Football«, den Koffer
mit den Codes für das Atomwaffenarsenal
der USA, tragen
wird. Normalerweise unverfänglich,
doch sorgte die Information
diesmal kurz für hochgezogene
Augenbrauen: Schließlich wird seit
Langem über einen israelischamerikanischen
Militärschlag gegen
das iranische Nuklearprogramm
debattiert. Und es war diese
Debatte, die dazu geführt hat,
dass das israelisch-amerikanische
Verhältnis so kühl ist wie schon
lange nicht mehr.
Mit dem Besuch wollen beide
Seiten eine Rückkehr zum traditionellen
Verhältnis demonstrieren.
Operation »Unzerstörbare Allianz«
hat Israels Regierung das genannt
und damit schon vor Monaten den
Tonfall vorgegeben: Man erwartet
nette Worte, warmherzige Gesten,
einen Hauch von weiter Welt. Von
diesem Hauch, vermuten die Medien,
erhoffe sich Regierungschef
Netanjahu eine Auffrischung seines
in der Öffentlichkeit mittlerweile
recht angestaubten Bildes.
Denn sieben Wochen wurde in Israel
über die Bildung einer neuen
Regierung verhandelt, und noch
kurz vor Ende der Spielverlängerung
verwandelten zwei Koalitionspartner
eine Steilvorlage und
köpften noch ein paar Sätze in den
Koalitionsvertrag. Obama wird also
auf eine Regierung treffen, von
der noch niemand weiß, wie
handlungsfähig und wie stabil sie
ist. Abgesehen davon, dass die Zuständigkeiten
zum Teil noch unklar
sind.
Einem Bericht der Zeitung »Jedioth
Ahronoth« zufolge wird
Obama auch mit Avigdor Lieberman
zusammentreffen. Der werde
die Iran-Frage zur Sprache bringen
und außerdem deutlich machen,
dass im Laufe der kommenden
Legislaturperiode keine Fortschritte
in den Verhandlungen mit
den Palästinensern zu erwarten
seien. Auch ein Baustopp in den
israelischen Siedlungen komme
nicht in Frage. Nur war Lieberman
im Dezember als Außenminister
zurückgetreten, nachdem die
Staatsanwaltschaft Anklage gegen
ihn erhoben hatte. Derzeit hält ihm
Netanjahu das Amt frei, bis das
Gerichtsverfahren abgeschlossen
ist.
Die palästinensische Seite spielt
bei diesem Besuch eine Nebenrolle.
Es werde keine Friedensinitiative
des Präsidenten geben, hieß es
schon vor Wochen aus dem Weißen
Haus. Gerade einmal vier
Stunden haben die US-Amerikaner
für den Besuch in Palästina eingeplant,
den Besuch in der Geburtskirche
in Bethlehem inbegriffen –
viel zu wenig Zeit, um über alle
Probleme zu sprechen, unter denen
die Palästinenser zurzeit leiden,
moniert die Regierung in Ramallah
und gibt damit auch die
Gefühle der Bevölkerung wieder.
Dort herrscht Enttäuschung,
aber auch Wut: darüber, dass sich
die Regierung in Washington aus
Sicht der Palästinenser klar auf die
Seite Israels stellt, aber auch darüber,
dass der Konvoi Obamas
zwar an einem Werktag das öffentliche
Leben in Ramallah zum
Erliegen bringt, der Präsident aber
nicht den Kontakt zu den Menschen
suchen wird.
Außerhalb der palästinensischen
Städte, in den israelischen
Siedlungen, glaubt man indes den
Beteuerungen nicht, es werde trotz
Obama alles beim Alten bleiben:
Dort geht man davon aus, dass
Netanjahu dem Präsidenten einen
Baustopp versprechen wird – und
versucht deshalb, so viele Fundamente
zu legen wie möglich, um
später eventuelle Entschädigungszahlungen
verlangen zu können.
** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 20. März 2013
Chronologie des Nahost-Konflikts
Eine diplomatische Lösung des Nahost-Konflikts war das Ziel vieler Gipfeltreffen. Eine Auswahl:-
März 1979: Israels Ministerpräsident Menachem Begin und Ägyptens Präsident Anwar el Sadat schließen einen Friedensvertrag, den US-Präsident Jimmy Carter 1978 in Camp David vermittelt hatte.
-
September 1993: In Washington unterzeichnen PLO-Chef Jasser Arafat und der israelische Ministerpräsident Izchak Rabin das Oslo-Abkommen. Unter Vermittlung von US-Präsident Bill Clinton und Norwegen akzeptiert Israel die PLO als offiziellen Vertreter der Palästinenser.
-
Oktober 1994: Unter Clintons Vermittlung unterzeichnen Rabin und König Hussein von Jordanien in Washington einen Friedensvertrag.
-
September 1995: In Ägypten wird das Abkommen »Oslo II« unterschrieben, das den Palästinensern die Autonomie über ein Drittel des Westjordanlandes zuspricht.
-
Oktober 1998: In Wye wird ein Abkommen über den Abzug der Israelis aus weiteren palästinensischen Gebieten geschlossen. Im Dezember reist Clinton als erster amtierender US-Präsident nach Palästina.
-
Juli 2000: In Camp David scheitert der Nahost-Gipfel mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak und Arafat.
-
Juni 2003: Auf Druck von US-Präsident George W. Bush bekräftigen Israel und die Palästinenser im jordanischen Akaba ihr Bekenntnis zum Nahost-Friedensplan (»Road Map«), der einen unabhängigen Palästinenserstaat vorsieht.
-
November 2007: Bush lädt den israelischen Regierungschef Ehud Olmert und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nach Annapolis (Maryland) ein. Vereinbart werden direkte Friedensgespräche für eine Zwei-Staaten-Lösung. Die Initiative scheitert wenig später.
-
Mai 2009: Beim Antrittsbesuch von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei Barack Obama fordert der US-Präsident Israel zu einem Siedlungsstopp auf. Bei weiteren Treffen im Weißen Haus ist das Verhältnis der beiden Staaten frostig.
-
Mai 2011: In seiner Grundsatzrede an der Universität in Kairo schlägt Obama vor, dass Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern auf Basis der Grenzen vor dem Sechstagekrieg 1967 beginnen könnten.
Zurück zur Israel-Seite
Zur USA-Seite
Zur Nahost-Seite
Zurück zur Homepage