Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Reise ohne Friedensplan

Bei seinem ersten Israel-Besuch als Präsident hat Obama die Latte tief gelegt

Von Max Böhnel, New York *

Die erste Auslandreise seit Beginn seiner zweiten Amtszeit führt USA-Präsident Barack Obama nach Israel, Palästina und Jordanien. Einen »großen Friedensplan« bringt er eigenen Aussagen zufolge nicht mit.

Drei Viertel seiner Besuchszeit, die von Mittwochnachmittag bis Sonnabendmorgen (Ortszeit) reicht, wird Obama in Israel und mit Vertretern der neuen israelischen »Siedlerregierung« verbringen, wie es die linksliberale Tageszeitung »Haaretz« formulierte. So kritisch geben sich jedoch US-amerikanische Mainstreammedien und das Weiße Haus nicht. »Wir arbeiten sehr eng mit den Israelis zusammen«, sagt Obamas Sicherheitsberater Ben Rhodes. In den Gesprächen mit dem engsten Verbündeten der USA werde es um »den Friedensprozess, Syrien und Iran gehen«. Aber von Einmischung und »Engagement«, wie Obamas außenpolitischer Wahlkampfslogan im Jahr 2008 lautete, ist nichts mehr zu hören. Ein Jahr später hatte der Präsident in seiner berühmten Rede in Kairo einen »Neubeginn« versprochen. Heute setzen Obama-Strategen stattdessen auf die bewährte »Zuerst-Israel«-Politik.

Er werde keinen »großen Friedensplan« mitbringen, hatte Obama in der ersten Märzwoche Hoffnungen gedämpft. Im Jahr 2011 war sein Versuch, neuen Wind in Friedensverhandlungen zu bringen, an der Netanjahu-Regierung gescheitert. Sie hatte sich einem Siedlungsstopp im Westjordanland verweigert. Trotzdem sah Washington von politischem Druck auf Netanjahu ab. Auch die Anerkennung palästinensischer Staatlichkeit durch die Vereinten Nationen im vergangenen November konnte die sperrige Haltung der USA und Israels nicht aufweichen.

Nach Obamas Ankunft in Tel Aviv am Mittwochnachmittag steht die strategische Kooperation zwischen Israel und den USA im Vordergrund, symbolisiert durch eine Besichtigung der als Wunderwaffe gepriesenen »Iron Dome«-Technik. Das Antiraketensystem wird von den USA finanziert. Im Washingtoner Kongress ist eine Erklärung im Umlauf, der zufolge zusätzliche Mittel dafür beschafft werden sollen.

Hiesige Medien spekulierten über eine Annäherung zwischen Obama und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Der hatte im USA-Wahlkampf offen für den republikanischen Herausforderer Mitt Romney Stellung bezogen. Obama wiederum hatte Netanjahu bei einem Washington-Besuch demonstrativ nicht empfangen.

Nach Gesprächen mit dem israelischen Militär und mit Regierungsmitgliedern fährt Obama in das Westjordanland nach Ramallah zu Konsultationen mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und Premier Salam Fayyad. Deren Namen wurden in den großen US-amerikanischen Medien weitgehend ausgespart - symbolisch für die Bedeutung, die den Palästinensern beigemessen wird.

Sowohl den Donnerstagabend als auch den größten Teil des Freitags verbringt Obama wieder in Israel. Nach einem Besuch der Geburtskirche in Bethlehem - Hommage an die katholische Kirche - begibt sich der USA-Präsident schließlich zur Haschemiten-Dynastie nach Amman. In der Zeitschrift »The Atlantic« von dieser Woche spricht sich Jordaniens König Abdullah II. - aus Sorge um einen »arabischen Frühling« in seinem Land - ausdrücklich für Reformen und einen Übergang zur Demokratie aus.

Unterdessen machten im Washingtoner Senat zwei Briefe an Obama die Runde. In einem wird der Präsident aufgefordert, Druck auf die Palästinenser auszuüben. Sie dürften Israel auf keinen Fall vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen. In einem anderen wird das Weiße Haus aufgefordert, dem israelisch-palästinensischen Friedensprozess wieder Leben einzuhauchen. Dafür soll der neue Außenminister John Kerry sorgen. Er traf bereits am Dienstagabend in Israel ein.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 20. März 2013


Gedämpfte Erwartungen in Jerusalem und Ramallah

Israels Regierung hofft auf Bekräftigung der "unzerstörbaren Allianz", Palästinenser sehen sich in die Nebenrolle gedrängt

Von Oliver Eberhardt **


Der Aufwand ist immens, der Zufall hat keine Chance: Schon vor Wochen hat eine Vorhut von Weißem Haus und Secret Service, dem Sicherheitsdienst des USA-Präsidenten, jeden Ort durchforscht, den Barack Obama in Israel und Palästina besuchen wird.

Exakt wurde festgelegt, wer wann was wie und wo tun wird. Dabei war man um größtmögliche Transparenz bemüht – manchmal sogar zu große: Unter anderem wurde bekannt, dass einer der Agenten des Secret Service den sogenannten »Football«, den Koffer mit den Codes für das Atomwaffenarsenal der USA, tragen wird. Normalerweise unverfänglich, doch sorgte die Information diesmal kurz für hochgezogene Augenbrauen: Schließlich wird seit Langem über einen israelischamerikanischen Militärschlag gegen das iranische Nuklearprogramm debattiert. Und es war diese Debatte, die dazu geführt hat, dass das israelisch-amerikanische Verhältnis so kühl ist wie schon lange nicht mehr.

Mit dem Besuch wollen beide Seiten eine Rückkehr zum traditionellen Verhältnis demonstrieren. Operation »Unzerstörbare Allianz« hat Israels Regierung das genannt und damit schon vor Monaten den Tonfall vorgegeben: Man erwartet nette Worte, warmherzige Gesten, einen Hauch von weiter Welt. Von diesem Hauch, vermuten die Medien, erhoffe sich Regierungschef Netanjahu eine Auffrischung seines in der Öffentlichkeit mittlerweile recht angestaubten Bildes.

Denn sieben Wochen wurde in Israel über die Bildung einer neuen Regierung verhandelt, und noch kurz vor Ende der Spielverlängerung verwandelten zwei Koalitionspartner eine Steilvorlage und köpften noch ein paar Sätze in den Koalitionsvertrag. Obama wird also auf eine Regierung treffen, von der noch niemand weiß, wie handlungsfähig und wie stabil sie ist. Abgesehen davon, dass die Zuständigkeiten zum Teil noch unklar sind.

Einem Bericht der Zeitung »Jedioth Ahronoth« zufolge wird Obama auch mit Avigdor Lieberman zusammentreffen. Der werde die Iran-Frage zur Sprache bringen und außerdem deutlich machen, dass im Laufe der kommenden Legislaturperiode keine Fortschritte in den Verhandlungen mit den Palästinensern zu erwarten seien. Auch ein Baustopp in den israelischen Siedlungen komme nicht in Frage. Nur war Lieberman im Dezember als Außenminister zurückgetreten, nachdem die Staatsanwaltschaft Anklage gegen ihn erhoben hatte. Derzeit hält ihm Netanjahu das Amt frei, bis das Gerichtsverfahren abgeschlossen ist.

Die palästinensische Seite spielt bei diesem Besuch eine Nebenrolle. Es werde keine Friedensinitiative des Präsidenten geben, hieß es schon vor Wochen aus dem Weißen Haus. Gerade einmal vier Stunden haben die US-Amerikaner für den Besuch in Palästina eingeplant, den Besuch in der Geburtskirche in Bethlehem inbegriffen – viel zu wenig Zeit, um über alle Probleme zu sprechen, unter denen die Palästinenser zurzeit leiden, moniert die Regierung in Ramallah und gibt damit auch die Gefühle der Bevölkerung wieder.

Dort herrscht Enttäuschung, aber auch Wut: darüber, dass sich die Regierung in Washington aus Sicht der Palästinenser klar auf die Seite Israels stellt, aber auch darüber, dass der Konvoi Obamas zwar an einem Werktag das öffentliche Leben in Ramallah zum Erliegen bringt, der Präsident aber nicht den Kontakt zu den Menschen suchen wird.

Außerhalb der palästinensischen Städte, in den israelischen Siedlungen, glaubt man indes den Beteuerungen nicht, es werde trotz Obama alles beim Alten bleiben: Dort geht man davon aus, dass Netanjahu dem Präsidenten einen Baustopp versprechen wird – und versucht deshalb, so viele Fundamente zu legen wie möglich, um später eventuelle Entschädigungszahlungen verlangen zu können.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 20. März 2013

Chronologie des Nahost-Konflikts

Eine diplomatische Lösung des Nahost-Konflikts war das Ziel vieler Gipfeltreffen. Eine Auswahl:
  • März 1979: Israels Ministerpräsident Menachem Begin und Ägyptens Präsident Anwar el Sadat schließen einen Friedensvertrag, den US-Präsident Jimmy Carter 1978 in Camp David vermittelt hatte.
  • September 1993: In Washington unterzeichnen PLO-Chef Jasser Arafat und der israelische Ministerpräsident Izchak Rabin das Oslo-Abkommen. Unter Vermittlung von US-Präsident Bill Clinton und Norwegen akzeptiert Israel die PLO als offiziellen Vertreter der Palästinenser.
  • Oktober 1994: Unter Clintons Vermittlung unterzeichnen Rabin und König Hussein von Jordanien in Washington einen Friedensvertrag.
  • September 1995: In Ägypten wird das Abkommen »Oslo II« unterschrieben, das den Palästinensern die Autonomie über ein Drittel des Westjordanlandes zuspricht.
  • Oktober 1998: In Wye wird ein Abkommen über den Abzug der Israelis aus weiteren palästinensischen Gebieten geschlossen. Im Dezember reist Clinton als erster amtierender US-Präsident nach Palästina.
  • Juli 2000: In Camp David scheitert der Nahost-Gipfel mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak und Arafat.
  • Juni 2003: Auf Druck von US-Präsident George W. Bush bekräftigen Israel und die Palästinenser im jordanischen Akaba ihr Bekenntnis zum Nahost-Friedensplan (»Road Map«), der einen unabhängigen Palästinenserstaat vorsieht.
  • November 2007: Bush lädt den israelischen Regierungschef Ehud Olmert und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nach Annapolis (Maryland) ein. Vereinbart werden direkte Friedensgespräche für eine Zwei-Staaten-Lösung. Die Initiative scheitert wenig später.
  • Mai 2009: Beim Antrittsbesuch von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei Barack Obama fordert der US-Präsident Israel zu einem Siedlungsstopp auf. Bei weiteren Treffen im Weißen Haus ist das Verhältnis der beiden Staaten frostig.
  • Mai 2011: In seiner Grundsatzrede an der Universität in Kairo schlägt Obama vor, dass Friedensgespräche zwischen Israel und den Palästinensern auf Basis der Grenzen vor dem Sechstagekrieg 1967 beginnen könnten.



Zurück zur Israel-Seite

Zur USA-Seite

Zur Nahost-Seite

Zurück zur Homepage