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Lancierte Gerüchte

Hintergrund. Obama schwört bei seinem ersten Staatsbesuch Israel ewige Treue. Keine Aussichten auf eine Überprüfung der »Sonderbeziehung«

Von Knut Mellenthin *

Barack Obama hat bei seinem Israel-Besuch in der vorigen Woche einen Rekord vorgelegt, den spätere US-Präsidenten kaum noch werden toppen können. Seine Bezeichnung des Bündnisses zwischen den USA und Israel als »eternal« (ewig) und »forever« (für immer, immerwährend) läßt alle bisherigen Bemühungen, das Unvergleichliche in Worte zu fassen, als halbherzig, ja geradezu armselig erscheinen. Als da wären: »ironclad« (unangreifbar, hieb- und stichfest), »unbreakable« (unzerbrechlich, unverwüstlich), »unshakable« (unerschütterlich), »unwavering« (unwandelbar, felsenfest), um nur die gebräuchlichsten Attribute zu erwähnen.

Keines dieser Worte ist einem außenpolitischen Kontext angemessen. Mit der Einführung des Begriffs »eternal« hat Obama die Grenze zur Hysterie definitiv überschritten. Unter religiösen Menschen – zu denen sowohl der US-Präsident als auch seine Gastgeber angeblich gehören – ist selbstverständlich, daß das Wort »ewig« einzig und allein Gott zukommt. Alles andere ist vergänglich. In der Politik gibt es schon gar nichts Ewiges. Wenn trotzdem immer wieder die Unwandelbarkeit der »special relation­ship«, der »Sonderbeziehung«, zwischen den USA und Israel beschworen und nun geradezu in eine religiöse Dimension überhöht wird, geht es um die Legitimierung der Tatsache, daß dieses Verhältnis in den USA seit Jahrzehnten systematisch einer rationalen Diskussion entzogen oder zumindest gegen eine sachliche Überprüfung abgeschottet wird.

Bereits die Erwähnung oder gar Erörterung der logischen Tatsache, daß die Interessen beider Seiten zwangsläufig nicht immer identisch sind, sondern sogar in Widerspruch zueinander stehen können, löst reflexartige Vorwürfe aus. Die Doktrin der Sonderbeziehung verlangt, wie es immer wieder wörtlich heißt, daß in allen wesentlichen Fragen zwischen den Positionen beider Regierungen »no daylight«, kein Tageslicht, erkennbar sein darf. Das bedeutet, daß sie zumindest nach außen hin absolut lückenlos übereinstimmen müssen. Die Pro-Israel-Lobby als Gralshüterin der Doktrin richtet diese Forderung allerdings stets nur an die US-amerikanische Seite.

Kranz für Theodor Herzl

Schon mehrere Wochen vor Beginn des ersten Staatsbesuchs von Obama in Israel hatte das Weiße Haus nicht nur die Gastgeber, sondern auch die internationale Öffentlichkeit immer wieder informiert, daß der Präsident der USA absolut nicht die Absicht habe, die gute Stimmung durch die Präsentation eines »neuen Friedensplans« für die Verständigung mit den Palästinensern zu verderben. Als Obama das zu Beginn seiner ersten Amtszeit versuchte, hatte er sich im Zweikampf mit Israels Premier Benjamin Netanjahu, der wie üblich den amerikanischen Kongreß hinter sich wußte, fürchterlich blamiert. Obamas Reise nach Israel, die erste seiner zweiten Amtszeit, sollte erklärtermaßen in der Hauptsache dazu dienen, das »beschädigte Verhältnis« zwischen beiden Staaten zu »reparieren« und das Mißtrauen der meisten Israelis gegen diesen Präsidenten wenn nicht auszuräumen, so doch wenigstens zu vermindern. Von Obama wurde auch erwartet, daß er »Fehler«, die er angeblich in den ersten vier Jahren begangen hatte, »korrigieren« würde.

Zu diesen Mißgriffen gehört nach dem Verständnis der israelischen Führung und ihrer Lobby in den USA auch Obamas »Rede an die muslimische Welt«, die der damals noch frischgebackene Präsident am 4. Juni 2009 in Kairo gehalten hatte. Sympathien bei den Umworbenen hatte ihm sein Geschwätz, dem keine praktischen Taten gefolgt waren, nur kurzzeitig eingetragen. In den meisten muslimischen Ländern ist Obama heute noch unbeliebter als es sein Vorgänger George W. Bush war.

Aber in Israel war ihm seine Ansprache wegen ihrer scheinbar muslimfreundlichen Tendenz nachhaltig übelgenommen worden. Besonders stieß man sich dort an der Aussage, »das Streben nach einem jüdischen Heimatland« sei »in einer tragischen Geschichte verwurzelt, die nicht geleugnet werden darf«. Obama wollte damit, wie sich aus seinem Redetext klar erkennen läßt, den Muslimen Verständnis und Empathie für die Leiden der Juden unter Verfolgungen, vor allem aber durch den Holocaust abfordern. In Israel wurde jedoch beanstandet, daß der US-Präsident die zionistische Herleitung des jüdischen Rechtsanspruchs auf »das Land« aus der Geschichte und aus der Bibel ignoriert habe.

Das mußte Obama nun reichlich nachholen, indem er am Grab des Begründers des Zionismus, Theodor Herzl, einen Kranz niederlegen ließ, und indem er sich das Museum mit den teilweise über 2000 Jahre alten »Schriftrollen vom Toten Meer« zeigen ließ. In seiner ersten Rede gleich nach der Ankunft in Israel sprach er vom »historischen Heimatland des jüdischen Volkes«, in dem Juden schon vor 3000 Jahren gelebt und gebetet hätten. Beim Besuch in der Gedenkstätte Jad Waschem erklärte Obama: »Hier auf eurem alten Land soll es gesagt sein, so daß die ganze Welt es hört: Der Staat Israel existiert nicht wegen des Holocaust. Aber mit dem Überleben eines starken jüdischen Staates Israel wird ein solcher Holocaust nie wieder geschehen können.«

Seine Gastgeber, von denen viele – letztlich mit genau demselben fragwürdigen »historischen Recht« – nicht nur den eigentlichen Staat Israel, sondern auch die besetzten Palästinensergebiete als Teil ihres »Heimatlandes« betrachten, konnten mit dieser Vorstellung des scheinbar mächtigsten Mannes der Welt zufrieden sein. Zumal Obama es sorgfältig vermied, irgendwann während seines Besuchs öffentlich über Israels künftige Grenzen zu sprechen.

Obama wich der entscheidenden Frage, wie »das Land« zu definieren ist, auf das »die Juden« angeblich Anrecht haben, auch in seiner »Rede an das israelische Volk« aus, die er am Donnerstag vor einigen hundert ausgewählten Israelis im Jerusalem Convention Center hielt. Was die Korrespondentin des Spiegel für »ungewöhnlich kritisch« und »überraschend deutliche Kritik an Israel« hielt, bewegte sich bestenfalls auf dem Niveau aller früheren US-Präsidenten. Zur ständigen Erweiterung der Siedlungen in den besetzten Gebieten, die heute schon eine Zwei-Staaten-Lösung als nicht mehr realisierbar erscheinen läßt, wagte Obama diesmal nicht mehr als die banale und unverbindliche Feststellung, daß sie »kontraproduktiv« sei. Im deutlichen Unterschied dazu hatte er im Juni 2009 in Kairo gesagt: »Die Vereinigten Staaten akzeptieren die Legitimität der fortwährenden israelischen Siedlungen nicht. Ihr Bau verletzt frühere Abkommen und untergräbt die Bemühungen, Frieden zu erreichen. Es ist Zeit, daß diese Siedlungen aufhören« (nach dem vom Weißen Haus verbreiteten Redetext).

Öffentlicher Druck auf Präsidenten

Am 19. März, einen Tag vor Beginn des Staatsbesuchs, war ein von mindestens 77 der 100 Mitglieder des US-Senats unterzeichneter Brief an den Präsidenten veröffentlicht worden. Obama wurde darin ermahnt, seine »Verpflichtung« zu »bekräftigen«, »eng mit der neuen Regierung Israels zusammenzuarbeiten«. Neben dem Bekenntnis zum Recht Israels auf »Selbstverteidigung«, das heißt praktisch: zur Führung vorgeblicher Präventivkriege, sollte Obama auch das Festhalten an der Finanzierung des israelischen Raketenabwehrsystems »Iron Dome« (»Eiserne Kuppel«) trotz obligatorischer Kürzungen in allen Bereichen des US-amerikanischen Staatshaushalts versprechen. Vor allem aber verlangten die Senatoren, daß der Präsident den Palästinensern mit ernsten Konsequenzen drohen müsse, falls sie an ihrem Recht auf einen eigenen Staat auch ohne Zustimmung der israelischen Regierung festhalten oder gar versuchen sollten, Streitigkeiten mit dem Besatzungsregime vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu bringen.

Daß Obama all das ohnehin tun würde, stand von vornherein nicht in Zweifel. Der von der Pro-Israel-Lobby AIPAC veranlaßte offene Brief der Senatoren war eine bewußte Demütigung des US-Präsidenten, zugleich aber auch eine Vorführung der verläßlichen Loyalität des Senats gegenüber Israel und seiner Lobby. Ob überhaupt jemals eines der beiden Häuser des amerikanischen Kongresses eine Resolution verabschiedet hat, in der Kritik an irgendeiner israelischen Maßnahme enthalten war, ist ungewiß. Zumindest in den letzten zwanzig Jahren gab es keinen solchen Fall. Sobald es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Regierungen Israels und der USA kommt, kann man sicher sein, daß eine große Mehrheit des Senats und des Abgeordnetenhauses ihrem Präsidenten öffentlich in den Rücken fällt und sich auf die israelische Seite schlägt.

Die vermutlich letzte Ausnahme von dieser Grundregel der »special relationship« gab es am 28. Oktober 1981, also vor über 30 Jahren. Damals gelang es Präsident Ronald Reagan mit allergrößter Mühe, für den von Israel und der Lobby angefochtenen Verkauf von AWACS-Flugzeugen an Saudi-Arabien eine knappe Mehrheit im Senat von 52 zu 48 zustande zu bringen. Damit konnte Reagan das Votum des Abgeordnetenhauses übergehen, das zuvor mit 301 gegen 111 gegen den Verkauf gestimmt hatte.

Der politischen und psychologischen Vorbereitung von Obamas Israel-Besuch diente auch die Veröffentlichung von Umfrageergebnissen in US-amerikanischen und israelischen Medien genau zu diesem Zeitpunkt. Sie demonstrierten, daß ein Präsident, der es wagen würde, sich mit Israel anzulegen, nicht nur den Kongreß und alle bedeutenden Medien der USA gegen sich hätte, sondern auch in der Bevölkerung keine Basis finden würde. Beispielsweise sagt eine vom TV-Sender ABC in Auftrag gegebene Umfrage aus, daß im israelisch-palästinensischen Konflikt 55 Prozent der US-Amerikaner auf Seiten Israels stehen und nur neun sich für die Palästinenser aussprechen. Eine große Mehrheit, rund 70 Prozent, ist angeblich dagegen, daß die USA im sogenannten Friedensprozeß eine aktive Rolle übernehmen. Das entspricht dem Wunsch der israelischen Regierung, daß Washington sich aus diesem Thema völlig heraushalten und vor allem keinen diplomatischen Druck ausüben soll.

Eine Gallup-Umfrage ergab zum selben Zeitpunkt, daß 64 Prozent der Amerikaner die israelische Seite bevorzugen und nur zwölf die palästinensische. Das sei, so hieß es dazu, der höchste Stand der Sympathie für Israel seit dem ersten Irak-Krieg von 1991. Unter den Befragten, die über 55 Jahre alt sind, lag der Anteil der Unterstützer Israels sogar bei 71 Prozent. Die in Washington erscheinende Zeitung The Hill, die sich hauptsächlich mit dem Geschehen im Kongreß beschäftigt, hatte schon Anfang März Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht, nach der 39 Prozent der US-Wähler der Meinung seien, daß Obama nicht genug für Israel tue. Lediglich 13 Prozent stimmten der gegenteiligen Aussage zu, daß Obama Israel zu sehr unterstütze. 30 Prozent der Befragten, so wurde dort behauptet, seien der Ansicht, daß ihr Präsident israelfeindlich eingestellt ist. Das wären mehr als die 28 Prozent, die ihn für eher israelfreundlich erklärten. Man kann solche Umfrageergebnisse mit guten Gründen anzweifeln. Zweifellos wirken sie aber nicht unwesentlich auf die Meinungsbildung und das Verhalten der politischen Entscheidungsträger.

Eine »neue« Israel-Politik?

Trotz der an sich eindeutigen Ausgangssituation vermag Obama selbst heute noch, fast so wie zu Beginn seiner Präsidentschaft vor vier Jahren, gelegentlich Hoffnungen zu erzeugen, daß er zu Konflikten mit der israelischen Regierung bereit sei und daß er vielleicht sogar der Mann sein könnte, die »special relationship« einer Revision zu unterziehen und das Verhältnis zwischen beiden Staaten auf eine rationale Basis zu stellen. Ira Chernus und Tom Engelhardt, zwei eigentlich als solide bekannte Autoren, veröffentlichten im Dezember 2012 auf mehreren Webseiten einen Artikel unter der Überschrift »Are the US and Israel Heading for a Showdown?«, »Steuern die USA und Israel auf eine entscheidende Kraftprobe zu?« 2013 könne, so mutmaßten die Verfasser, zum »Jahr der Konfrontation« zwischen Washington und Jerusalem werden. Daß Obamas Verhalten und selbst seine Worte zu solchen Hoffnungen nicht den geringsten Anlaß geben, räumten sie freilich selbst ein. Aber »hinter den Kulissen« und »privat« sehe es vielleicht schon ganz anders aus. Von Peter Beinart, dem jüdischen Autor eines Buches über »Die Krise des Zionismus«, übernahmen Chernus und Engelhardt das Gerücht, daß die Obama-Administration insgeheim bereits an einer »neuen Strategie« arbeite. Deren Grundsatz sei, Israel künftig »nicht mehr vor den Folgen seiner Handlungen zu schützen«, sondern es »die volle Wucht seiner zunehmenden internationalen Isolation spüren zu lassen«. Beinart hatte behauptet, daß amerikanische Regierungsbeamte (administration officials) ihm dies mitgeteilt hätten, aber – wie bei solchen Andeutungen üblich – keine Namen oder auch nur Tätigkeitsbereiche genannt.

Die Illusionen über einen »Gezeitenwechsel« (Sea Change) in den amerikanisch-israelischen Beziehungen erhielten neuen Auftrieb, als Obama nach seiner Wiederwahl im Dezember Chuck Hagel als Verteidigungsminister nominierte. Der Republikaner aus Nebraska hatte von 1997 bis 2009 dem Senat angehört. Er hat einen Ruf als relativ unerschrockener Individualist, der zu Themen wie Irak, Iran und Israel–Palästina gelegentlich Meinungen geäußert hat, mit denen er innerhalb und außerhalb seiner eigenen Partei aneckte. Der Ermächtigung des damaligen Präsidenten George W. Bush zum Überfall auf den Irak hatte Hagel zwar am 11. Oktober 2002 ebenso wie 76 andere Senatoren (von insgesamt 100) zugestimmt. Er war aber später, selbst ein mehrfach verwundeter Vietnamveteran, als Kritiker dieses Krieges hervorgetreten. Wiederholt plädierte er dafür, Konflikte lieber mit politischen statt mit militärischen Mitteln zu lösen, und warnte vor den Folgen eines Krieges gegen Iran. Seine Gegner werfen ihm besonders eine Interviewäußerung vor, die »jüdische Lobby« schüchtere »viele Leute« im Kongreß ein. Hagels Nominierung könne sich als »die folgenreichste außenpolitische Ernennung« in Obamas Präsidentenzeit erweisen, kommentierte Beinart. »Der Kampf um Hagel« sei »ein Kampf, ob Obama die Rahmenbedingungen der Debatte um die Außenpolitik ändern kann«, mutmaßte er am 7. Januar 2013 im Webzine The Daily Beast.

Die Nominierung des Verteidigungsministers durch den Präsidenten bedarf der Zustimmung des Senats, über die dieser nach einer Anhörung entscheidet. Der wochenlange Widerstand der Republikaner gegen Hagels Ernennung wurde von unterschiedlichen Kräften als Zeichen einer Bereitschaft Obamas zum Streit mit der israelischen Regierung und der Pro-Israel-Lobby interpretiert. Übersehen wurde dabei, daß sich weder der AIPAC noch bedeutende jüdische Verbände der USA an der Kampagne gegen Hagel beteiligten. Auch die israelische Regierung wahrte äußerste Zurückhaltung. Träger der teilweise hysterischen Angriffe gegen den Kandidaten waren einschlägig bekannte neokonservative Publizisten und rechte Republikaner. Während der stundenlangen Befragung durch den Außenpolitischen Ausschuß des Senats relativierte Hagel etliche seiner früheren Äußerungen. Unwidersprochen argumentierte er, daß er in seiner Zeit als Senator nicht ein einziges Mal zum Schaden Israels gestimmt habe. Eine sorgfältige Prüfung seiner politischen Gesamtbilanz beweise seine »unzweideutige, totale Unterstützung für Israel«.

Zusammenarbeit enger als zuvor

Hagel wird im April Israel besuchen. Sowohl sein inzwischen aus dem Amt geschiedener Kollege Ehud Barak als auch dessen Nachfolger Mosche Ja’alon, ein erklärter Hardliner, haben dem neuen Chef des Pentagon öffentlich ihr Vertrauen bekundet. Wahrscheinlich wird Hagel, gerade weil er immer in der Gefahr steht, daß alte Vorwürfe und Unterstellungen wieder gegen ihn mobilisiert werden könnten, Konflikte mit Israel und dessen Lobby zu vermeiden trachten.

Hagel befindet sich damit in einer ähnlich verletzbaren, bequem ausbeutbaren Lage wie Obama, dem rechtszionistische Kreise vom Beginn seiner Amtszeit an erfolgreich den ungerechten Ruf angehängt haben, er sei der israelfeindlichste Präsident, den die USA jemals hatten. In Wirklichkeit sprechen die Tatsachen für Obamas Feststellung, daß seine Regierung Israel noch stärker unterstützt als ihre Vorgängerinnen. Die Militärhilfe in Form von Finanzleistungen und Lieferungen ist umfangreicher als zu irgendeinem früheren Zeitpunkt, die Zusammenarbeit der Streitkräften und Geheimdienste beider Länder ist enger als je zuvor. Obama hat bei seinem Besuch in Israel den Beginn von Verhandlungen über ein neues strategisches Zehn-Jahres-Abkommen angekündigt, obwohl das unter seinem Vorgänger geschlossene regulär erst 2017 ausläuft.

Gerüchte, die von Zeit zu Zeit die Zuverlässigkeit des US-Präsidenten im Sinne Israels in Zweifel ziehen, lassen sich oft auf neokonservative oder andere pro-israelische Kräfte zurückführen. So gab es beispielsweise im Januar 2012 Berichte, Washington habe aus Verärgerung über die israelische Regierung eine für das Frühjahr geplante gemeinsame Militärübung abgesagt. Erst Monate später wurde eindeutig klar, daß es sich lediglich um eine zeitliche Verschiebung handelte und daß diese auf israelischen Wunsch erfolgt war. Ausgangspunkt der Geschichte war die Website DEBKAfile, die ständig Desinformationen verbreitet und israelischen Dienststellen nahestehen soll.

Im September 2012 ließen sich vorgeblich »seriöse« Mainstreammedien für die Falschmeldung einspannen, Obama habe Netanjahu durch die Ablehnung eines von diesem erbetenen Treffens während der UN-Vollversammlung in New York bewußt brüskiert. In die Welt gesetzt hatte diese Behauptung offensichtlich das Büro des israelischen Regierungschefs. Bei seinem Besuch in Israel verwies Obama jetzt darauf, daß er mit Netanjahu öfter zusammengetroffen ist als mit irgend­einem anderen ausländischen Politiker, nämlich zehn Mal. Das Weiße Haus hatte seinerzeit, vor allem wegen der Endphase des Wahlkampfs, lediglich entschieden, den Terminplan des Präsidenten von allen an ihn herangetragenen Wünschen nach Gesprächen am Rande der UN-Vollversammlung freizuhalten.

Anfang September 2012 machte im Internet das Gerücht die Runde, die Obama-Administration habe dem Iran durch »verdeckte Kanäle« über zwei europäische Länder ein Angebot zukommen lassen: Die USA würden Israel im Fall eines militärischen Alleingangs ihre Unterstützung versagen, sofern Teheran im Gegenzug darauf verzichten würde, US-amerikanische Ziele in der Golfregion anzugreifen. Ausgangspunkt der Falschmeldung war in diesem Fall die größte Tageszeitung Israels, Jediot Achronot, die sich auf anonyme »Regierungsquellen« berief.

Das jüngste Gerücht dieser Art kam Anfang März von einer obskuren US-amerikanischen Website World Tribune und wurde scheinbar ernsthaft von einigen israelischen Medien aufgegriffen. Es besagte, daß Obama bei seinem Besuch in Israel von den Gastgebern einen »Zeitplan« für einen »einseitigen Rückzug von der Westbank« verlangen werde.

Bei allen Meldungen dieser Art sollte man erstens genau hinschauen, woher sie kommen und auf was für Quellen sie sich berufen. Und man sollte zweitens bedenken, ob Obama das, was ihm jeweils unterstellt wird, wirklich machen könnte, ohne aufs heftigste mit dem Kongreß, einschließlich der meisten Abgeordneten und Senatoren seiner eigenen Partei, zusammenzustoßen. Nach seinem ganzen bisherigen Verhalten ist der 44. Präsident der USA nicht der Mann, der einen solchen Konflikt riskieren würde. Es ist, das muß man fairerweise sagen, auch nicht zu erkennen, auf welche Kräfte er sich bei einem solchen Versuch stützen könnte. Ein selbstbewußteres Auftreten Washingtons gegenüber der israelischen Regierung ist nicht in Sicht. Eine grundsätzliche Überprüfung der »special relationship« schon gar nicht.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 26. März 2013


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