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Wütende Verbündete

Nach dem Mord an einem Hamas-Mitglied in Dubai weist London einen israelischen Diplomaten aus

Von Karin Leukefeld, Katar *

Im Streit um den Mord an einem hochrangigen Hamas-Mitglied in Dubai hat Großbritannien am Dienstag (23. März) einen israelischen Diplomaten des Landes verwiesen. Damit zog die Regierung in London Konsequenzen aus der Fälschung britischer Pässe, die im Januar von Mitgliedern einer israelischen Todesschwadron für den Mord an Mahmud Al-Mabhouh mißbraucht worden waren. Dieser war von dem Kommando in seinem Hotel in Dubai regelrecht hingerichtet worden. Über Interpol wurden inzwischen 27 Verdächtige zur Fahndung ausgeschrieben, die mit den gefälschten Pässen nach Dubai eingereist und in den Mord verwickelt gewesen sein sollen. Ohne den israelischen Geheimdienst Mossad beim Namen zu nennen, beschuldigte der britische Außenminister David Miliband in seltener Deutlichkeit Israel, den Mord organisiert und durchgeführt zu haben und dafür die Identitäten von zwölf britischen Staatsangehörigen »gestohlen« zu haben. Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman »bedauerte« die Ausweisung des Diplomaten, der Medienberichten zufolge für den Geheimdienst gearbeitet haben soll. Laut der israelischen Internetzeitung Ynet wurde bereits ein Nachfolger benannt. Die Hamas begrüßte die Entscheidung der britischen Regierung, forderte aber gleichzeitig, daß sich die in der israelischen Regierung vermuteten Auftraggeber für den Mord gerichtlich verantworten müßten.

Miliband sagte weiter, die britische Regierung nehme den Vorfall »extrem ernst«, zumal »ein befreundeter Staat auf diese Weise operiert« habe. Einen »größeren Vertrauensbruch gibt es nicht«, ein solcher Mißbrauch britischer Pässe sei »nicht zu tolerieren«. Die betroffenen Paßinhaber seien bis auf einen bereits mit neuen, fälschungssicheren Papieren ausgestattet worden. Britische Staatsangehörige, die nach Israel reisen, wurden offiziell gewarnt, ihre Pässe nicht aus den Augen zu lassen oder Dritten zu übergeben, vor allem wenn sie nicht fälschungssicher mit biometrischen Daten ausgestattet seien. Auch Frankreich, Irland und Australien haben Ermittlungen eingeleitet, da die Mörder Al-Mabhouhs ebenfalls gefälschte Papiere aus diesen Staaten benutzt hatten. Offiziell besteht Israel weiterhin darauf, daß es für die Verwicklung des Mossad in den Mord keine Beweise gebe.

Es ist nicht das erste Mal, daß Israel seine Geheimdienstagenten mit gefälschten Pässen von Bündnispartnern ausgestattet hat. 1987 war in einer Telefonzelle im damaligen Westdeutschland eine Tasche mit acht gefälschten britischen Pässen sichergestellt worden, die offenbar für den Mossad bestimmt waren. Israel versprach damals, es solle nicht wieder vorkommen. Unter Diplomaten gilt es jedoch als offenes Geheimnis, daß der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) Mossad-Kollegen mit deutschen Pässen für Staaten wie beispielsweise den Iran ausstattet, zu denen Israel offiziell keinen Zutritt hat.

In Katar hat derweil Ministerpräsident Scheich Hamad bin Jassim bin Jabor Al-Thani verlangt, die USA müßten endlich konsequent gegen Israel vorgehen. Er forderte Washington auf, bei künftigen Debatten im UN-Sicherheitsrat nicht von ihrem Vetorecht Gebrauch zu machen, um Israel zu schützen. Statt dessen müßten die Palästinenser gestärkt werden. Hinsichtlich der angeblichen Bedrohung Israels durch das iranische Atomprogramm erklärte Jassim, es müsse mit Teheran geredet werden, um die Spannung, die über dem ganzen Mittleren Osten läge, zu lösen. Neue Sanktionen gegen den Iran würden jedoch »keine positiven Ergebnisse bringen.« Im Westen wisse man sehr wohl, dass Katar intensiv mit der Türkei, Syrien und anderen Staaten in Verbindung stehe, um den Streit um das iranische Atomprogramm zu lösen.

* Aus: junge Welt, 25. März 2010

Aus einem Guardian-Bericht über Milibands Entscheidung:

"Israel was responsible for misuse of British passports"

(...) David Miliband said today that there was "compelling evidence" that Israel was responsible for misuse of British passports as part of a plot to kill a prominent member of Hamas.

The foreign secretary confirmed that Britain had demanded the withdrawal of an Israeli diplomat following the "intolerable" use of 12 forged British passports by a hit squad that killed the founder of Hamas's military wing in Dubai.

Miliband attacked the "profound disregard" for UK sovereignty and said the apparent involvement of a friendly nation "added insult to injury".

Israel's ambassador to London, Ron Prosor, said he was "disappointed by the decision of the British government", but pledged that the two countries would retain close ties. "The relationship between Israel and the United Kingdom is of mutual importance," he said.

Miliband's statement will be seen around the world as the first definitive allegation from a western government of Israeli responsibility for the murder of Mahmoud al-Mabhouh in a Dubai hotel in January.

Today's developments follow an inquiry by the Serious and Organised Crime Agency (Soca).

Mliband said inquiries were still under way in other countries and that it would not be appropriate for "legal and other reasons" to release the Soca report in full.

But he said that, given the quality of the forgeries, it was "highly likely" that they were made by a state intelligence service.

"This, together with other enquiries, and the links to Israel established by Soca, [means] we have concluded that there are compelling reasons to believe that Israel was responsible for the misuse of British passports," Miliband told MPs in a statement this afternoon.

Miliband said the UK government took the matter extremely seriously and had written to the Israeli administration seeking assurances that such misuse would never happen again.

The misuse of UK passports not only presented a hazard to British nationals in the region but also represented a "profound disregard" for the sovereignty of the United Kingdom, the foreign secretary said.

"The fact that this was done by a country that is a friend with significant diplomatic, cultural, business and personal ties to the UK only adds insult to injury. No country or government could stand by in such a situation."

Miliband told MPs that the Soca report had been studied by the prime minister and was presented to the cabinet earlier today.

Soca had conducted an "extremely professional" investigation and all requests had been met by the Israeli authorities, he said.

The evidence showed beyond "any doubt" that none of the 12 British citizens involved were anything other than wholly innocent victims of identity theft, the foreign secretary added.

Biometric passports that would be considerably more difficult to counterfeit have now been issued to all but one of the British citizens, he added.

Miliband also said the Foreign Office's travel advice for Israel would be amended to highlight the risk of papers being cloned, and how that could be minimised.

A total of 12 British passports are alleged to have been forged. An initial six had the names of Michael Barney, James Clarke, Stephen Hodes, Jonathan Louis Graham, Paul John Keeley and Melvyn Mildiner. (...)

Source: www.guardian.co.uk, Tuesday 23 March 2010




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