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Nahost: US-Diplomaten geben sich die Klinke in die Hand

Von Karin Leukefeld *

In Tel Aviv geben sich US-Politiker derzeit die Klinke in die Hand. Auf US-Verteidigungsminister Robert Gates, der am Dienstag (28. Juli) nach einer Begegnung mit Israels Premier Benjamin Netanjahu nach Bagdad weiterflog, folgte nun der Sonderbevollmächtigte von US-Präsident Barack Obama für den Nahen Osten. George Mitchell hatte zuvor in Damaskus erklärt, Obama sei entschlossen, »einen wahrhaften und nachhaltigen arabisch-israelischen Frieden zu vermitteln«. Gemeint sei »Friede zwischen den Palästinensern und Israelis, zwischen Syrien und Israel und zwischen Libanon und Israel«, so Mitchell weiter.

Vorgeblich um dieses ehrgeizige Unterfangen zu erreichen, schickte Obama seine hochrangigen Vermittler in die Region. George Mitchell genießt bei vielen Arabern einen relativ guten Ruf. Seine auch am Dienstag in Tel Aviv wiederholte Forderung nach Einstellung des israelischen Siedlungsbaus wurde zumindest von der Palästinensischen Autonomiebehörde und deren Präsidenten Mahmud Abbas als Rückenstärkung verstanden. Auch Syrien reagierte positiv auf die Botschaften, die Mitchell dort vortrug.

Doch Netanjahu zeigte sich weiter unbeeindruckt und verkündete im Anschluß an die Gespräche mit den US-Amerikanern, daß ein »natürliches Wachstum« der jüdischen Siedlungen unverzichtbar sei. US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte ihm zuvor weitere militärische Unterstützung zugesagt – und ist ansonsten mit der Entwicklung im Irak beschäftigt.

In der Vergangenheit hatten bereits der Nationale Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten, James Jones, und Iran-Beauftragter Dennis Ross verdeutlicht, daß es bei der diplomatischen US-Offensive zwar durchaus darum geht, Druck zu erhöhen, aber nicht auf Israel. Insbesondere Syrien wird gedrängt, die Kontakte zu Hamas, Hisbollah und Iran zu verändern und die US-Truppen im Irak zu unterstützen. Insgesamt deutet vieles deutet darauf hin, daß es bei den diplomatischen US-Vorstößen im Mittleren Osten nicht tatsächlich um einen Frieden zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn geht. Vielmehr werden von den Aktivitäten die Angriffsvorbereitungen Israels auf den Iran verdeckt.

Arabische Kommentatoren wie Izzedin Al-Darwish von der syrischen Tageszeitung Teshreen beschreiben die Nahostpolitik des US-Präsidenten als »widersprüchlich«. Solange Israel nicht bereit sei einzulenken, und die USA keinen Druck auf Israel ausüben, »ergeben die Friedensbemühungen keinen Sinn«. Die entscheidenden Forderungen an Tel Aviv werden bei den aktuellen diplomatischen Bemühungen Washingtons nicht gestellt: Siedlungen auflösen, den Mauerbau stoppen, die Grenzen zum Gazastreifen öffnen, die Checkpoints abbauen, den Golan zurückgeben und schließlich auch seine Atomwaffen verschrotten.

* Aus: junge Welt, 29. Juli 2009


Kluft zwischen USA und Israel bleibt

Vorsichtiger Optimismus nach den Gesprächen Mitchell–Netanjahu in Jerusalem **

Der US-Nahostgesandte George Mitchell und Israels Premier Benjamin Netanjahu haben sich optimistisch über mögliche Fortschritte beim Nahost-Friedensprozess geäußert.

Bei einem knapp dreistündigen Treffen in Jerusalem sprachen Mitchell und Netanjahu am Dienstag (28. Juli) auch über die US-Forderung nach einem vollständigen israelischen Siedlungsstopp in den Palästinensergebieten. Die Palästinenser verlangen ein Ende aller Siedlungsaktivitäten als Bedingung für eine Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit Israel. Netanjahu berichtete nach der Unterredung mit Mitchell von Fortschritten, nannte jedoch keine Einzelheiten. »Es war ein sehr wichtiges und produktives Gespräch, und wir werden die Bemühungen fortsetzen, Frieden und Sicherheit zwischen uns und unseren Nachbarn, den Palästinensern, und in der gesamten Region zu erzielen«, sagte Netanjahu. »Ich denke, wir werden am Ende Erfolg haben.« Mitchell sprach ebenfalls von »guten Fortschritten«. Er hoffe, man werde bald den Punkt erreichen, »an dem wir alle voranschreiten können, um einen umfassenden Frieden zu schaffen«. Mitchell hatte zuvor mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gesprochen.

Der US-Nahostgesandte hatte Abbas mitgeteilt, es gebe immer noch eine Kluft zwischen Israel und den USA in der Haltung zum Nahostkonflikt. Es sei noch kein Kompromiss in der Siedlungsfrage erzielt worden. US-Präsident Barack Obama verlangt einen kompletten Baustopp für jüdische Siedlungen in den besetzten Palästinensergebieten. Netanjahu will ein »natürliches Wachstum« der Siedlungen auch weiterhin ermöglichen, ist aber zur Räumung von – selbst nach israelischer Anschauung illegalen – Außenposten bereit.

Das Treffen zwischen Mitchell und Netanjahu hatte bereits vor Wochen in Paris stattfinden sollen, war aber mangels Fortschritten in der Siedlungsfrage verschoben worden. Mitchell hatte am Montag dem israelischen Präsidenten Schimon Peres erklärt, es handele sich um »Gespräche unter Freunden«, die ein gemeinsames Ziel verfolgten. Er verlangte von den arabischen Staaten, die Beziehungen zu Israel zu normalisieren. Die Palästinenser müssten ihre Sicherheitspolitik forcieren. Israel müsse die Restriktionen für Palästinenser lockern und die Siedlungsfrage in den Griff bekommen. Noch am Montag hatte der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erekat die israelischen Pläne, illegale Siedlungs-Außenposten aufzulösen und die Bewohner auf andere Siedlungen im Westjordanland zu verteilen, scharf kritisiert. »Was ist gewonnen, wenn man einige Menschen von einer illegalen Siedlung auf die andere verteilt«, fragte er.

** Aus: Neues Deutschland, 29. Juli 2009

Sprachliche Kühnheiten

Von Roland Etzel ***

Der patriotische Israeli ist vielleicht stolz darauf: Sein Staat ist der einzige, dessen Politiker dem amtierenden US-Präsidenten immer wieder folgenlos das Wort im Munde herumdrehen. Auch gestern wieder. Bei seiner als historisch bezeichneten Rede an die Muslime der Welt hatte Barack Obama Anfang Juni zur israelischen Siedlungspolitik auf palästinensischem Land gesagt: »Die Vereinigten Staaten akzeptieren nicht die Rechtmäßigkeit der fortgesetzten israelischen Siedlungstätigkeit. Diese Bebauung verletzt vorhergehende Abkommen und untergräbt Bemühungen, Frieden zu erlangen. Es ist Zeit für ein Ende dieser Siedlungen.«

Unmittelbar vor dem heutigen Termin des US-Nahostvermittlers bei der israelischen Regierung meldete sich nun Benjamin Ben-Eliezer als Obama-Interpret. Das israelische Kabinettsmitglied für Arbeit und Industrie, besser bekannt als Sharons Kriegsminister und Befürworter gezielter Liquidationen von Palästinensern, verkündete, der Siedlungsbau im Westjordanland werde weitergehen und die USA begännen, dies zu verstehen. Man darf gespannt sein, ob der US-Gesandte Mitchell dies gehört haben will.

Ben-Eliezer geht - wie sein Premier Netanjahu und auch die Mehrheit der israelischen Medien - davon aus, dass Mitchell zu dieser sprachlichen Kühnheit entschlossen schweigt - und wird dies als Sieg werten.

*** Aus: Neues Deutschland, 28. Juli 2009 (Kommentar




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