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Manifest der 25 "antiisraelisch"?

Bundesregierung weist die Erklärung der 25 Professoren zurück - Unverhohlene Drohungen gegen kritische Wissenschaftler

Am 15. November 2006 veröffentlichte die "Frankfurter Rundschau" auf ihrer Dokumentationseite das "Manifest der 25", eine ausführliche Stellungnahme renommierter deutscher und österreichischer Friedensforscher und Nahostexperten zu den "besonderen Beziehungen" zwischen Deutschland und Israel. Der Veröffentlichung der Langfassung des "Manifests" auf unserer Website folgten zahlreiche teils wütende Reaktionen, die wir so nicht erwartet hatten, zumal das Manifest der Wissenschaftler/innen sehr ausgewogen argumentierte und den Standpunkten aller im Nahostkonflikt beteiligten Seiten Gerechtigkeit zuteil werden ließ. Es waren drei Ebenen, auf denen die Kritik geäußert wurde:

  1. Eine scheinbar sachliche Kritik, die sich mit einzelnen Punkten des Manifests auseinandersetzte, am Ende aber doch immer bei der generellen Infragestellung des Ansatzes der Wissenschafler landete. So hieß es etwa in einem längeren Schreiben:
    Ich zitiere aus dem "Manifest". Der 11. September 2001 hat endgültig klar gemacht, dass wir uns auf dem Weg in einen neuen hochexplosiven Ost-West-Konflikt befinden, der weitaus schwerer unter Kontrolle zu halten sein wird als der alte mit seinen streng zentralisierten und verlässlichen Kommandostrukturen. Obwohl der transnationale Terrorismus viele Quellen hat, ist unverkennbar, dass eine Hauptquelle der zunehmenden terroristischen Energie der ungelöste Nahostkonflikt ist.
    Falsch. Wir befinden uns mitten im Dritten Weltkrieg, mitten in einer Auseinandersetzung zwischen Islamisten und "Ungläubigen", zwischen einer im Mittelalter verharrten Denkens- und Glaubensstruktur und der Moderne.
    Zum letzten Absatz des "Manifests":
    Der Libanonkrieg wurde nicht zwischen Israel und einem anderen Staat geführt. Sondern zwischen Israel und einer Terrororganisation, die von zwei Staaten - nämlich Iran und Syrien - gesteuert wird. Dieser spezielle Krieg ist nur ein Teil des Nahost-Konflikts. Gemeint aber war die gesamte westliche Welt, auch Europa. Schlussendlich haben Sie einen Faktor in Ihrem "Manifest" gar nicht berücksichtigt: Den Holocaust-Leugner und Hitler-Verehrer Ahmedineschad.
  2. Eine Polemik, die sich - ohne groß zu argumentieren - auf die eigene Erfahrung mit Israel bzw. den Palästinensern beruft:
    Ziemlich unteres Level anti-israelischer Polemik, die Sie da auf Ihrer Homepage als selbsternannte Friedensforscher verbreiten. Es wäre doch für die Allgemeinheit sinnvoller, mal was nützliches zu tun anstelle auf anderen und deren sogenannten Fehlern rumzuhacken. Falls von Ihrem Verein schon jemand in Israel war und sich nicht nur mit Hamas und Co. getroffen hat und sich die sogenannten Leiden der ach so armen und geplagten Palästinensern angesehen hat, dann hätten Sie sehr schnell ein anderes Bild von der Wirklichkeit.
  3. Eine dritte Ebene versucht erst gar nicht zu argumentieren, sondern holt zum finalen Schlag aus:
    Ihr wart Antisemiten, Ihr seid Antisimiten, Ihr bleibt Antisemiten.
    Wieviel Blutgeld des jüdischen Volkes hat jeder der unterzeichten "Professoren" von den arabischen Mördern bekommen.
    Aber keine Sorge , wir wissen uns zu verteidigen. Ihr kriegt den ersten atomaren deutsch-arabischen Holocoust.
Die folgende Kritik - es handelt sich um eine Besprechung auf der Internetseite "www.israelnetz.de" - hebt sich rein äußerlich von den genannten Polemiken ab. Ob sie indessen überzeugen kann, muss die Leserschaft entscheiden. Interessant ist die Mitteilung, dass sich die Bundesregierung von dem Inhalt des "Manifests distanziert habe. Der Artikel gipfelt schließlich in dem Satz: "Die Unterzeichner des Manifestes gehören Einrichtungen an, die vom deutschen Staat finanziert werden." Wenn das etwa heißen soll, dass Wissenschaftler, die vom "deutschen Staat finanziert werden", nur noch das zu vertreten haben, was der deutsche Staat in Gestalt seiner jeweilige Regierung für richtig hält, dann haben die Kritiker von "Israelnetz" zumindest ein gestörtes Verhältnis zur Freiheit der Wissenschaft.
Da in unserem Verständnis von Wissenschaftsfreiheit auch gehört, abweichende Meinungen zu Wort kommen zu lassen, dokumentieren wir im Folgenden die Kritik aus "Israelnetz", wozu wir im übrigen deren freundliche Genehmigung erhalten haben.



Bundesregierung weist antiisraelisches "Manifest" deutscher Akademiker zurück

FRANKFURT / TEL AVIV (inn) - Ein einseitiges anti-israelisches Manifest haben 25 deutsche Akademiker am Mittwoch in der "Frankfurter Rundschau" veröffentlicht - darin wird ausschließlich Israel für den Nahostkonflikt verantwortlich gemacht. Die Bundesregierung hat sich von dem Schriftstück distanziert.

Unter dem Titel "Manifest der 25" wollten die Akademiker darlegen, "warum die besonderen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel überdacht werden müssen". Sie rufen darin die Bundesregierung dazu auf, Israel wegen des Holocausts nicht mehr besonders zu behandeln, sondern die Palästinenser ebenso zu begünstigen.

Dies ist erstmals der Versuch einer Gruppe von deutschen Akademikern, die überwiegend aus Politologen, Historikern und Soziologen besteht, die deutsche Haltung gegenüber Israels trotz des Holocausts zu ändern. Unter den Unterzeichnern sind Professoren der wichtigsten deutschen Universitäten, sieben von ihnen aus dem Bundesland Hessen. Viele von ihnen sind bekannt für ihre Israel-kritische Ansichten. Unter den Unterzeichnern sind Udo Steinbach, Direktor des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg, Erich Schmidt-Eenboom, Leiter des Forschungsinstituts für Friedenspolitik in Weilheim, Wolfram Wette, Professor für Neueste Geschichte an der Universität Freiburg und Werner Ruf, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Kassel.

"Steht Deutschland aufgrund des Holocaust wirklich nur bei Israel in der Pflicht im Nahen Osten?", fragten die Unterzeichner. Außer Frage stehe indes, "dass angesichts der weltweit historischen Einzigartigkeit des Holocaust das Verhältnis der nicht-jüdischen Deutschen zu Juden, zu allen, die sich als solche verstehen, ein einmaliges" sei. Dieses müsse "von besonderer Zurückhaltung und besonderer Sensibilität geprägt" sein. Was jedoch die "Freundschaft" zu Israel angehe, müsse diese keine "besondere" sein.

"Israel folgt dem Prinzip der Kollektivhaftung und der Vergeltung"

Freunde müssten "einander aus Sorge um das Wohlergehen des anderen auch vor Fehlern, Fehlentscheidungen und Fehlhaltungen warnen". Die Reaktion Israels auf die Tötung und Entführung von israelischen Soldaten durch die Hisbollah, nämlich die Bekämpfung dieser Gruppe im Südlibanon, sei dem "Prinzip der Kollektivhaftung" gefolgt.

Die Unterzeichner begründen dies mit "der Zerstörung eines Großteils der Infrastruktur des Libanon inklusive der Wasser-, Elektrizitäts- und Ölversorgung sowie des Tourismus durch einen Ölteppich vor der Küste, Vertreibung der Bevölkerung aus dem Südlibanon, bewusste Inkaufnahme hoher ziviler Opfer, Verweigerung humanitärer Korridore zur Versorgung derjenigen, die nicht fliehen konnten, vollständige Zerstörung der Schiitenviertel in den libanesischen Städten, wochenlange Blockade der Küste und der Flughäfen und Einsatz von Streubomben". Dies alles sei eine "massive Vergeltung" von Seiten Israels. Zudem habe der Libanonkrieg "den Gegensatz zwischen islamischer und westlicher Welt im Nahen Osten weiter angeheizt". Den terroristischen Charakter der Hisbollah, die Anschläge in Israel durchführte und Terror-Zellen in den Palästinensergebieten unterstützt, erwähnt das Dokument indes nicht.

Im Übrigen habe erst die Judenverfolgung in Europa die Juden dazu veranlasst, nach Israel zu gehen, und dies sei der Grund für die Spannungen mit den dort lebenden Arabern: "Es ist der Holocaust, der das seit sechs Jahrzehnten anhaltende und gegenwärtig bis zur Unerträglichkeit gesteigerte Leid über die Palästinenser gebracht hat. Das ist nicht dasselbe, als hätte das Dritte Reich einen Völkermord an den Palästinensern verübt. Aber zahllose Tote waren auch hier die Folge, das Auseinanderreißen der Familien, die Vertreibung oder das Hausen in Notquartieren bis auf den heutigen Tag."

Nicht der Terror der Palästinenser gegen Israel sei der Grund für die Konflikte, sondern die Menschenrechtsverletzungen der Israelis: "Ohne den Holocaust an den Juden würde die israelische Politik sich nicht berechtigt oder/und gezwungen sehen, sich so hartnäckig über die Menschenrechte der Palästinenser und der Bewohner Libanons hinwegzusetzen, um seine Existenz zu sichern." Zudem seien Selbsmordattentate "ja nicht von Muslimen erfunden worden".

Die Unterzeichner schlussfolgern daraus: "Der seit nunmehr fast sechs Jahrzehnten andauernde, immer wieder blutige Nahostkonflikt hat unbestreitbar eine deutsche und in Abstufungen eine europäische Genese." Daher habe nicht nur Israel "Anspruch auf besondere Aufmerksamkeit, Zuwendung und freundschaftliche Kritik Deutschlands (und Europas)". Deutschland habe auch "eine Mitverantwortung für die Lebensbedingungen und eine selbstbestimmte Zukunft des palästinensischen Volkes".

Deutsche Botschaft: "Freundschaft zu Israel bleibt besonders"

Ein Sprecher der deutschen Botschaft in Tel Aviv distanzierte sich am Donnerstag vom Manifest, berichtet die Tageszeitung "Jerusalem Post". "(Das Maifest) spiegelt in keiner Weise die Position der deutschen Regierung wider. Die Position der deutschen Regierung achtet die besondere Beziehung zu Israel, daran hat sich nichts geändert."

Grund dafür sei vor allem der Holocaust. "Wir akzeptieren vollständig, dass das deutsche Volk und die deutsche Regierung aufgrund der Shoah eine besondere Verantwortung gegenüber dem Staat Israel haben." Alle führenden deutschen Politiker würden diese Haltung vertreten und hätten dies in den vergangenen Jahren immer wieder deutliche gemacht. "Es gibt keine Möglichkeit, dass Deutschland ein neues Deutschland wird, wenn wir diese besondere Beziehung nicht akzeptieren. Unsere Beziehung zu Israel ist eine der Grundsäulen unserer Außenpolitik."

Die Unterzeichner des Manifestes gehören Einrichtungen an, die vom deutschen Staat finanziert werden. (js)

Quelle: Israelnetz, 17.11.2006; www.israelnetz.de

Noch einmal:
Das hier kritisierte, auch von uns mitgetragene "Manifest der 25" befindet sich hier:
Freundschaft und Kritik
Warum die "besonderen Beziehungen" zwischen Deutschland und Israel überdacht werden müssen. Das "Manifest der 25"


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