Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Keine Differenzen

Enge Zusammenarbeit Washingtons mit Israel beim Vorgehen gegen Iran. Weiter Kriegsvorbereitung in Golfregion

Von Knut Mellenthin *

US-Außenministerin Hillary Clinton hat sich bei einem Besuch in Israel auffallend negativ über die Atomgespräche mit dem Iran geäußert. Nach ihren Treffen mit Premierminister Benjamin Netanjahu und anderen israelischen Spitzenpolitikern sagte Clinton, die von den Iranern präsentierten Vorschläge seien »non-starters«, also von Anfang an indiskutabel. Eine Begründung für dieses Urteil lieferte die Chefin des State Departments nicht. Ihre Einschätzung entspricht nicht den veröffentlichten Äußerungen aus der mit Teheran verhandelnden Sechsergruppe, zu der neben den USA auch Rußland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland gehören.

Clinton, die erstmals seit 2010 wieder in Israel weilte, war demonstrativ bestrebt, ihren Gastgebern Freude zu machen. So hob sie die absolute Übereinstimmung zwischen Washington und Jerusalem hinsichtlich des Vorgehens gegen Iran hervor und wies auf die »engen«, »nahezu täglichen« Beratungen beider Regierungen über dieses Thema hin. Bei ihren Begegnungen am Montag habe man »über konkrete Schritte gesprochen, die wir unternehmen können, um den Druck weiter zu verstärken«. Die USA blieben dem Ziel verpflichtet, »eine breite Koalition zu schaffen und aufrechtzuerhalten, um Iran die Fähigkeit zum Erwerb von Atomwaffen zu verwehren«. Um das zu erreichen, »setzen wir alle Elemente amerikanischer Macht ein«.

Nach Angaben aus israelischen Regierungskreisen forderte Clinton ihre Gesprächspartner auf, der Palästinenserführung unter Präsident Mahmud Abbas »neue Anreize anzubieten«, um eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zu erleichtern. Israelische Medien brachten diesen Vorstoß der Außenministerin in Zusammenhang mit einer Umfrage, derzufolge die Unterstützung für Hamas im besetzten Westjordanland zum ersten Mal seit vielen Jahren im Zunehmen sei.

Israel war die letzte Station in einer der längsten Rundreisen, die die US-Außenministerin seit Beginn ihrer Amtszeit unternommen hatte. Zuvor hatte sie am 6. Juli in Paris an einem Treffen der »Freunde des syrischen Volkes«, am 8. Juli an einer Afghanistan-Konferenz in Tokio und am 11. Juli an einer Tagung des südostasiatischen Staatenbündnisses ASEAN in der kambodschanischen Hauptstadt Pnom Penh teilgenommen. Außerdem hatte sie Afghanistan, die Mongolei, Vietnam, Laos – als erster US-Außenminister seit 57 Jahren – und Ägypten besucht.

Wie das Wall Street Journal am Dienstag meldete, verstärken die USA ihre kriegsvorbereitenden Maßnahmen in der Region rund um den Iran. Dem Bericht der weit rechts stehenden Tageszeitung zufolge läßt das Pentagon an einem geheimgehaltenen Ort in dem kleinen Emirat Katar am Persischen Golf eine Radarstation errichten. Sie soll Teil des gegen Iran gerichteten Raketenabwehrsystems werden. Darüber hinaus planen die US-Streitkräfte in der Region laut Wall Street Journal eine Minenräum-Übung, die im September stattfinden soll. Die Navy hat in den vergangenen Monaten die Zahl ihrer Minensuchschiffe am Golf von vier auf acht verdoppelt.

Bereits am Montag hatte das US-Kriegsministerium bekanntgegeben, daß der Flugzeugträger John C. Stennis im Spätsommer, vier Monate früher als bisher vorgesehen, in den Mittleren Osten verlegt werden soll. Die Stennis war von dort erst Anfang März nach einem siebenmonatigen Aufenthalt in die USA zurückgekehrt. Durch den außerplanmäßig vorgezogenen nächsten Einsatz am Golf verkürzt sich die Zeit, die die Besatzung regulärerweise in der Heimat zubringen könnte. Die Maßnahme soll nach Aussagen des Pentagon sicherstellen, daß nahezu kontinuierlich zwei Flugzeugträger in der Region stationiert sind. Derzeit sind das die Abraham Lincoln und die Enterprise, die schon seit 1961 fährt und nach diesem Einsatz Endes des Jahres aus dem Dienst genommen werden soll.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 18. Juli 2012


Alle Elemente von Amerikas Macht nutzen

Clinton in Israel: Iranische Atomwaffe wird verhindert **

US-Außenministerin Hillary Clinton hat bei einem Besuch in Israel die Entschlossenheit Washingtons zum Stopp des iranischen Atomprogramms betont. »Wir werden alle Elemente von Amerikas Macht benutzen, um Iran am Erwerb einer Atomwaffe zu hindern«, sagte Clinton bei einer Pressekonferenz in Jerusalem nach Gesprächen mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Staatspräsident Schimon Peres.

Zugleich warf sie Teheran vor, bei den Verhandlungen in Istanbul mit der 5+1-Gruppe der fünf UN-Vetomächte und Deutschland bisher keine umsetzbaren Vorschläge präsentiert zu haben. »Ich habe es sehr deutlich gemacht, dass die Vorschläge, die wir bisher von Iran in den 5+1-Verhandlungen gesehen haben, nicht umsetzbar sind«, erklärte Clinton. Die USA stehe in »enger Beratung« mit Israel über Möglichkeiten zur Erhöhung des Drucks auf Teheran.

Netanjahu hatte zuvor bei den Gesprächen mit Clinton die Wichtigkeit der Bewahrung des 1979 geschlossenen Friedensabkommens mit Ägypten betont. Er sei ungeduldig, Clintons Eindrücke aus Ägypten zu erfahren. Clinton hatte am Wochenende Ägypten besucht und dort den neuen islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi sowie den Präsidenten des Obersten Militärrates, Hussein Tantawi, getroffen.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 18. Juli 2012


Paradigmenwechsel

Clinton beschwört Bündnis mit Israel

Von Werner Pirker ***


Angesichts der Umwälzungen in der arabischen Welt müßten ihre Länder eng zusammenstehen, sagte US-Außenministerin Hillary Clinton anläßlich ihres Kurzbesuches in Israel. Sie sprach von einer »Zeit der Ungewißheit, aber auch der Gelegenheiten« und gab damit der ambivalenten Haltung Ausdruck, die Washington gegenüber dem arabischen Aufruhr einnimmt. War es schon für die Obama-Administration nicht einfach, sich von Spießgesellen wie Mubarak rechtzeitig abzusetzen und sich zum Fürsprecher des Wandels zu wandeln, so versuchte die Netanjahu-Regierung, ihre Abscheu über die Anmaßungen der arabischen Straße erst gar nicht zu verbergen.

Die arabische Demokratie, meinte man zu wissen, verheiße für Israel nichts Gutes. Weil sich der zionistische Staat in seinem Selbstverständnis als »einzige Demokratie im Nahen Osten« herausgefordert sah und er zudem befürchten mußte, daß sich die arabische Demokratiebewegung nicht nur gegen die eigenen Despoten, sondern auch gegen das amerikanisch-israelische Machtdiktat richten würde. Nach dem Etappensieg der Volksaufstände in Tunesien und Ägypten vermochten es die Hegemonialmächte, die Kontrolle über die arabischen Ereignisse weitgehend zurückzugewinnen, indem sie Aufstände in Ländern, die sich der westlichen Vorherrschaft nicht vollends unterworfen hatten, zu unterstützen begannen. Eine »Arabellion« aber, die fremdbestimmt ist und ihre Erfüllung in einer westlichen Militärintervention zu finden meint, ist das Gegenteil ihrer selbst.

Es hat einige Zeit gedauert, bis auch die israelische Regierung die Vorteile der Obama-Strategie zu begreifen vermochte. In Assad sahen die Israelis einen berechenbaren Gegner, der zwar die Annexion der Golan-Höhen niemals akzeptieren würde, ohne freilich eine gewaltsame Veränderung des Status quo anzustreben. Was ein Regimewechsel im israelisch-syrischen Verhältnis bewirken könnte, erschien hingegen als ungewiß. Die Gelegenheiten, die sich aus der Zerschlagung der »Achse des Widerstandes« – Hisbollah, Syrien, Iran – ergeben könnten, haben die Netanjahu-Regierung dann aber doch dazu bewogen, sich in die Anti-Assad-Front einzureihen.

Mit Nachdruck beschwor Clinton die israelisch-amerikanische Komplizenschaft. Das schließt von Washington nicht sanktionierte Tel Avivs Alleingänge, womit die israelische Führung zuletzt immer wieder gedroht hat, aus. Israel ist mittlerweile an einem Sturz des Baath-Regimes in Damaskus durchaus interessiert, weil das die strategische Position Teherans empfindlich schwächen würde. Offenkundig ist auch das gemeinsame Interesse von Zionisten und saudischen Wahabbiten – Al Qaida hin, Dschihadisten her – an einer Zerschlagung der Islamischen Republik Iran. Eine offene Parteinahme der Israelis für die syrischen Rebellen, einschließlich ihrer islamistischen Terrorbanden, erwiese diesen indes einen schlechten Dienst.

*** Aus: junge Welt, Mittwoch, 18. Juli 2012 (Kommentar)


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