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Golan-Höhen im Blickfeld

Kriegsvorbereitungen, Geheimgespräche Syrien–Israel oder beides?

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem *

Die Berichte über den Entwicklungsstand der Beziehungen zwischen Israel und Syrien widersprechen einander. Sicher ist im Moment nur: Es gibt Bewegung im Verhältnis zwischen den beiden verfeindeten Staaten.

Sie sind eine öde, weite Gegend, von der man bis nach Damaskus, Haifa, ja selbst zum fernen Tel Aviv blicken kann, wenn das Wetter gut ist. So können Israelis sehen, wie sich auf der anderen Seite des Zaunes, vermutlich außerhalb der entmilitarisierten Zone, syrische Militärfahrzeuge bewegen, und Syrer können beobachten, wie israelische Truppen für den Ernstfall trainieren.

Denn die Golan-Höhen, dieses 1967 von Israel eroberte öde, weite Land, in dem es mehr Kühe als Menschen gibt, und wertvolles Wasser, machen wieder einmal Schlagzeilen: Es bestehe die große Gefahr eines syrischen Angriffs, heißt es in diesen Tagen in den israelischen Medien immer wieder. Israel werde angreifen, sagt die Presse in Syrien vorher.

»Alles Quatsch«, schimpfte Israels Verteidigungsminister Ehud Barak, als er sich am Dienstag während eines Manövers auf dem strategisch wichtigen Flecken Erde von einem General irgendetwas in der Ferne zeigen ließ. »Wir bereiten keinen Angriff auf Syrien vor, Syrien bereitet keinen auf uns vor.«

Aber so klar ist die Lage nicht. Der Militärgeheimdienst ließ dem israelischen Fernsehsender Kanal Zwei vor Tagen von einer Quelle ausrichten, man wisse noch gar nicht, welcher Gemütslage Syriens Präsident Baschar al Assad im Moment sei, ob er seine Angebote zu Gesprächen über einen Friedensschluss ernst meine und ob er es riskieren werde, sich im Falle eines Scheiterns solcher Gespräche wenigstens einen Teil der Golan-Höhen mit Gewalt zurückzuholen. In Damaskus wird derweil gerätselt, ob es überhaupt sinnvoll ist, sich mit Israels Regierungschef Ehud Olmert an einen Tisch zu setzen, weil der ja möglicherweise in ein paar Monaten schon nicht mehr im Amt ist, so dass eine eventuelle Einigung am Verhandlungstisch den Weg allen Altpapiers nehmen würde. Denn erwartet wird, dass in solchem Falle in Israel eine rechtskonservative Regierung unter Führung des Likud-Blocks das Ruder übernähme.

Das Problem dabei: »Der Libanon-Krieg ist auch an Assad nicht spurlos vorübergegangen«, sagt ein syrischer Journalist, der darum bittet, seinen Namen nicht zu nennen. »Der Islamismus der Hisbollah und Irans macht ihm Angst. Er fürchtet, dass die islamistische Opposition in Syrien die Stärke der Hisbollah nutzen könnte, um gegen seine Regierung vorzugehen. Assad braucht deshalb etwas, um seine Position zu stärken, und die Rückerlangung der Golan-Höhen wäre dafür genau das Richtige.«

Die Kriegsgefahr sei dadurch allerdings nicht gestiegen, glaubt er, und schließt sich damit der Einschätzung des israelischen Generalstabs an: Assad wolle die Golan-Höhen zurück und einen Frieden mit Israel, weil er sein Land nur dadurch aus dem Dunstkreis von Iran und Hisbollah befreien und den Anschluss an den Westen finden könnte, den man in Damaskus als notwendig für die wirtschaftliche Entwicklung erachte.

Darauf scheint derzeit auch die russische Außenpolitik aufzubauen: Durch die Einrichtung einer Marinebasis an der syrischen Mittelmeerküste will Moskau es sowohl für Israel als auch für Syrien schwieriger machen, Krieg gegeneinander zu führen. Denn ein israelischer Angriff auf diese Basis – ob versehentlich oder mit Absicht – könnte einen solchen Krieg schnell zu einer unberechenbaren Angelegenheit machen.

Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – kann man in Israel dem russischen Engagement vorteilhafte Seiten abgewinnen. »Russland kann seine alten Verbindungen zu Syrien nutzen, um es in einen diplomatischen Prozess zu lotsen, von dem wir alle profitieren«, heißt es aus dem Außenministerium, »Dazu wären weder die USA noch die Europäische Union fähig.«

* Aus: Neues Deutschland, 16. August 2007


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