Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Echte Untersuchung

Israel erlaubt Beteiligung von ausländischem Spezialisten an Überprüfung der Todesumstände von palästinensischem Gefangenen. Hungerstreik ausgesetzt

Von Karin Leukefeld *

Tel Aviv will der Bitte der palästinensischen Regierung nach einer unabhängigen Untersuchung des Todes eines palästinensischen Gefangenen nachkommen, der am vergangenen Sonntag in israelischer Haft ums Leben gekommen war. Das meldete die palästinensische Nachrichtenagentur Maan News am Freitag unter Berufung auf Palästinas Innenminister Hussein Al-Scheich. Seinen Angaben zufolge soll ein ausländischer Mediziner die Umstände des Todes von Arafat Dscharadat überprüfen.

»Das ist das erste Mal, daß Israel zustimmt, daß ein nicht-israelischer Arzt an einer Angelegenheit im Zusammenhang mir Palästinensern in israelischen Gefängnissen teilnimmt«, sagte der Minister im Gespräch mit der Agentur. Wann der Mediziner eintreffen soll und um wen es sich handelt, wurde zunächst nicht bekannt.

Arafat Dscharadat war am Montag in seinem Heimatort Sair beigesetzt worden. Die vorherige Autopsie des Leichnams im Beisein israelischer Ärzte hatte Zeichen extremer Folterungen erbracht, wie Maan News unter Berufung auf den palästinensischen Minister für die Angelegenheiten der Gefangenen, Issa Qarage, berichtete. Die Behauptung der israelischen Gefängnisbehörden, wonach Dscharadat einem Herzversagen erlegen sei, bezeichnete er als falsch. Das Herz des Gefangenen sei stark gewesen, es seien keine Hinweise auf einen Schlaganfall gefunden worden.Der nur wenige Tage vor seinem Tod von israelischen Sicherheitskräften festgenommene Dscharadat habe jedoch sechs Knochenbrüche am Nacken, an der Wirbelsäule, an den Armen und Beinen gehabt, so Qarage. Er forderte, die für den Tod des Gefangenen Verantwortlichen zu identifizieren und zu bestrafen.

Dscharadats Anwalt Kameel Sabbagh hatte seinen Mandanten zuletzt am Donnerstag vor dessen Tod gesehen. Anlaß war eine richterliche Anhörung gewesen, die aber dann um zwölf Tage verschoben worden war. Dscharadat habe an dem Tag »krank und zerbrechlich« ausgesehen, erklärte Sabbagh. Dscharadat habe über »schwere Schmerzen im Rücken und an anderen Körperteilen« geklagt, weil er verprügelt und viele Stunden während des Verhörs aufgehängt worden sei. Nach der Verschiebung der Anhörung habe sein Mandat große Angst gehabt und gefragt, ob er noch einmal verhört werden würde. Der Anwalt hatte den Richter über die Folter informiert, woraufhin dieser die Untersuchung durch einen Gefängnisarzt angeordnet habe. Das sei aber nicht geschehen.

Ein Sprecher des israelischen Gesundheitsministeriums erklärte hingegen, die festgestellten Verletzungen des Gefangenen reichten nicht aus, um die Todesursache eindeutig zu belegen. Sie könnten auch daher stammen, daß ein Ärzteteam versucht habe, ihn wiederzubeleben.

Unterdessen haben zwei der vier palästinensischen Gefangenen, die sich seit 93 Tagen im Hungerstreik befunden hatten, am Mittwoch ihren Protest vorübergehend ausgesetzt. Wie die Vereinigung der palästinensischen Gefangenen (PPS) mitteilte, habe der israelische Militärankläger angekündigt, ihre Administrativhaft am 6. März nicht verlängern zu wollen. Sollten sie dann jedoch nicht freigelassen werden, würden sie ihren Hungerstreik wieder aufnehmen.

Samer Issawi und Ayman Sharawneh, die seit mehr als 200 Tagen mit einem Hungerstreik gegen ihre anhaltende Administrativhaft protestieren, verweigern dagegen weiter die Nahrungsaufnahme. Issawi war am Mittwoch aus dem Ramle-Gefängnis zu Untersuchungen in ein medizinisches Zentrum verlegt worden. Ein ziviles Gericht hatte die Freilassung von Issawi aus der Administrativhaft für den 6. März in Aussicht gestellt. Allerdings kann die Entscheidung von einem Militärrichter wieder außer Kraft gesetzt werden.

* Aus: junge Welt, Samstag, 02. März 2013


Zurück zur Israel-Seite

Zurück zur Homepage