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Israel maßregelt Militärs

Untersuchungen nach Vorwürfen im Goldstone-Bericht

Die israelische Armee hat zwei Militärs eine Rüge erteilt, weil diese mit dem Einsatz von Artilleriefeuer in Wohngebieten während des Gaza-Kriegs Menschenleben gefährdeten. Ein Armeesprecher sagte am Montag weiter, es liefen noch 150 Untersuchungen gegen israelische Soldaten.

Die israelische Armee hat Medienberichten zufolge wegen des Einsatzes von Phosphorgranaten bei der Gaza-Offensive Disziplinarstrafen gegen zwei ranghohe Offiziere verhängt. Dem Kommandeur einer in Gaza kämpfenden Einheit und dem Chef eines Infanterieregiments wird laut den Berichten vom Montag zur Last gelegt, ihre Kompetenzen überschritten zu haben, indem sie »das Leben von Zivilisten in Gefahr brachten«. In einer israelischen Antwort auf einen UN-Bericht zur Gaza-Offensive war von Disziplinarmaßnahmen gegen einen Oberst und einen General die Rede gewesen. Die Armee bestätigte die Medienberichte, allerdings ohne die Namen der Betroffenen oder die verhängten Strafen zu nennen.

In der Antwort auf den sogenannten Goldstone-Bericht hatte Israel am Freitag erklärt, die Armee habe keine Zivilisten vorsätzlich getötet. Der Bericht einer UN-Kommission unter Leitung des südafrikanischen Ex-Verfassungsrichters Richard Goldstone wirft der israelischen Armee und bewaffneten Palästinensergruppen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der Gaza-Offensive vor.

In dem UN-Bericht wurde Israel unter anderem für den Abschuss von Phosphorgranaten auf ein Gebäude des UN-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge gerügt. Der eingesetzte weiße Phosphor kann schwere Verbrennungen der Haut verursachen.

Nach einem Brandanschlag auf eine Moschee im Westjordanland sind einem Zeitungsbericht zufolge fünf jüdische Siedler unter Hausarrest gestellt worden. Wie die »Jerusalem Post« am Montag berichtete, ordnete ein Gericht in Petah Tikva bei Tel Aviv am Sonntag an, die fünf Talmud-Schüler aus der Siedlung Jitzhar aus dem Polizeigewahrsam zu entlassen. Stattdessen sprachen die Richter einen Hausarrest von 60 Tagen gegen die jungen Männer aus.

Die Siedler werden verdächtigt, Anfang Dezember in die Moschee in Jassuf im Norden des Westjordanlands eingedrungen zu sein und dort Gebetbücher und einen Teppich in Brand gesetzt zu haben. Außerdem sollen sie antipalästinensische Parolen auf den Boden geschmiert haben. Der Anschlag war von der Regierung in Jerusalem kritisiert worden. Die jüdischen Siedler in den Palästinensergebieten sind erbost über einen zehnmonatigen Baustopp für die Siedlungen im Westjordanland, der von der israelischen Regierung verhängt wurde.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Februar 2010

Dokumentiert: Erklärung des israelischen Außenministeriums

Zu den Untersuchungen zur Militäroperation in Gaza

Am 29. Januar hat das israelische Außenministerium eine 46-seitige Dokumentation veröffentlicht, die Israels Vorgehensweisen bei der Prüfung der Behauptungen von Verstößen gegen das Kriegsrecht beschreibt. Die Abhandlung konzentriert sich auf Untersuchungen, rechtliche Abläufe und gezogene Lehren in Bezug auf das Agieren der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (ZAHAL) im Laufe der Gaza-Operation vom 27. Dezember 2008 bis zum 18. Januar 2009.

Die Dokumentation ergänzt und aktualisiert ein im Juli 2009 publiziertes Schriftstück, das zu einer Reihe von sachlichen und rechtlichen Fragen hinsichtlich der Gaza-Operation Stellung nahm, wozu die tausendfachen Raketenangriffe gehören, die die Operation notwendig gemacht hatten, sowie das absichtliche Sich-Verschanzen der Hamas in Wohngebieten, was den Kampf so kompliziert und herausfordernd gemacht hat.

Israel fühlt sich der vollen Einhaltung des Kriegsrechts und der Untersuchung jedes Vorwurfs von Verstößen verpflichtet, ungeachtet der Herkunft des jeweiligen Vorwurfs. Viele der Untersuchungen, die in der Dokumentation beschrieben werden, wurden von Israel aufgrund eigener Bedenken eingeleitet. Andere wurden in Reaktion auf Beschwerden von palästinensischen Zivilisten, Nichtregierungsorganisationen oder UN- und Medienberichten eingeleitet.

Bislang haben die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte die Untersuchung von 150 unterschiedlichen Vorfällen im Rahmen der Gaza-Operation in Gang gesetzt. Von den 150 Vorfällen sind 36 zur strafrechtlichen Ermittlung weitergegeben worden. Strafrechtliche Ermittler haben Aussagen von beinahe 100 Palästinensern, Beschwerdeführern und Zeugen sowie von etwa 500 Soldaten und Offizieren der israelischen Armee aufgenommen. Bei der Lokalisierung palästinensischer Zeugen und der Ermöglichung ihrer Aussagen wird mit lokalen Nichtregierungsorganisationen zusammengearbeitet.

Israels System der Untersuchung von vermeintlichen Verstößen gegen das Kriegsrecht ist vergleichbar mit dem anderer demokratischer Staaten wie Australien, Kanada, Großbritannien oder den USA: Seine Verpflichtung und Fähigkeit zur Untersuchung und Verfolgung von Verstößen gegen das internationale Recht ist von außen stehenden Beobachtern und ausländischen Justizsystemen bekräftigt worden.

Israels Untersuchungsprozedere enthält – wie das vieler Staaten – eine Reihe von gegenseitigen Kontrollen und vielfältige Schichten der Überprüfung, um Unparteilichkeit und Unabhängigkeit zu gewährleisten. Dazu zählen das Korps des Militärgeneralanwalts, das unabhängig ist und nicht der militärischen Befehlskette untersteht; der zivile Generalstaatsanwalt, der jede Entscheidung des Militärgeneralanwalts über eine Untersuchung oder eine Anklage prüfen kann; und der Oberste Gerichtshof Israels, dessen Überprüfung jeder Entscheidung des Militärgeneralanwalts oder des Generalstaatsanwalts auf Gesuch jeglicher interessierten Partei initiiert werden kann, einschließlich von Seiten von Nichtregierungsorganisationen, Palästinensern und anderen Nicht-Staatsangehörigen.

Die Dokumentation listet den Stand all der nach der Militäroperation eingeleiteten Untersuchungen auf und beschränkt sich nicht auf den Bericht des Menschenrechtsratsuntersuchungsausschusses zum Gaza-Konflikt unter dem Vorsitz von Richter Richard Goldstone. Sie ist nicht als umfassende Zurückweisung des Menschenrechtsratsuntersuchungsausschussberichts oder als Katalog der Fehler dieses Berichts gedacht. Dennoch benennt sie einige der Ungenauigkeiten und Fehldarstellungen von Israels Untersuchungssystem.

Was die im Menschenrechtsratsuntersuchungsausschussbericht aufgeführten Vorfälle angeht, stellt die Dokumentation fest, dass Israel vor der Veröffentlichung dieses Berichts bereits 22 der 34 dort angesprochenen Vorfälle untersucht hat. Die ausstehenden zwölf Vorfälle, von denen die israelischen Behörden zuvor nicht in Kenntnis gesetzt worden waren, wurden bei Veröffentlichung des Berichts prompt zur Untersuchung weitergeleitet. Die Dokumentation beschreibt die verschiedenen Phasen der Untersuchung dieser Vorfälle.

Die Dokumentation bietet auch aktualisierte Informationen über die fünf Führungsstabsermittlungen, die der Generalstabschef der israelischen Armee nach Einstellung der Kampfhandlungen in Gaza zu den schwersten Anschuldigungen von Fehlverhalten eingeleitet hat, sowie über die sechste Sonderuntersuchung, die kürzlich aufgenommen wurde. Sie stellt fest, dass diese Führungsstabsermittlungen nicht nur die Grundlage für Untersuchungen von speziellen Vorfällen legen, sondern auch in einer Anzahl operationeller Lektionen gemündet sind, die derzeit in die Tat umgesetzt werden.

Israel erkennt die Bedeutung der zügigen Durchführung des Untersuchungsprozesses an. Gleichzeitig bleibt es der Gewährleistung verpflichtet, dass alle rechtlichen Prozesse gründlich und in ordentlichem Verfahren durchgeführt werden, und in einer Weise, die mit der anderer Staaten vergleichbar ist, die von der Achtung vor der Rechtsstaatlichkeit geleitet werden.

Die Dokumentation findet sich unter dem folgenden Link:
http://www.mfa.gov.il/NR/rdonlyres/8E841A98-1755-413D-A1D2-8B30F64022BE/0/GazaOperationInvestigationsAnUpdate.pdf

(Außenministerium des Staates Israel, 29.01.2010)

Quelle: Newsletter der Israelischen Botschaft in Berlin, 1. Februar 2010




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