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Ministerpräsident Barak zurückgetreten

Die Zeichen stehen auf Krieg

Nach 17 Monaten Regierungszeit ist der israelische Ministerpräsident Ehud Barak am Sonntag, den 10. Dezember 2000 von seinem Amt zurückgetreten. Barak überreichte am Mittag dem Staatspräsidenten Mosche Katzav sein Rücktrittsschreiben.

Am Tag davor hatte Barak seine überraschende Entscheidung in einer Fernsehansprache bekannt gegeben. Auf politische Freunde wirkte die Ankündigung wie ein Schock. Die politischen Gegner, insbesondere aus dem Lager der extremen Rechten, reagierten empört.

Nach Übergabe des Rücktrittsschreibens sagte Barak, er habe sich für Neuwahlen entschlossen, "um von der Nation ein neues Mandat für den (politischen) Weg zu suchen, den ich gehe und an den ich glaube." Angesichts der "Notlage", in der sich Israel durch den Konflikt mit den Palästinensern befinde, und weil es ihm nach der vor knapp zwei Wochen beschlossenen Auflösung der Knesset nicht gelungen sei, eine regierungsfähige Mehrheit zu finden, habe er sich zum Rücktritt entschlossen. Das israelische Parlament hatte bereits am 28. November in erster Lesung die Selbstauflösung der Knesset beschlos´sen. Nach israelischem Recht müssen Neuwahlen für das Amt des Regierungschefs jetzt innerhalb von 60 Tagen stattfinden.

Der prominente Abgeordnete der rechtsgerichteten Likud-Oartei, Silvan Schalom, nannte den Schritt Baraks "einen schmutzigen politischen Trick".

Das russische Außenministerium hat in einer ersten offiziellen Stellungnahme besorgt auf die Rücktrittserklärung des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak reagiert. Dieser Schritt verschärfe die Lage, die nicht mit innenpolitischen Manövern zu lösen sei, hieß es in Moskau.

Aus friedenspolitischer Sicht bedeutet der Rücktritt Baraks einen weiteren Schlag gegen den ohnehin schon schwer erschütterten Friedensprozess im Nahen Osten. Nicht dass Barak ein Garant des Friedens und ein Mann des Ausgleichs war - dies ist eine Legende, an der er selbst gern strickte, die aber mit seiner Politik nicht in Übereinstimmung zu bringen ist -, er versuchte aber wenigstens, den gewaltsamen Konflikt mit den Palästinensern nicht zum Krieg eskalieren zu lassen. Genau dazu scheint aber die ultrarechte Opposition im Land bereit zu sein. Ihr war schon in den letzten Wochen der Intifada das harte Vorgehen des israelischen Militärs nicht hart genug.

Die wichtigsten Stationen während Baraks Regierungszeit

17. Mai 1999: Barak gewinnt die Direktwahl für das Amt des Ministerpräsidenten gegen seinen Amtsvorgänger Benjamin Netanjahu mit 56 zu 44 Prozent.

05. Juli 1999: Barak wird als Ministerpräsident an der Spitze einer Koalitionsregierung vereidigt.

13. September 1999: Barak und Palästinenserpräsident einigen sich in Scharm el Scheich (Ägypten) auf ein Abkommen, das den 13. September 2000 als Datum für den Abschluss eines umfassenden Friedensvertrags vorsieht.

05. Januar 2000: Die israelische Armee beginnt mit der vereinbarten Übergabe von weiteren fünf Prozent des besetzten Westjordanlands an die Palästinenser.

09. März 2000: Nachdem die Landübergabe an die Palästinenser ins Stocken geraten war, treffen sich Barak und Arafat zu einem Gipfelgespräch in Scharm el Scheich.

24. Mai 2000: Nach 18-jähriger Besetzung des Südlibanon zieht sich die israelische Armee überraschend schnell hinter ihre Grenzen zurück, nachdem Verhandlungen mit Syrien über einen solchen Rückzug gescheitert waren.

15. Juni 2000: Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern über die Umsetzung des in Oslo vereinbarten Interim-Abkommens scheitern. Israel verweigert am 23. Juni die Fortsetzung des Truppenabzugs aus Gebieten im Westjordanland.

11. Juli 2000: In Camp David (USA) beginnt unter Vermittlung de US-Präsidenten Clinton eine Nahost-Gipfelkonferenz zwischen Barak und Arafat. Der Gipfel scheitert wegen der unzureichenden Zugeständnisse Israels. Barak und Clinton geben Arafat die Schuld für das Scheitern.

28. September 2000: Der ultrarechte Oppositionspolitiker Scharon besucht in provokativer Absicht den Tempelberg in Ostjerusalem. Damit löst er eine Welle der Gewalt in den Palästinensergebieten aus. Im Verlauf der Unruhen sterben bis Anfang Dezember über 300 Menschen, überwiegend Palästinenser, darunter sehr viele Jugendliche und Kinder.

17. Oktober 2000: Ein Krisengipfel zwischen Barak und Arafat unter Vermittlung Clintons führt zu einem Waffenstillstand, der in der Folge aber nicht eingehalten wird.

28. November 2000: Das israelische Parlament, die Knesset, stimmt für seine Selbstauflösung.

09. Dezember 2000: Barak kündigt in einer Fernsehansprache seinen Rücktritt an.

10. Dezember 2000: Ministerpräsident Barak tritt zurück.

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