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Irlands Linke kommt voran

Sinn Féin verdreifacht Ergebnis bei Kommunalwahlen und schickt vier Parlamentarier nach Brüssel

Von Uschi Grandel *

Die Ansage von Gerry Adams, Präsident der irischen Linkspartei Sinn Féin (SF, Wir Selbst), auf dem Parteitag Mitte Februar 2014 in Wexford war eindeutig: »Wenn wir dieses Land ernsthaft ändern wollen, muß die Linke sich um gangbare, alternative politische Konzepte zusammenschließen und dem konservativen Establishment die Stirn bieten«, forderte Adams. Diesem Ziel ist die Linke in der Republik Irland bei den Kommunal- und Europawahlen, die zeitgleich am 23. Mai 2014 stattfanden, nun einen Schritt nähergekommen.

An vielen Fronten kämpft Irlands Linke gegen eine neoliberale Regierungspolitik, die durch drastische Kürzungen im Sozialbereich und bei öffentlichen Dienstleistungen sowie durch eine Vielzahl neuer Steuern die Milliardenschulden aus der Bankenrettung und der jahrzehntelangen ­Klientelpolitik der herrschenden Elite auf die Bevölkerung abwälzt. Verarmung und Perspektivlosigkeit treiben täglich junge Leute in die Emigration. Fast 200000 Menschen haben das kleine Irland seit 2008 verlassen. Das Wahlergebnis spiegelt den wachsenden Widerstand gegen diese Politik wider. Sinn Féin, die größte der linken Oppositionsparteien, hat die Zahl ihrer Sitze in den Kommunalparlamenten auf 157 verdreifacht. Das entspricht 15,2 Prozent der Stimmen. Landesweit wurden außerdem 193 Unabhängige gewählt, 71 mehr als bei den letzten Kommunalwahlen, die meisten von ihnen mit linkem Profil. Auch kleinere linke Parteien legten zu.

Die beiden großen Parteien, die liberal-konservative Fianna Fáil (FF, Soldaten des Schicksals) und die konservative Fine Gael (FG, Stamm der Iren), die sich seit Jahrzehnten die politische Macht in der Republik teilen und abwechselnd mit kleineren Koalitionspartnern die Regierung bilden, kommen nur noch auf 24 (FG), bzw. 25,3 Prozent (FF) der Stimmen. Die in Koalition mit Fine Gael regierenden Sozialdemokraten der irischen Labour Party wurden für die Unterstützung der antisozialen Politik der Regierung von ihren Wählern abgestraft. Mit nur noch sieben Prozent verloren sie zwei Drittel ihrer Sitze. Parteichef Eamon Gilmore, Außenminister und stellvertretender Regierungschef im Kabinett von Enda Kenny, trat daraufhin am Montag zurück.

Bei den Europawahlen konnte Fine Gael zwar ihre vier Sitze retten, ihre Kandidaten lagen jedoch in allen Bezirken hinter Sinn Féin. Die Linkspartei, die bisher nur durch Martina Anderson aus Nordirland im Europaparlament vertreten war, hatte für jeden der drei Wahlbezirke in der Republik Irland einen Kandidaten aufgestellt und schickt nun vier Abgeordnete nach Brüssel. Lynn Boylan errang für Sinn Féin in Dublin mit 23,6 Prozent sogar das beste Ergebnis. In Nordirland wurde Anderson mit über 25 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Mit 24 Prozent der Stimmen wurde Sinn Féin in Nordirland auch bei den Kommunalwahlen stärkste Partei.

Die pro-britische rechte DUP, die dort mit 23 Prozent knapp hinter SF liegt, stellt dennoch mit 130 Sitzen gegenüber 105 für SF die Mehrheit der Stadt- und Gemeinderäte. Zum einen liegt das am komplexen Wahlsystem. Als Hinterlassenschaft aus Nordirlands Vergangenheit sind in den irischen Vierteln zudem noch immer mehr Stimmen nötig, um einen Sitz zu erreichen, als in den pro-britischen Gebieten. Die neue Stärke im Süden wird Sinn Féin, der einzigen gesamtirischen Partei, jedoch auch bei den Verhandlungen um die ungelösten Themen des nordirischen Friedensprozesses helfen.

* Aus: junge Welt, Freitag 30. Mai 2014


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