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Das Atom-Abkommen mit dem Iran: Sie haben es hinbekommen!

Von Farhang Jahanpour *

Endlich haben sie es hinbekommen!

Nach 36 Jahren der Feindseligkeiten zwischen dem Iran und dem Westen, 12 Jahren Nuklear-Verhandlungen, anfangs zwischen dem Iran und der europäischen Troika (Großbritannien, Frankreich, Deutschland), gefolgt von Gesprächen zwischen dem Iran und den 5+1 Staaten, haben sich die beiden Seiten verständigt auf ein Rahmenabkommen für eine abschließende, umfassende Vereinbarung noch vor Ende Juni.

Es ist klar, dass dieses Abkommen nicht die maximalen Erwartungen auf beiden Seiten erfüllt. Es wird starken Widerstand erfahren von den Hardlinern im Iran, die glauben, dass der Iran, als Mitglied des Non-Proliferationsvertrages (NPT) zu uneingeschränkten nuklearen Aktivitäten berechtigt ist, und daher werden sie die iranischen Unterhändler des Ausverkaufs iranischer Interessen beschuldigen.

Auf der anderen Seite werden der israelische Premierminister und seine Unterstützer im US-Kongress, die mit keinen Abkommen mit dem Iran einverstanden sind, das nicht eine Beendigung aller Formen der nuklearen Anreicherung im Iran verlangt hätte, selbst mit dem Risiko eines Krieges, die Obama-Regierung mit dem Vorwurf des Appeasement konfrontieren.

Es ist auch klar, dass beide Seiten ihre Minimalforderungen erreicht haben.

Der Westen kann sicher sein, dass der Iran nicht in der Lage sein wird, Nuklearwaffen zu produzieren, und das nicht nur für die nächsten zehn oder fünfzehn Jahre, sondern noch weit darüber hinaus, weil er noch auf Jahrzehnte hinaus unter der ständigen Überwachung der IAEA (Internationale Atomenergie Behörde) stehen wird.

Alle Wege zur Produktion der erforderlichen Menge von angereichertem Uran oder Plutonium für die Herstellung einer einzigen Bombe sind blockiert worden.

Die „Ausstiegsperiode“ („break out period“) die zurzeit angeblich nur zwischen zwei oder drei Monate beträgt, wird ausgedehnt auf wenigstens ein Jahr.

Das Ganze ist allerdings eher irreführend, denn selbst wenn dem Iran gestattet würde, genügend angereichertes Uran für eine einzige Bombe anzusammeln, so würde dies nicht bedeuten, dass der Iran auch tatsächlich eine Bombe herstellen könnte.

Die Herstellung einer Bombe erfordert Erstellung der Waffenfähigkeit, Miniaturisierung und vor allem Tests. Jede dieser Tätigkeiten wäre leicht zu entdecken.

Schließlich, von welchem Nutzen wäre eine einzige Bombe für den Iran, angesichts von hunderten von Atombomben Israels und tausenden der USA? Das ganze Konzept einer „Ausstiegsperiode“ war ein Ablenkungsmanöver, das von Israel und seinen Freunden in den USA eingebracht wurde, mit dem einzigen Ziel der Panikmache und der Verhinderung eines Atom-Abkommens.

Es ist klar, dass der Iran viel mehr geben musste, als er selbst im Gegenzug erhalten hat. Als NPT-Unterzeichner hätte ihm der Zugang zur vollen Breite nuklearer Aktivitäten zu friedlichen Zwecken gewährt werden sollen.

Wie Präsident Obama und Außenminister Kerry in ihren Reden erklärt haben, hat der Iran die strengsten Überwachungs-Inspektionen akzeptiert, strengere als jedes andere Mitglied des NPT. Andererseits hat der Iran seine Hauptforderung erreicht, nämlich die Möglichkeit einer begrenzten Anreicherung auf seinem eigenen Territorium und einer Fortsetzung der Forschung und Entwicklung im Bereich der Nukleartechnologie.

Durch Zustimmung zu den überzogenen Konditionen ist es ihm ebenfalls gelungen, die ungerechten erdrückenden Sanktionen aufzuheben, die ihm vom Sicherheitsrat, der EU und den USA auferlegt worden waren; allerdings ist noch nicht klar in welchem Ausmaß und innerhalb welches Zeitrahmens.

Es ist davon auszugehen, dass alle vom US-Kongress auferlegten Sanktionen nicht allzu schnell aufgehoben werden.

Die Wahrheit ist, dass beide Seiten einige Konzessionen gemacht und Opfern gebracht haben, wobei der Iran die größeren erbracht hat, im Tausch für noch ungewisse Gegenleistungen.

Allerdings war dies unter den derzeitigen Bedingungen und dem gegenwärtigen aufgeheizten Klima das beste zu erhoffende Ergebnis. Dieses Abkommen sollte als ein erstes Zeichen der Annäherung zwischen dem Iran und dem Westen begrüßt werden.

Es hat gezeigt, dass die beiden Seiten miteinander verhandeln können anstatt ständig gegenseitig die Sprache gewaltsamer Drohungen zu verwenden.

Die Hauptaufgabe besteht nun darin, sicherzustellen, dass es bis Ende Juni in ein umfassendes Vertragswerk umgesetzt werden kann. Es wird einige der Sanktionen aufheben und das Tor öffnen für verstärkte wirtschaftliche Aktivitäten zwischen dem Iran und der übrigen Welt, und in der Folge eine Verbesserung in den Leben der schwer bedrängten einfachen Iraner bewirken.

Es ermöglicht dem Iran, eine aktivere Rolle in der Regional-Politik zu spielen, wodurch einige der komplizierten Probleme gelöst werden könnten, insbesondere der Fluch des Terrorismus, der die gesamt Region im Griff hat.

Es könnte zu einer größeren Zusammenarbeit des Irans mit anderen Staaten des Nahen/Mittleren Ostens führen mit dem Ziel der Vermeidung eines desaströsen Schiiten-Sunniten Konflikts.

Aber vor allem hat es die Alternative verhindert, nämlich einen verhängnisvollen Krieg, der den Iran und die ganze Welt in Gefahr gebracht hätte.

Sicherlich, einige Kriegstreiber mögen weiterhin versuchen, dieses Abkommen zu sabotieren und eine endgültige Vereinbarung zu verhindern, aber gegenwärtig liegt das größere Potenzial bei denen, die diesen Konflikt auf diplomatischem Weg lösen möchten.

Es hat sich ferner gezeigt, dass zum ersten Mal ein wichtiger Streit über die Proliferation gelöst wurde nicht durch Drohungen oder den Einsatz von Gewalt, sondern durch Gespräche und Verhandlungen, bei denen jede Seite einige Konzessionen machte zum Erreichen einer Vereinbarung.

Aus allen diesen Gründen verdienen es alle in die Verhandlungen Involvierten, vor allem die iranische Führung, die eine bittere Pille zu schlucken hatte und die größeren Konzessionen um des Friedens willen erbringen musste, beglückwünscht zu werden.

Gleichfalls Glückwünsche verdienen alle jene im Iran und im Westen, die, trotz der massiven Opposition der Kriegstreiber und Schwarzseher, die Vereinbarung unterstützt haben.

Es sollte sie ermutigen auf Frieden, Diplomatie und Verhandlungen bei zukünftigen Gelegenheiten zu drängen und die Zuversicht zu bewahren, dass ihre Stimme etwas zählt, selbst im Angesicht gewaltiger Opposition seitens maßgeblicher Kreise.

(4/4/15)

Farhang Jahanpour, ein TFF Associate und Fellow of the Royal Asiatic Society, ist ehemaliger Professor und Dekan der Fremdsprachen Fakultät an der Universität von Isfahan und ehemaliger Senior Research Fellow an der Harvard Universität. Er ist Tutor im Department of Continuing Education und ein Mitglied am Kolleg.

Übersetzung aus dem Englischen: Eckart Fooken

* Quelle: Website des Friedensforschungsinstituts TFF, geleitet von Jan Oberg;M mitgteilt per e-mail vom 4. April 2015.


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