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Truppenentsendung dementiert

Iranischer Politiker widerspricht Gerüchten über die Anwesenheit von Kampfeinheiten seines Landes in Syrien

Von Knut Mellenthin *

Ein einflussreicher iranischer Politiker ist Gerüchten entgegengetreten, dass Truppen seines Landes am Bürgerkrieg in Syrien beteiligt seien. Es gebe auch keine Pläne für einen solchen Einsatz. Über das Thema sei »offiziell« noch nie diskutiert worden. »Unsere Unterstützung für Länder der Region schließt nur beratende und humanitäre Hilfe ein«, sagte der Generalsekretär des Schlichtungsrates, Mohsen Rezai, am Sonnabend. Das Gremium ist Teil der pluralistisch zusammengesetzten Strukturen, die beratend auf die Regierungsarbeit einwirken. Der 60jährige war von 1981 bis 1997 Oberkommandierender der Revolutionsgarden, einer gut ausgebildeten und ausgerüsteten Parallelarmee, die über alle Waffengattungen verfügt, die auch die regulären Streitkräfte haben.

Die »Al-Quds-Truppe«, eine Spezialeinheit der Revolutionsgarden, wird oft mit angeblichen Auslandseinsätzen in Verbindung gebracht. Rezai hat den Rang eines Generals. Er trat der Militärorganisation im vorigen Jahr formal wieder bei und zeigt sich seither oft in Uniform. Das könnte erklären, warum er als Verbindungsmann zwischen politischer und militärischer Führung für dieses Dementi beauftragt wurde.

Libanesische Zeitungen hatten vor einer Woche gemeldet, dass mehrere tausend »Kämpfer« aus dem Iran und anderen Ländern in Syrien angekommen seien, um bei der Verteidigung einiger strategisch wichtiger Orte und Gebiete zu helfen, die von islamistischen Kräften besonders hart angegriffen werden. Die Tageszeitung As-Safir behauptete am vorigen Dienstag, dass »mehr als 20.000 iranische, irakische und libanesische Kämpfer« an verschiedenen Fronten eingetroffen seien.

Qasem Soleimani, der Kommandeur der Al-Quds, halte sich derzeit ebenfalls in Syrien auf. Der von Bild schon mal als »der gefährlichste Mann der Welt« titulierte Generalmajor ist wegen seiner Einsätze als Chefberater im Irak in seiner Heimat zur populären Figur geworden. Offiziell ist Soleimanis Rolle nicht bestätigt, doch ist seine Anwesenheit an hart umkämpften Frontabschnitten durch Fotos dokumentiert, die über das Internet verbreitet werden.

As-Safir machte in dem Artikel keine Angaben über die Herkunft ihrer angeblichen Informationen. Dagegen berief sich die Tageszeitung The Daily Star auf eine anonyme »libanesische politische Quelle«, als sie am Donnerstag die Ankunft einer »aus Iranern, Irakern und Afghanen bestehenden Miliz« in Syrien meldete. Insgesamt handele es sich um 15.000 »Kämpfer«. Soleimani sei einige Tage zuvor in der Hafenstadt Latakia gewesen, um sich an der Planung von Militäroperationen zu beteiligen, behauptete das Blatt außerdem.

Iranische Regierungs- und Militärvertreter hatten in der Vergangenheit immer wieder Meldungen über die Anwesenheit von Kampfeinheiten ihres Landes in Syrien und im Irak bestritten. Israelische Medien gehen davon aus, dass Teheran dieses Thema bisher tatsächlich mit größter Vorsicht behandelt habe und dass die Entsendung von Truppen einen schwerwiegenden Strategiewechsel darstellen würde. Bis hin zum Internetportal DEBKAfile, das als geheimdienstnah gilt, vermuten die israelischen Medien bisher, dass die Behauptungen der libanesischen Zeitungen nicht der Wirklichkeit entsprechen.

Andererseits wird in Israel allgemein spekuliert, dass die militärische Lage in Syrien den Iran letztlich zu einer Umorientierung zwingen werde. Die Entscheidung, Truppen nach Syrien zu schicken, stehe unmittelbar bevor und werde von Revolutionsführer Ali Khamenei »in den nächsten Tagen« offiziell bekannt gegeben, hieß es in der vorigen Woche in einigen israelischen Zeitungen und bei DEBKAfile. Regierungs- und Militärvertreter haben wiederholt angedeutet, dass Israel auf die Entsendung iranischer Kampfeinheiten nach Syrien aggressiv reagieren würde.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 9. Juni 2015


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