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Exklusiv aus Teheran

Nicht alles, was iranische Medien berichten und westliche Blogs übernehmen, ist wahr

Von Knut Mellenthin *

Manche Dinge erfährt man nur, wenn man die Exklusivmeldungen englischsprachiger iranischer Medien oder deren Abklatsch in Märchenerzähler-Blogs wie »infowars.com« liest. Dabei handelt es sich manchmal sogar um sensationelle Vorgänge – vorausgesetzt, sie hätten sich wirklich ereignet. So beispielsweise die Gefangennahme von vier westlichen Militärberatern der Terroristen des »Islamischen Staats« (IS) durch irakische Spezialtruppen, über die die Teheraner Nachrichtenagentur Tasnim am 7. März berichtete. Es soll sich um zwei Personen aus den USA, einen Israeli und den Bürger eines arabischen Golfstaats gehandelt haben. Weder die irakische noch die US-amerikanische Regierung hat den angeblichen Vorfall bestätigt.

Die Botschaft ist nicht neu. Schon am 23. Februar hatte die Teheraner Nachrichtenagentur Fars gemeldet, dass irakische Streitkräfte zwei britische Flugzeuge mit Waffen für den IS an Bord abgeschossen hätten. Am 28. Februar folgte, ebenfalls bei Fars, ein Bericht über den Abschuss eines US-Hubschraubers durch eine – abgesehen von diesem Vorfall kaum bekannte – irakische Miliz. Auch der Helikopter soll Waffen für die Dschihadisten transportiert haben. Wie im Fall der vier gefangenen westlichen Militärberater hat keine der beteiligten Regierungen das angebliche Geschehen bestätigt. Ebenso schweigt die iranische Führung zu den Meldungen.

Die iranischen Medien geben in ihren Quellen immer wieder drei oder vier irakische Politiker als Gewährsleute an. Manche sind so unbedeutend, dass im Internet nichts weiter über sie zu finden ist. Einer, Khalaf Tarmus, hat zumindest nicht die Führungsposition, die Fars ihm am 7. März zuschrieb, nämlich Chef des Provinzrats von Anbar.

Der prominenteste der erwähnten Informanten ist Hakim Al-Sameli, der den Ausschuss für Nationale Sicherheit und Verteidigung des irakischen Parlaments leitet. Er ist ein Schiit, dem sehr enge Verbindungen zum Iran nachgesagt werden. In den Jahren 2006 und 2007 war er Gesundheitsminister und wurde dann verhaftet, weil er angeblich eine Privatmiliz unterhalten hatte, der schwere Rechtsbrüche vorgeworfen wurden.

Außer iranischen Agenturen sowie äußerst obskuren Blogs und einigen russischen Medien, die aber alle nur bei den Iranern abgeschrieben haben, hat kaum jemand über die angeblichen Ereignisse im Irak berichtet. Für manche ist gerade das ein Beweis, dass die Berichte stimmen, aber aufgrund einer weltweiten Verschwörung totgeschwiegen werden sollen.

Es ist allerdings eine Erfahrungstatsache, dass iranische Nachrichtenagenturen oft auffallend unsorgfältig und geradezu verantwortungslos arbeiten. Manche Vorgänge, wie etwa die gutgläubige Übernahme von Phantasiegeschichten aus satirischen Zeitungen des Auslands, mögen als harmlos erscheinen. Andere Fehlleistungen deuten auf einen totalen Mangel an kritischem Bewusstsein und eigenen Recherchen hin.

Zum Beispiel berichtete Fars im Januar 2014 ausführlich, dass die US-Politik seit 1945 von »extraterrestrischen Intelligenzen« gestaltet werde. Die gleichen Besucher aus dem Weltraum seien auch für den Aufstieg des deutschen Faschismus in den 30er Jahren verantwortlich gewesen. Einzige Quelle der Darstellung war der berüchtigte Blog »Whatdoesitmean.com«, der sich bei seinen haarsträubenden Lügengeschichten vorzugsweise auf interne Dokumente des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB beruft.

Zwischen September und November 2011 berichtete der iranische Sender Press TV über insgesamt 56 US-amerikanische Drohnenangriffe auf Ziele in Somalia, durch die mindestens 1.370 Menschen getötet worden seien. Nicht ein einziger davon war durch Berichte somalischer Medien bestätigt. Die angeblichen Angriffe hörten schlagartig auf, nachdem das Londoner Bureau of Investigative Journalism, die kompetenteste Stelle für die Erfassung aller Drohnenangriffe weltweit, die iranischen Berichte am 2. Dezember 2011 ins Reich der Phantasie verwiesen hatte.

* Aus: junge Welt, Freitag, 13. März 2015


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