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Tretminen und Stolperdrähte

Nach dem Präsidentenwechsel in Teheran verstärken die Iran-Gegner in den USA ihre Angriffe gegen eine Verhandlungslösung

Von Knut Mellenthin *

Die Pro-Israel-Lobby der USA vermint das Feld für mögliche Verhandlungen mit dem Iran. Am Freitag, zwei Tage vor der Amtsübernahme des neuen iranischen Präsidenten Hassan Rohani, wurde ein scharfer Brief an Barack Obama veröffentlicht, den 76 der 100 Senatoren unterzeichnet hatten. Es war deren letzte Amtshandlung, da sie anschließend in die Sommerpause gingen, die bis zum 6. September dauern wird. Der Entwurf des Schreibens war erst am 30. Juli in Umlauf gebracht worden. Als Initiatoren zeichneten Lindsey Graham, Scharfmacher Nummer eins der Republikaner im Senat, und sein demokratischer Kollege Robert Menendez aus dem kleinen, aber an wichtigen Unternehmen reichen Ostküstenstaat New Jersey. Menendez ist derzeit Vorsitzender des einflußreichen Außenpolitischen Ausschusses des Senats, während Graham im Streitkräfteausschuß sitzt.

Unter dem üblichen scheinheiligen Vorwand, seine Politik »unterstützen« zu wollen, konfrontieren die 76 Senatoren ihren Präsidenten mit knallharten Forderungen, die seine diplomatische Bewegungsfreiheit einengen sollen. Die US-Administration müsse »die Sanktionen verschärfen« und »die Glaubwürdigkeit unserer Option, militärische Gewalt anzuwenden, verstärken«, heißt es gleich im ersten Absatz. Im nächsten Satz teilen die Unterzeichner allerdings mit, daß sie »zutiefst mit den Leiden des iranischen Volkes sympathisieren«, die sie so offensichtlich zu vermehren trachten.

Aber zur Hauptsache: »Mr. President, wir fordern dringend von Ihnen, daß Sie in den Prozeß ein erneutes Gefühl seiner Dringlichkeit bringen. (…) Iran muß verstehen, daß die Zeit der Diplomatie sich ihrem Ende nähert. Wir beschwören Sie, sofortige ernsthafte Bewegungen der iranischen Seite zu verlangen.« Iran müsse die Anreicherung von Uran einstellen, mit dem Installieren von Zentrifugen – für die Anreicherung des in Gasform umgewandelten Urans – aufhören, seinen Vorrat an 20prozentig angereichertem Uran außer Landes transportieren lassen und die Arbeiten an einem neuen Schwerwasserreaktor in Arak beenden. Das ist etwas mehr als die Sechsergruppe – bestehend aus den USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Rußland und China – bisher vom Iran als »vertrauensbildende Maßnahmen« fordert.

Um Iran zum Nachgeben zu zwingen, sei neben der Aufrechterhaltung und Verschärfung der Sanktionen auch »eine überzeugende Androhung militärischer Gewalt« notwendig, heißt es dann noch einmal in dem Brief. »Wir müssen zum Handeln bereit sein, und Iran muß sehen, daß wir bereit sind.«

Bereits am vergangenen Mittwoch war im Abgeordnetenhaus ein paralleles Störmanöver gegen eine friedliche Lösung des Atomstreits über die Bühne gegangen: Mit 400 gegen 20 Stimmen wurde ein umfangreiches neues Sanktionspaket verabschiedet, das unter anderem darauf abzielt, dem Iran bis zum Jahr 2015 den Export von Erdöl so gut wie unmöglich zu machen. Unter den Befürwortern waren auch 80 der 131 Abgeordneten, die kurz zuvor einen offenen Brief an Obama unterschrieben hatten, der genau in die entgegengesetzte Richtung zu weisen schien: Der Präsident möge nach dem Präsidentenwechsel in Teheran der Diplomatie ausreichend Zeit geben, hieß es dort. Und: Es müsse alles unterlassen werden, was Rohani »delegitimieren« und die iranischen Hardliner stärken könnte.

Indessen rief Rohani die westlichen Regierungen am Sonntag in seiner ersten Ansprache als Präsident auf: »Wenn Sie eine angemessene Antwort wollen, reden Sie mit dem Iran nicht in der Sprache der Sanktionen, sondern in der Sprache des Respekts.« Der einzige Weg, um mit den Iranern ins Gespräch zu kommen, seien »ein Dialog auf gleicher Ebene, gegenseitige Vertrauensbildung, gegenseitiger Respekt und der Abbau von Feindseligkeiten«.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 6. August, 2013


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