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Iran und der Nahe Osten

Kommentar von Behrouz Khosrozadeh

Nach dem Ende des Kalten Krieges bahnte sich ein globaler Unilateralismus der USA an. Die Amerikaner haben diesen Anspruch im Kuwait-, Jugoslawien- und schließlich im Irakkrieg mit ihrer geballten Militärmacht zu untermauern versucht. Doch ausgerechnet der wichtigste dieser Kriege, der Irakkrieg, ist eng mit einem Faktor verbunden, der den amerikanischen (und israelischen) Hegemonialanspruch im Nahen Osten akut herausfordert: dem Iran. Ohne die Kontrolle über die Energieressourcen aufrecht zu erhalten und ohne die militärische Überlegenheit Israels sind der Nahe Osten und mithin die ganzen Anstrengungen, einzige Supermacht zu bleiben, für die USA verloren.

Die Vereinigten Staaten laborierten schon im Vorfeld des Irakkrieges an einem »Iran-Syndrom«: Zum einen wegen des Teheraner Geiseldramas vom Dezember 1979, das Amerika seine größte Demütigung nach dem Vietnamkrieg bescherte. Anhänger Khomeinis besetzten damals 444 Tage lang die US-Botschaft und forderten die Auslieferung des gestürzten Schahs; ein Versuch der USA, die Geiseln militärisch zu befreien, scheiterte kläglich. Zum zweiten wegen der puren Tatsache, dass die iranischen Mullahs ihre Trotzfront gegenüber den USA inzwischen über ein Vierteljahrhundert lang halten konnten. Das Pentagon bezeichnete dies unlängst als »das Trauma der Unbesiegbarkeit der Islamischen Republik«.

Mit dem Afghanistan- und dem Irakkrieg wurde die politisch-militärische Karte des Nahen Ostens kräftig durcheinander gewirbelt, abermals zugunsten Teherans. Irans Ex-Präsident Rafsandschani brachte dies mit den Worten auf den Punkt, die Amerikaner hätten mit ihren militärischen Abenteuern im Nahen Osten nur die beiden Erzfeinde des Iran beseitigt, die Taliban und Saddam Hussein. Zu welcher Seite auch immer die USA im Nahen Osten sich drehten, sie stießen gegen eine große Mauer, den Iran.

So gesehen ist ein Frieden im Nahen Osten ohne die Beilegung der Spannungen zwischen Iran und den USA unmöglich. Diese Krise ist sogar ernster als der palästinensisch-israelische Konflikt. Zu Zeiten der Präsidentschaft Mohammad Khatamis haben beide Seiten die Chance einer Annäherung verpasst. Unter dem Druck der Islamisten hat Khatami positive Signale der Clinton-Administration ignorieren müssen. Khatami legte den USA beim Afghanistan- und beim Irakkrieg keine Steine in den Weg, obwohl Präsident Bush den Iran zum Bestandteil der Achse des Bösen erklärt hatte. Mit der vorübergehenden Suspendierung seines Atomprogramms zeigte der Iran eine Geste des guten Willens. Aber der Westen verzichtete nicht auf ein Gewaltdiktat, sondern setzte arrogant auf Verhandlungen zu ungleichen Bedingungen.

In Teheran ist Präsident Ahmadinedschad massiv unter Druck geraten, auch von den gewichtigen Kräften der ersten Generation der islamisch-republikanischen Elite um Rafsandschani und Ahmadinedschads Vorgänger Khatami. Hingegen sind die Kritiker in den USA aus dem Lager der Demokraten nolens volens machtlos, wenn Israel ins Spiel kommt. Auf dem März-Kongress der mächtigen Israel-Lobby AIPAC wurde die demokratische Präsidentin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ausgebuht. Nur wenige Tage danach haben die Demokraten ihren Gesetzesentwurf, der Bush verbieten sollte, ohne Zustimmung des Kongresses einen Krieg gegen Iran zu beginnen, zurückgenommen. Der Präsident hat freie Bahn.

* Behrouz Khosrozadeh, Politologe und Publizist iranischer Herkunft; lebt in Göttingen.

Dieser Beitrag erschien als "Gastkolumne" am 14. April 2007 im "Neuen Deutschland"



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