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Der Streit um das iranische Atomprogramm kommt vor den UN-Sicherheitsrat

Der Konflikt spitzt sich zu: Was will der Westen - was will Moskau - was der Iran?

Im Streit um das iranische Atomprogramm ist Ende Januar 2006 eine neue Stufe erreicht: Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats haben in der Nacht zum 31. Januar in einer Sitzung in London zusammen mit der EU-Troika (vertreten duurch Deutschland) sich darauf geeinigt, in der IAEO zu beantragen, dass der Fall an den UN-Sicherheitsrat überwiesen wird.
Zu dieser neuen Entwicklung dokumentieren wir im Folgenden verschiedene Artikel bzw. Sichtweisen, einschließlich zweier Presseerklärungen aus dem Bundestag (Die Linke im Bundestag und SPD)



Iran-Streit eskaliert

Londoner Verhandlungsmarathon zum Teheraner Atomprogramm: Einigung der Großmächte über weiteres Vorgehen. UN-Sicherheitsrat wird eingeschaltet

Von Knut Mellenthin


Nach stundenlangem Ringen um einzelne Formulierungen haben sich die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats in der Nacht von Montag zu Dienstag in London auf einen Minimalkonsens für die Sondersitzung des Vorstands der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA am morgigen Donnerstag geeinigt. Zu dem Treffen der Außenminister der USA, Rußlands, Chinas, Großbritanniens und Frankreichs war auch Deutschland hinzugezogen worden.

Die IAEA-Sondersitzung am 2. Februar wurde vom EU-Trio – Großbritannien, Frankreich und Deutschland – beantragt. Es wollte dort, im Einvernehmen mit der US-Regierung, eine Übergabe des Streits um das zivile iranische Atomprogramm an den UN-Sicherheitsrat beschließen lassen. Dieses Gremium könnte dann Wirtschaftssanktionen verhängen, aber auch den Weg für militärische Zwangsmaßnahmen frei machen. Rußland und China sehen deshalb in der Einschaltung des Sicherheitsrats die Gefahr einer Eskalation und fordern, weiter an einer politischen Lösung zu arbeiten.

Im Gegensatz zu manchen Pressemeldungen sind Rußland und China am Montag in London nicht auf die harte Linie von EU und USA eingeschwenkt. Sie tragen zwar eine Einschaltung des Sicherheitsrates mit. Allerdings soll dieser – statt einer »Übertragung« des Streits an ihn – lediglich über den Stand der Dinge »informiert« werden. Das bedeutet die offizielle Übergabe von Resolutionen und Berichten der IAEA über das iranische Atomprogramm – alles Dokumente, die auf der Internetseite der Atomenergiebehörde ohnehin öffentlich zugänglich sind.

Die in London unterzeichnete Vereinbarung sieht außerdem vor, daß der UN-Sicherheitsrat frühestens nach der nächsten ordentlichen Sitzung des IAEA-Vorstands Anfang März entscheiden soll, ob er sich mit dem Streit befassen will. Das stellt, worauf am Dienstag ein Sprecher des russischen Außenministeriums hinwies, keinen Automatismus dar, sondern nur eine Option. Die Einigung bleibt somit weit hinter den ursprünglichen Vorstellungen der EU und der USA zurück.

Rußland verhandelt zur Zeit mit dem Iran über einen Kompromißvorschlag. Er sieht vor, daß Iran auf eigene Urananreicherung verzichtet und nuklearen Brennstoff für sein ziviles Atomprogramm aus Rußland bezieht. Iran hat dem Vorschlag »prinzipiell« zugestimmt, will aber offenbar noch »Nachbesserungen« erreichen. Das nächste Gespräch soll am 16. Februar stattfinden.

Kurz vor dem Treffen der Großmächte am Montag abend hatte auf Initiative Teherans ein Gespräch mit Vertretern des EU-Trios stattgefunden. Nach Darstellung der Nachrichtenagentur Reuters hatte die iranische Delegation ein sehr weit gehendes Kompromißangebot mitgebracht. Kern soll die Annahme des russischen Vorschlags sein, mit dem Vorbehalt, daß Iran seine eigenen Forschungsarbeiten zur Beherrschung der Anreicherungstechnik fortsetzen will. Europäische Sprecher erklärten nach dem Gespräch lediglich, die Iraner hätten »nichts Neues« vorgelegt.

Der für die Verhandlungen über das Atomprogramm zuständige Ali Laridschani warnte am Dienstag, daß jede Übertragung des Streits an den UN-Sicherheitsrat »das Ende der Diplomatie« bedeuten würde. Iran werde dann alle freiwilligen, über seine Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) hinausgehenden Zugeständnisse zurücknehmen.

Aus: junge Welt, 1. Februar 2006


"Die Zuspitzung ist für März angekündigt"

Rußland und China haben nachgegeben – das iranische Atomprogramm soll im UN-Sicherheitsrat verhandelt werden. Ein Gespräch mit Mohssen Massarrat.*
(Interview: Jürgen Elsässer)

F: Die fünf Vetomächte in der UN haben vereinbart, das Thema Iran vor den Weltsicherheitsrat zu bringen. Was bedeutet das?

Damit wird die nächste Eskalationsstufe in der Auseinandersetzung beschritten. Die USA und die EU konnten mit der Volksrepublik China und Rußland einen Konsens erzielen. Lange vor dem Besuch von Kanzlerin Merkel bei US-Präsident Bush war Berlin auf den Kurs von Washington eingeschwenkt. Damit steht die weltweite Front gegen den Iran.

F: Gibt es jetzt Krieg?

Ein möglicher Krieg – höchstwahrscheinlich wird es zunächst ein Luftkrieg sein – kommt für die USA nur in Frage, wenn mit den anderen Großmächten ein Konsens besteht, daß der Iran am Aufbau einer eigenen Urananreicherung gehindert werden muß – auf jeden Fall und mit allen Mitteln. Dieser Konsens ist jetzt erreicht. Zuerst wird es zu Sanktionen gegen den Iran kommen. Darauf dürfte der Iran mit Gegensanktionen antworten. Dann würde der Westen ein militärisches Vorgehen gegen Iran als unausweichlich darstellen. Wir befinden uns bereits in der Phase der psychologischen Kriegsvorbereitung.

F: Warum haben China und Rußland dem westlichen Druck plötzlich nachgegeben?

Rußland steht vor einem Dilemma: Einerseits verdient man seit über einem Jahrzehnt an Atomgeschäften mit dem Iran. Andererseits will man doch Iran daran hindern, Atommacht zu werden und damit auch die russische Vormachtstellung in Zentralasien in Frage zu stellen. Aus diesem Dilemma wollte sich Wladimir Putin retten, indem er einerseits einen vergleichsweise moderaten Kurs gegenüber dem Iran vertrat, aber gleichzeitig signalisierte, letztlich auf westlicher Seite zu stehen. Die Chinesen rechnen fest mit Sanktionen gegen den Iran. Wegen ihres Iran-Geschäftes würden sie dann selbst zum Objekt von wirtschaftlichen Vergeltungsmaßnahmen des Westens werden. Sie müßten damit rechnen, daß ihnen der US-amerikanische und europäische Markt für ihre Exporte abhanden kommt. Dieser Verlust wäre für die Volksrepublik dramatischer als die Gefährdung der iranischen Öllieferungen für ihre boomende Ökonomie.

F: Verblüffend ist besonders die Kehrtwende Moskaus. Hatte Teheran nicht erst vor einigen Tagen einem Angebot Putins zugestimmt, die geplante Urananreicherung nicht auf eigenem Boden, sondern in entsprechenden Anlagen auf russischem Territorium durchzuführen?

Ein solcher Kompromiß wurde niemals erreicht, die Medien haben das größtenteils falsch dargestellt. Er wäre aus der Sicht Teherans auch unsinnig gewesen: Man will ja bei der Aufarbeitung von Brennstäben souverän sein und sich nicht von einer ausländischen Macht abhängig machen. Daß Rußland Energiepolitik als Machtpolitik begreift, hat man gerade beim Stop der Gaslieferungen an die Ukraine gesehen. Auf einen solchen Partner kann sich auch der Iran nicht einlassen. Man war lediglich übereingekommen, zusätzlich zur eigenen Urananreicherung möglicherweise auch Anlagen in Rußland zu nutzen.

F: Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat kürzlich vor einer »Militarisierung des Denkens« im Zusammernhang mit dem Iran gewarnt – jetzt aber hat auch er sein Plazet zur Verschärfung des Vorgehens gegeben. Warum?

Das zeigt die Doppelbödigkeit der deutschen Position wie jener der EU insgesamt. Nachdem die eigenen Initiativen gescheitert sind, springt man noch rasch auf den Eskalationszug auf. Durch Säbelrasseln wird von der eigenen Handlungsunfähigkeit abgelenkt. Das gilt übrigens, mehr als für Deutschland, für Frankreich und die Atomwaffendrohung von Präsident Jacque Chirac, die indirekt auch gegen Iran gerichtet war. Die Tragik der EU-Staaten besteht darin, nicht zu realisieren, daß man sich von den USA instrumentalisieren läßt: Bush ließ die Europäer mit dem Iran verhandeln, und nachdem das gescheitert ist, sitzen sie mit den USA im selben Boot.

F: Was bedeutet die Eskalation für die Wirtschaft?

Die westlichen Staaten haben vorgesorgt. Schon im Oktober 2005 haben die USA auf einer G-8-Tagung ihre Verbündeten auf eine Währungskrise vorbereitet, sie sollten ihre Dollarreserven aufstocken. Als Zeitpunkt einer Zuspitzung wurde interessanter Weise der März 2006 genannt.

* Mohssen Massarrat, 1942 im Iran geboren, lebt seit 1960 in der BRD. Der Politologe lehrt an der Universität Osnabrück und publizierte vielfach über Friedens- und Energiepolitik

Aus: junge Welt, 1. Februar 2006

Lesen Sie auch den Beitrag von Mohssen Massarrat auf dem letzten Friedenspolitischen Ratschlag (Dezember 2005): "Motive der Konfliktparteien im Iran-Atomkonflikt".


"Iranische Woche" in Moskau im Vorfeld der IAEO-Sitzung

Eine Woche vor der entscheidenden Sitzung des IAEO-Gouverneursrats hat Iran noch eine Chance, die Weiterleitung seines "Atomdossiers" an den Weltsicherheitsrat zu verhindern.

MOSKAU, 26. Januar (Pjotr Gontscharow*, RIA Novosti). In dieser Woche haben zwei hohe iranische Politiker Moskau besucht: der Chef des iranischen Sicherheitsrates, Ali Laridschani, und der stellvertretende Außenminister Mehdi Safari.

Diese Aktivität erklärt sich offenbar mit der bevorstehenden Sondersitzung des Gouverneursrats der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO), in der Anfang Februar das weitere Schicksal des so genannten iranischen Atomdossiers entschieden werden soll.

Etwas Ähnliches passierte im Herbst 2005, als eine Reihe hochrangiger iranischer Staatsmänner nahezu "mit letzter Hoffnung" zu Gesprächen nach Moskau gereist war. Damals war alles noch glimpflich abgegangen: Auf der entscheidenden Tagung des IAEO-Gouverneursrates konnte Moskau gemeinsam mit Peking eine Weiterleitung des iranischen Atomdossiers an den UN-Sicherheitsrat verhindern. Was kommt jetzt?

Der russische Vorschlag, iranisches Uran in Russland anzureichern, dürfte sich als ein "rettender Strohhalm" erweisen - vor dem Hintergrund der verhärteten Position der EU-Troika (Paris, Berlin, London), die jetzt wie nie zuvor entschlossen ist, den Atomstreit vor dem UN-Sicherheitsrat auszutragen. Es besteht nun die Hoffnung, dass die IAEO die Anregung Russlands unterstützt und das iranische Atomproblem vorerst nicht an den Weltsicherheitsrat weiterleitet. Für die meisten IAEO-Staaten muss offensichtlich sein: Wenn iranisches Uran nicht im Iran (was Teheran gegenwärtig fordert), sondern in Russland verarbeitet wird, dann schafft das bestimmte Garantien dafür, dass Iran künftig keine Möglichkeit hat, Atomwaffen in seinen Besitz zu bringen.

Darauf verwies der russische Außenminister Sergej Lawrow zum Auftakt seiner Unterredung mit Mehdi Safari in Moskau. "Wir wollen das so genannte Atomproblem des Iran erörtern, das zuletzt für eine Zuspitzung der Situation sorgte. Wir hoffen, dass unsere iranischen Freunde eine solche Position einnehmen werden, welche es gestattet, dem Problem seine Brisanz zu nehmen und die Frage zu lösen", sagte Lawrow.

Mehdi Safari traf sich in Moskau auch mit dem stellvertretenden Außenminister Alexander Alexejew und verhandelte drei Stunden lang mit Sergej Kirijenko, dem Leiter der russischen Atomenergiebehörde. Als Ergebnis dieser Gespräche veröffentlichte die iranische Botschaft am 26. Jan. eine Pressemitteilung, in der sie über die Position des Landes bei den Gesprächen Aufschluss gibt. "Die Islamische Republik Iran wie auch alle anderen Staaten hat das gesetzliche Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie", hieß es dort unter Berufung auf den Vertrag über die Nichtweitergabe von Atomwaffen.

Wie daraus ersichtlich ist, hat sich an der Position des Iran offenbar nicht viel geändert, so dass die Verhandlungen mit der EU-Troika weiter in der Sackgasse stecken.

Übrigens hat Ali Laridschani, Chef des iranischen Sicherheitsrates, nach Gesprächen mit seinem russischen Kollegen Igor Iwanow den russischen Vorschlag, ein Joint Venture für die Urananreicherung zu gründen, positiv bewertet und sich für seine Nachbesserung eingesetzt. "Der Vorschlag ist von vielen Momenten begleitet, die gelöst werden müssen", äußerte Laridschani vor Journalisten. Zu diesen "Momenten" zählte er den Ort für Urananreicherung, die Bedingungen für die Anteilnahme iranischer Spezialisten am Anreicherungsprozess sowie mögliche Beteiligung dritter Länder. All diese Fragen sind überaus wichtig. Um sie abzustimmen, bräuchten Russland und Iran mehrere Gesprächsrunden.

Es kommt dabei viel darauf an, wie Irans wichtigste Kritiker, die USA und EU-Troika, eine eventuelle Verzögerung bei der Schaffung des Joint Ventures aufnehmen würden. Die Sondersitzung des IAEO-Gouverneursrats findet schon am 2. bis 3. Februar statt, während russisch-iranische Verhandlungen auf den 16. Februar angesetzt sind. Es kann wohl sein, dass die USA und Europa dies als einen Versuch Teherans bewerten, Zeit zu gewinnen. In diesem Fall bekommen sie einen weiteren Grund, ihre Position zu verschärfen und eine Einschaltung des Weltsicherheitsrats zu fordern.

Wie dem auch sei, Laridschani bekräftigte: Wenn das iranische Atomdossier an den UN-Sicherheitsrat weitergeleitet werde, werde sich Iran nicht auf Kernforschungen beschränken. Das Land werde mit industriemäßiger Urananreicherung beginnen und aus dem Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag aussteigen. Angesichts dessen kommt kein Zweifel daran auf, dass es in der bevorstehenden Sitzung des IAEO-Gouverneursrats heiß hergehen wird.

* Pjotr Gontscharow ist politischer Kommentator der RIA Novosti.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti; http://de.rian.ru

Putins neue Initiative löst einen Widerspruch im Atomwaffen-Sperrvertrag

Wenn die Initiative des russischen Präsidenten allgemein anerkannt wird, bleibt die Urananreicherung den Kernwaffenmächten vorbehalten

MOSKAU, 26. Januar (Alexander Pikajew* für die RIA Novosti). Am 25. Januar ist der Präsident von Russland Wladimir Putin mit einer sehr interessanten Initiative hervorgetreten, die einen der im Atomwaffen-Sperrvertrag enthaltenen Widersprüche beseitigen könnte. Die Rede ist konkret von einem Widerspruch zwischen dem Artikel 4 dieses Vertrages (nichtnukleare Staaten haben das Recht auf Schaffung einer friedlichen Kernenergetik) und anderen Artikeln, die den nichtnuklearen Staaten den Kernwaffenbesitz verbieten. Das eigentliche Problem besteht hier darin, dass sich friedliche und militärische Kerntechnologien eng miteinander verflechten. Schon gibt es Präzedenzfälle, wie zum Beispiel den von Nordkorea: Das Land hat legal, im Rahmen des Vertrages über die Nichtweiterbreitung, nukleare Technologien für die Schaffung einer friedlichen Kernenergetik entwickelt und ist dann, nachdem es sich alle Technologien angeeignet hat, aus besagtem Vertrag ausgetreten.

Präsident Putins Initiative bringt sie um eine solche Möglichkeit. Die nichtnuklearen Staaten werden nach wie vor die Möglichkeit haben, ihre friedliche Kernenergetik zu entwickeln, hierbei aber sollen die gefährlichsten Technologien, die zu militärischen Zwecken verwendet werden könnten - in erster Linie die Uranaufbereitung, in internationalen Zentren und unter internationaler Kontrolle erfolgen. Die nichtnuklearen Staaten werden kein Uran aufbereiten und folglich nicht imstande sein, aus der radioaktiven Abschlämmung Plutonium zu gewinnen. Demnach würde die Realisierung der Initiative von Präsident Putin es ermöglichen, die Kernenergetik weitgehend zu entwickeln, ohne dass hierbei gegen das Regime der Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen verstoßen würde.

* Alexander PIKAJEW ist Abteilungsleiter am Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti; http://de.rian.ru



31. Januar 2006 - Pressemitteilung

Eskalation im Iran-Konflikt verhindern

Zur Entscheidung der Londoner Außenministerkonferenz, den Konflikt um das iranische Atomprogramm an den UN-Sicherheitsrat zu überweisen, erklärt der außenpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag, Prof. Dr. Norman Paech MdB:

Die Erklärung der fünf Veto-Mächte, den Konflikt um das iranische Atomprogramm an den UN-Sicherheitsrat überweisen zu lassen, kann zu einer gefährlichen Eskalation führen. Selbst wenn die Bundesregierung bisher noch nicht an Sanktionen denkt, liegen diese dennoch in der Logik eines solchen Schrittes. Der Iran wird weiter isoliert und die Drohung militärischer Maßnahmen ist nicht vom Tisch.

Wer für Sanktionen eintritt, muss seine eigenen Drohungen ernst nehmen. Auch vor dem Irakkrieg wurde von der Notwendigkeit einer „Drohkulisse“ zur Konfliktlösung gesprochen. Das Ergebnis war Krieg.

Die Androhung militärischer Mittel gegen den Iran ist nicht nur illegitim, sie ist auch kontraproduktiv. Die Drohungen werden diejenigen Kräfte im Iran stärken, die meinen, nur mit Hilfe von Atomwaffen sei ein Schutz vor militärischen Interventionen durch die USA möglich.

Die Fraktion DIE LINKE hat deshalb einen Antrag in den Bundestag eingebracht, mit dem die Bundesregierung aufgefordert werden soll, ausschließlich auf eine friedliche Beilegung des Konflikts zu setzen und sich nicht an der Vorbereitung militärischer Maßnahmen gegen den Iran zu beteiligen. Auch gegenüber anderen Regierungen soll sich die Bundesregierung ausdrücklich gegen den Einsatz militärischer Gewalt aussprechen.

Zudem soll der Bundestag an die USA appellieren, keine Vorbereitungen für militärische Maßnahmen gegen den Iran zu treffen, die Androhung militärischer Gewalt zu unterlassen und dem Iran eine Gewaltverzichtserklärung anzubieten.

An den Iran soll der Bundestag appellieren, die Drohungen gegenüber Israel unverzüglich einzustellen, sich an seine Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag zu halten und alles zu unterlassen, was zu einer Eskalation des Konflikts beitragen könnte.

Quelle: www.linksfraktion.de


31. Januar 2006 - 74
AG Abruestung, Ruestungskontrolle und Nichtverbreitung

Atomstreit mit Iran kommt vor UN-Sicherheitsrat

Anlaesslich der erzielten Einigung der fuenf Veto-Maechte, wegen des iranischen Atomprogramms den UN-Sicherheitsrat zu befassen, erklaert der Sprecher der Arbeitsgruppe Abruestung, Ruestungskontrolle und Nichtverbreitung der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Muetzenich:

Es ist begruessenswert, dass sich die Aussenminister der fuenf staendigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates sowie Deutschlands und der Europaeischen Union (EU) einig sind: Die Internationale Atomenergiebehoerde (IAEA) soll den Iran vor das UN-Gremium bestellen. Der Sicherheitsrat soll nun bei der Sitzung der Internationalen Atomenergie-Behoerde (IAEA) in dieser Woche angerufen werden. Es kommt nun darauf an, dass auch die weiteren Mitglieder des IAEA-Gouverneursrates diesen Kurs unterstuetzen. Bis Maerz soll dann die Atomenergie-Behoerde ihren Bericht vorlegen.

Die Anrufung des Sicherheitsrates bedeutet dabei keinesfalls, dass nun Sanktionen verhaengt oder gar Militaerschlaege gegen den Iran angedroht werden. Einen solchen Automatismus gibt es nicht und darf es nicht geben. Iran hat hiermit eindruecklich vor Augen gefuehrt bekommen, dass sich die internationale Gemeinschaft nicht auseinanderdividieren laesst. Teheran hat jetzt die Moeglichkeit, auf die weit reichenden Kompromissvorschlaege der EU und Russlands einzugehen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist das legitime Forum, in das der Atomkonflikt mit dem Iran nun gehoert. Denn die IAEA kann lediglich die Regelverletzungen feststellen, weiterreichende Schritte koennen nur mit der Autoritaet des UN-Sicherheitsrates und im rechtlichen Rahmen der UN-Charta beschlossen werden.

Die Befassung des Sicherheitsrates signalisiert der Teheraner Fuehrung, dass die internationale Gemeinschaft nicht gewillt ist, eine Atommacht Iran zu akzeptieren. Sie zeigt aber auch, dass man nach wie vor bereit ist, eine diplomatische Loesung zu suchen. Die konsequente Haltung der internationalen Gemeinschaft ist nicht nur ein Erfolg europaeischer Aussenpolitik, sondern auch des deutschen Aussenministers Frank-Walter Steinmeier.

Quelle: Newsletter der SPD-Bundestagsfraktion, 31.01.2006


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