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Der Präsident eiert

Verwirrung um Rußlands Rolle im Atomstreit mit Iran

Von Knut Mellenthin *

Eine kleine Sensation hatte Israels Ministerpräsident Ehud Olmert am Dienstag ((23. Oktober) in London bei einem Treffen mit Vertretern der jüdischen Gemeinde bekanntzugeben. So las es sich zumindest in der Online-Ausgabe der israelischen Tageszeitung Haaretz am Mittwoch (24. Okt.). Dem Blatt zufolge hatte Olmert seinen Zuhörern anvertraut: »Ich kann eine Einzelheit meines Treffens mit dem russischen Präsidenten Putin in der vorigen Woche enthüllen. Rußland hat sich, trotz aller Erklärungen und Gerüchte, entschieden, keinen nuklearen Brennstoff an Iran zu liefern.«

Einige Stunden später folgte ein Dementi aus Olmerts Pressebüro. So, wie von Haaretz zitiert, habe sich der Regierungschef in London nicht ausgedrückt. Vielmehr habe er wörtlich gesagt: »...Rußland hat sich, trotz aller Erklärungen und Gerüchte, bisher noch nicht entschieden, ob es dem Iran nuklearen Brennstoff liefern soll.«

Sehr viel klarer wird die Sache durch diese Richtigstellung freilich nicht. Auch die jetzt veröffentlichte, durch Olmerts Büro sozusagen ­offiziell beglaubigte Version läßt den russischen Präsidenten als Lügner und politischen Falschspieler dastehen. Denn Putin hatte bei seinem Besuch in Teheran Anfang der vorigen Woche eindeutig zugesichert, daß Rußland an seiner vertraglichen Verpflichtung festhalten werde, dem Iran Brennstoff für das von einem russischen Unternehmen gebaute Atomkraftwerk in Buschehr zu liefern. Nach den Regeln der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA werde Rußland mit den Lieferungen einige Monate vor der Übergabe des Reaktors beginnen.

Angesichts der politischen Implikationen des Vorgangs ist seltsam, daß Putin es nach Olmerts Äußerung dabei bewenden ließ, durch einen Mitarbeiter erklären zu lassen, Rußland werde seinen Verpflichtungen nachkommen.

Der israelische Regierungschef hatte sich in der vorigen Woche sofort nach Putins Besuch in Teheran kurzfristig zu einem Gespräch mit dem Präsidenten nach Moskau eingeladen. Offenbar verfolgte er dabei die Absicht, einige Äußerungen Putins in der iranischen Hauptstadt »wieder geradezurücken«. Der Präsident hatte unter anderem gesagt, daß es keine Hinweise auf ein iranisches Atomwaffenprogramm gebe. Nach seinem Treffen mit Putin am vergangenen Freitag ließ Olmert durch sein Pressebüro mitteilen, er sei »sehr zufrieden« mit dem Gesprächsverlauf. Putin habe ihm zugesichert, daß Israels »Sicherheitsinteressen« ein »wesentlicher Bestandteil« der russischen Nahostpolitik seien. Putin habe »großes Verständnis für die israelische Position in allen erörterten Fragen« gezeigt, »besonders zum Thema Iran«. – Eine Klarstellung von russischer Seite gab es dazu nicht.

US-Präsident George W. Bush gab sich am Mittwoch vergangener Woche (17. Okt.) gelassen, als er während einer Pressekonferenz auf Putins Teheraner Äußerungen angesprochen wurde. Der russische Präsident habe ihm, zuletzt während eines Zusammentreffens in Australien, bestätigt, daß es seiner Ansicht nach nicht im Weltinteresse sei, wenn der Iran die Fähigkeit zur Herstellung von Atomwaffen hat, und daß man Teheran gemeinsam daran hindern müsse. Wenn Putin sich wegen des iranischen Atomprogramms keine Sorgen machen würde, warum habe Rußland dann schon zweimal Sanktionsbeschlüssen des UN-Sicherheitsrats zugestimmt, fragte Bush. Er hatte damit nicht nur die Lacher, sondern auch die Logik auf seiner Seite. ­Moskaus Haltung zum Atomstreit mangelt es erkennbar an Geradlinigkeit und Konsequenz.

* Aus: junge Welt, 26. Oktober 2007

Putin bezeichnet Drohungen gegen Iran als kontraproduktiv



LISSABON, 25. Oktober (RIA Novosti). Im Atomstreit mit Iran wäre es nach Ansicht des russischen Präsidenten Wladimir Putin kontraproduktiv, Teheran mit neuen Sanktionen oder Militärgewalt zu drohen.

Durch nutzlose Drohungen treibe man sich in eine Sackgasse, sagte Putin am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Lissabon.

Im Konflikt mit Iran muss man ihm zufolge ähnlich wie im Streit um das nordkoreanische Atomprogramm vorgehen und auf friedliche Mittel setzen. "Erst vor kurzem schien eine Lösung des nordkoreanischen Atomproblems unmöglich zu sein", erinnerte Putin. Dennoch konnte dieses Problem unter Einsatz von friedlichen Mitteln praktisch bewältigt werden.

Die Vereinten Nationen befürchten, dass Iran heimlich an Atomwaffen baut, und fordern von Teheran den Verzicht auf die Urananreicherung. Der Weltsicherheitsrat verabschiedete bereits zwei Resolutionen, die Sanktionen gegen Iran beinhalteten. Trotzdem weigert sich die iranische Regierung, die Urananreicherung einzustellen. Als Mitglied des Atomwaffensperrvertrages habe Iran das Recht auf Urananreicherung zu friedlichen Zwecken, begründet Teheran seine ablehnende Haltung.

Am 21. August vereinbarten Iran und die IAEO einen Zeitplan für die Klärung aller noch offenen Fragen zum Atomprogramm. Später bestätigte die IAEO, dass alle Fragen, die mit den iranischen Plutoniumexperimenten verbunden sind, bereits geklärt seien. Iran verpflichtete sich, alle noch offenen Fragen der IAEO bis Jahresende zu beantworten.

Angesichts dessen haben die Sechser-Staaten (USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland), die im Atomstreit vermitteln, am 28. September beschlossen, die Entscheidung über neue Sanktionen gegen Iran auf November zu verschieben. Bevor sie eine neue UN-Resolution zu Iran konzipiert, will die Sechser-Gruppe entsprechende Berichte vom EU-Außenbeauftragten Javier Solana und IAEO-Generaldirektor Mohammed ElBaradei anhören.

Quelle: RIA Novosti, 25. Oktober 2007




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