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Israel glaubt nicht an Wandel Irans

Hassan Ruhani könnte als neuer Präsident den Weg aus der Isolation einschlagen

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem *

Die Hamas klagt über ein Ausbleiben der Finanzhilfen aus Teheran; Irans Äußerungen im Atomstreit wurden moderater. Israels Premier Netanjahu gibt sich dennoch unnachgiebig.

Hassan Ruhani wurde zum neuen Präsidenten Irans gewählt, doch wer ist er? Immer wieder wird in Israel diese Frage diskutiert, darüber gerätselt, wie viel Macht der Mann wirklich haben wird, und was es für das große Ganze im Nahen Osten bedeutet. Israels Sicherheitsdienste und auch die Politik seien vom Ausgang der Wahl in Iran völlig überrascht worden, resümierte der Fernsehsender Arutz 2. Der Beitrag arbeitete Meinungen der staatlichen Analysten vor und nach der Iran-Wahl auf: »Wir haben unsere Prognosen auf der Grundlage von Jahrzehnte alten Einschätzungen gebildet«, sagt darin ein anonymer Mitarbeiter des Außenministeriums. Damals sei er mit dem Label »chancenlos« versehen worden. Das sei bis zur Wahl so geblieben.

Ihren Ursprung scheint diese Einstufung in einem Gespräch zu haben, das im Jahr 1986 angeblich zwischen Amiram Nir, dem damaligen Antiterrorismusberater der israelischen Regierung, Ruhani, damals stellvertretender Parlamentssprecher, und dem Waffenhändler Manucher Ghorbanifar in Paris stattfand.

Das Gespräch wurde aufgezeichnet und das Band 1994 der Zeitung »Jedioth Ahronoth« zugespielt. Auf dem Band sei, so die Zeitung, Ruhani mit den Worten zu hören, der Westen müsse eine härtere Gangart gegenüber Ayatollah Khomeini und seiner Politik einschlagen – bis hin zur Drohung mit Militärschlägen. Zudem habe er die Hoffnung geäußert, dass durch westlichen Druck die moderaten Kräfte im Land gestärkt werden könnten. Die Hoffnung zerschlug sich wenig später mit dem Tode Khomeinis und der Wahl Ali Khameneis zum politischen und religiösen Führer des Iran. Ruhani wird in Israel selbst jetzt noch als Außenseiter mit nur wenig Macht gesehen.

Israels Regierung, allen voran Premierminister Benjamin Netanjahu, will deshalb bei seiner strikten Gangart gegenüber Iran bleiben. Die Wahl Ruhanis bedeute nichts, sagt er immer wieder. Iran müsse sein Atomprogramm komplett einstellen.

Militär und Sicherheitsdienste weisen mittlerweile aber offen darauf hin, dass es durchaus Anzeichen dafür gibt, dass Ruhani nicht der sei, für den man ihn gehalten habe. So wird angemerkt, dass der Mann für einen Außenseiter nach dem Amtsantritt Khameneis eine erstaunliche Karriere absolviert hat – Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates, Atomunterhändler. Es sei durchaus möglich, dass Ruhani der sei, der nach dem bei der Führung zuletzt ziemlich unbeliebten Mahmud Ahmadinedschad aufräumen soll, sagte der ehemalige Mossad-Chef Meir Dagan.

Hinzu kommt, dass die Anzeichen deutlicher werden, dass die Führung in Teheran aus der internationalen Isolation raus will. Eine Einigung in der Atomfrage sei leicht, wenn es der Westen nur wolle, sagte Khamenei vergangene Woche. Kurz darauf beklagten sich mehrere Funktionäre der Hamas im Gaza-Streifen darüber, dass die Gelder aus Teheran ausbleiben.

Dagan forderte Netanjahu deshalb öffentlich dazu auf, die Annäherung an Teheran zu wagen. Doch der Regierungschef zeigt sich stur. Iran sei noch der gleiche wie vor einem Monat, erwiderte er. Die meisten Medien sehen hinter Äußerungen wie diesen vor allem wahltaktische Erwägungen. Netanjahu hatte sich im Wahlkampf als starker Mann dargestellt, der Israel vor Iran rettet. Drei Monate nach der Regierungsbildung, in einer Situation, in der die Koalition über Haushalts-, Sozial- und Friedenspolitik zerstritten ist, ist dieses Bild das Einzige, was Netanjahu geblieben ist.

* Aus: neues deutschland, Montag, 1. Juli 2013

Ruhani: Mein Politikziel ist Entspannung

Erste Fernsehrede des neuen Iran-Präsidenten

Der designierte iranische Präsident Hassan Ruhani strebt für seine Amtszeit eine Entspannung der Beziehungen zu den Staaten an. »Mäßigung bedeutet in der Außenpolitik weder Kapitulation noch Konfrontation, sondern eine konstruktive und effiziente Verständigung mit der Welt«, sagte er am Sonnabend in der ersten TV-Ansprache seit seiner Wahl am 14. Juni. Ruhani tritt am 3. August sein Amt an.

Es müsse ein Dialog mit anderen Ländern auf der Grundlage der Gleichheit, des gegenseitigen Respekts und des Vertrauens geführt werden, fuhr der Nachfolger von Staatschef Mahmud Ahmadinedschad fort. Die Außenpolitik werde »unter Berücksichtigung aller Rechte der Nation« und gemäß der Anweisungen des geistlichen Oberhaupts Ayatollah Ali Chamenei geführt, sagte der frühere Atomunterhändler. Er werde einen Politikstil pflegen, in dem ein »Gleichgewicht zwischen Realismus und Idealismus« angestrebt werde.

Ruhani war überraschend bereits in der ersten Runde der Präsidentenwahl gewählt worden. Die Iraner hätten sich »für einen neuen Weg« entschieden und zwar für einen Weg, der Wandel bedeute. Der Kleriker, der von Moderaten und Reformern unterstützt wurde, kündigte an, dass seine Regierung keiner Partei und keinem Lager verpflichtet sein werde und sich aus kompetenten und moderaten Politikern aller Richtungen zusammensetzen werde.

(nd, 01.07.2013)




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