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Reformer in Iran kritisieren Präsident Ahmadinedschad

Der innenpolitische Druck durch die Opposition wird größer

Von Karin Leukefeld *

In Iran hat der Wahlkampf für die Parlamentswahlen im März 2008 begonnen. Die moderaten Parteien haben ein Bündnis geschlossen und kritisieren Präsident Ahmadinedschad.

Der iranische Präsident Ahmadinedschad bekommt innenpolitischen Gegenwind. Inflation, Arbeitslosigkeit und die anhaltende Krise um das iranische Atomprogramm belasten die iranische Wirtschaft trotz hoher Einnahmen aus dem Erdölexport. Ein Reformbündnis aus 21 Parteien will zu den Parlamentswahlen am 14. März 2008 antreten.

»Ist das Macht? Wenn wir keinen Kreditbrief ausstellen können? Wenn ein iranischer Student nicht sein Wunschfach im Ausland studieren kann? Wenn Bankgeschäfte eingeschränkt und die ökonomischen Risiken gewachsen sind? Ist das Macht?« Diese scharfe Kritik an den Äußerungen Präsident Ahmadinedschads, wonach die Macht der Islamischen Republik deutlich gewachsen sei, übte vor wenigen Tagen der iranische Geistliche Hassan Rowhani gegenüber der Tageszeitung Jam-e-Jam.

Die Schwierigkeiten der US-Armee in Irak und Afghanistan hätten »goldene Möglichkeiten« für Iran geschaffen, so Rowhani, doch die Regierung habe »die Chancen nicht genutzt«. In Anspielung auf Briefe Ahmadinedschads an US-Präsident George W. Bush und Bundeskanzlerin Angela Merkel, meinte Rowhani bissig: »Eine Strategie des Briefeschreibens und Parolen sind keine Strategie, der wir folgen wollen.« Die Regierung würde zudem die Talente und Fähigkeiten »hunderter« erfahrener Diplomaten und außenpolitischer Experten nicht nutzen, kritisierte Rowhani weiter.

Der scharfzüngige Geistliche leitete unter dem früheren Präsidenten Mohammad Chatami die internationalen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm. Er gilt als »Moderator« und Vertrauter des früheren Präsidenten Akbar Haschemi Rafsandschani, der heute dem Richterrat vorsitzt und bei den Präsidentschaftswahlen 2005 unterlegen war. Auch der frühere Außenminister Kamal Charrazi kritisierte Ahmadinedschad. Obwohl klar sei, dass Iran kein Atomwaffenprogramm habe, sei die USA mit ihren westlichen Verbündeten inklusive Deutschland dabei, eine dritte Resolution im UN-Sicherheitsrat gegen Iran durchzuboxen, und werde sich vermutlich auch damit nicht zufrieden geben, sagte Charrazi der Zeitung Aftab-e-Yazd.

Beobachter registrieren derzeit eine ungewöhnlich offene Debatte um die Politik Ahmadinedschads, der durch mangelnde wirtschaftliche Erfolge, Inflation und Arbeitslosigkeit innenpolitisch unter Druck geraten ist. In Iran hat der Wahlkampf begonnen, am 14. März sind Parlamentswahlen und beide politischen Lager, die Konservativen um Präsident Ahmadinedschad und die Reformer, gehen in Startposition.

Am vergangenen Freitag wurde offiziell die Reformkoalition vorgestellt, an deren Zustandekommen der frühere Präsident Mohammad Chatami erheblichen Anteil gehabt haben soll. Die Koalition aus 21 moderaten Parteien wolle das Parlament zurückerobern, sagte der Sprecher des Bündnisses, Abdollah Naseri. »Das Land ist in einer ernsten Krise. Alle Parteien haben sich geeinigt, die unqualifizierten Aktivitäten der Regierung zu bremsen.« Zu dem Bündnis zählen u. a. die Islamisch-Iranische Teilhabe- Front, die Partei des Wiederaufbaus (Rafsandschani) sowie die Klerikervereinigung (Chatami).

Die Nationale Vertrauenspartei des früheren Parlamentssprechers Mehdi Karroubi habe angekündigt, 80 Prozent ihrer Kandidaten mit der Koalition antreten zu lassen, so Abdollah Naseri. Die größte Sorge sei allerdings, dass der konservative Wächterrat wie bei den Wahlen im Februar 2004 erneut Kandidaten von der Wahl ausschließen könnte. Um das zu verhindern, führten bereits Karroubi, Chatami und Rafsandschani auf höchster Ebene Gespräche, sagte ein weiterer Sprecher des Bündnisses. Man wolle den Rat daran erinnern, »dass es nicht seine Aufgabe ist, Entscheidungen für das Volk zu treffen«.

Iranischen Medienberichten zufolge soll das Reformbündnis mit Hassan Rowhani und dem früheren Vizepräsidenten Mohammad Haschemi als Spitzenkandidaten in die Wahlen ziehen.

* Aus: Neues Deutschland, 22. Dezember 2007


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