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Es gibt einen Ausweg

Atomstreit mit dem Iran: Der Westen muss Sicherheitsgarantien und eine vom Ausland unabhängige Energieversorgung zugestehen

Von Norman Paech *

Es kam wie es kommen musste. Der Iran hat das Ultimatum des Sicherheitsrats verstreichen lassen und baut weiter an seiner Urananreicherungsanlage. Die Reaktionen im Westen sind ungewohnt defensiv, nicht einmal enttäuscht, denn niemand hatte wohl anderes erwartet. Diese Runde ging zweifellos an den Iran und sollte den zusätzlichen Lerneffekt haben, die Regierung in Teheran nicht mehr zu unterschätzen. Das ist für die nächste Runde wichtig, in der es nach Beteuerung aller Beteiligten immer noch um Verhandlungen geht. Doch ist es noch unklar, ob mit Sanktionsdrohung oder ohne und wie man aus der Sackgasse heraus kommt.

Außenminister Steinmeier hat uns eine begrüßenswerte Maxime seiner Politik mitgeteilt: Reden ist besser als Schießen. Sie dürfte von allen - bis auf manche ranghohe Kreise in den USA - geteilt werden. Doch können auch Reden und Verhandlungen so geführt werden, dass sie schließlich in Gewalt enden. Es kommt auf den Inhalt und die Art an, wie man mit dem Gegenüber umgeht. Und dazu muss der Westen offensichtlich noch lernen, dass der Iran trotz mancher Reden seines Präsidenten eine ernst zu nehmende Macht ist. Denn es wäre eine Illusion, immer noch zu glauben, Teheran von seinem Atomprogramm zu zivilen Zwecken durch Verhandlungen endgültig abbringen zu können. Vielleicht ein Moratorium, nicht aber ein definitiver Verzicht.

Den Kern der Forderungen Teherans bilden eine vom Ausland unabhängige Energieversorgung für die Zukunft und verlässliche Sicherheitsgarantien, die einen Gewaltverzicht der USA gegenüber dem Iran beinhalten müssten. Beides hat der Westen bis jetzt bewusst vermieden. Seinen Verhandlungsführern fehlt wohl die Vorstellungskraft, sich in die Sicherheitslage des Iran zu versetzen: Im Osten und im Westen eingerahmt von zwei US-Protektoraten, deren aktueller Zustand keine verheißungsvolle Botschaft für Staaten aussendet, die von der Bush-Regierung auf der Achse des Bösen angesiedelt werden. In der weiteren Nachbarschaft Staaten, die von den USA an der Leine gehalten werden. Und dahinter Israel, als Atommacht zumindest kein Garant für Frieden und Sicherheit in der Region.

In solch feindlicher Umgebung bedarf es anderer Angebote als die Lieferung von Leichtwasserreaktoren und Brennstoff, und das von Atommächten, die selbst ihre Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag zur Abrüstung nicht einhalten. Und Sanktionen haben nachweisbar kaum jemals Erfolg gehabt - reine Symbolpolitik, die zwar die Bevölkerungen massiv treffen kann, aber nie die erwünschten Regimewechsel bewirkt. Russlands Außenminister hat sie bereits als Sackgasse bezeichnet.

Nach dem jüngsten Krieg Israels gegen den Libanon sollte auch bei den USA Ernüchterung über die Möglichkeit eines militärischen Eingriffs eingetreten sein. Ob der Angriff nun als Blaupause für ein Vorgehen gegen den Iran geplant war oder nicht, ob die israelische Armee einen Sieg davon getragen hat oder nicht - der erhoffte Aufstand gegen die Hisbollah fand nicht statt, sie scheint sogar gestärkt, und die politischen Kosten für Israel sind immens, selbst wenn sich die UNO mit ihrer Truppenstationierung im Südlibanon faktisch hinter Israel gestellt hat. Rechnet man das Ergebnis hoch auf einen Krieg gegen den Iran, so wäre die Entscheidung dafür nicht nur riskant, dumm, ja verbrecherisch, sondern wohl das endgültige Signal an die Staaten, sich mit Atomwaffen auszurüsten, um einem solchen Schicksal zu entgehen.

Wo ist also der Ausweg? Als oberste Devise gilt derzeit: die Einheit der Verhandlungsposition gegenüber dem Iran zu wahren. Doch gibt es sie überhaupt noch, wenn man sich nicht von Russland und China abkoppeln will? Realistische Außenpolitik sollte sich immer eine Alternative offen halten. Und die läge in der Anerkennung der Urananreicherung für zivile Zwecke - unter der Kontrolle der Internationalen Atombehörde - und in einer umfassenden Sicherheitsgarantie der USA. Auf dieser Ebene könnte man die Einheit mit Russland und China wiederherstellen, und es wäre immer noch weniger als das, was man Israel, Indien und Pakistan bislang eingeräumt hat. Das größte Problem scheinen dabei die USA zu sein, die sich von ihren Plänen eines gewaltsamen Regimewechsels immer noch nicht verabschiedet haben. Im äußersten Fall stände Außenminister Steinmeier vor der ihm ja bekannten Aufgabe, der Bush-Administration erneut die Gefolgschaft zu verweigern - wenn er es denn ernst meint.

* Aus: Freitag 36, 8. September 2006


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