Bewegung im Atomstreit - Wirklich neue Töne aus dem Weißen Haus? - Die Kriegsgefahr nicht gebannt
Aus dem neuesten Iran-Report von Bahman Nirumand *
* Seit geraumer Zeit gibt der bekannte Iran-Experte Bahman Nirumand für die Heinrich-Böll-Stiftung den "Iran-Report" heraus aus dessen letzter Nummer wir den außenpolitischen Teil im Folgenden dokumentieren.
Bahman Nirumand spricht auf der Kundgebung der Friedensbewegung am 13. Juli 2006 anlässlich des Besuchs des US-Präsidenten George W. Bush in Stralsund.
Djannati: „Die Europäer können sich
ihr Angebot an den Hut stecken“
Der Vorsitzende des Wächterrats, Ayatollah
Ahmad Djannati, sagte am 10.
Juni beim Freitagsgebet in Teheran:
„Das Paket, das die Europäer uns gebracht
haben, können sie sich selbst
an den Hut stecken. Für die Menschen
im Iran ist das Angebot nutzlos. Die
Europäer sollten wissen, dass unser
Volk, der Revolutionsführer und alle
anderen, die in diesem Land eine Rolle
spielen, nicht einmal um einen kleinen
Schritt von ihrer Position zurückweichen
werden.“ Der ultrakonservative
Geistliche betonte, Iran werde auf jeden
Fall auf die Urananreicherung bis
zu einem Grad von 3,5 bis 5 Prozent
bestehen und die anderen würden es akzeptieren
müssen.
Chamenei lehnt Gespräche mit den USA
ab
Revolutionsführer Ali Chamenei hat im
Atomkonflikt direkte Gespräche mit den
USA abgelehnt. Die von der USRegierung
angebotenen Verhandlungen
nutzten der Islamischen Republik
nichts und seien daher nicht im iranischen
Interesse, sagte er am 27. Juni
einem Bericht des iranischen Fernsehens
zufolge. Die USA erklärten, sie
gingen nicht davon aus, dass dies das
letzte Wort Irans zu dem Angebot sei.
Die Äußerungen Chameneis seien nicht
eindeutig, sagte USPräsidentensprecher
Tony Snow.
Chamenei äußerte sich zugleich aber
positiv über Verhandlungen zur Lösung
des Atomstreits. Die Basis dafür sei
gelegt, sagte er. „Mit Amerika zu verhandeln
bringt keine Vorteile für uns
und wir brauchen solche Verhandlungen
nicht. Wir werden mit niemandem über
unser Recht verhandeln, die Atomtechnologie
zu beherrschen und zu nutzen.
Wenn dieses Recht anerkannt wird, sind
wir bereit über internationale Kontrollen,
Aufsicht und Garantien zu reden,
und die Basis für solche Verhandlungen
ist gelegt.“
Außenminister Mottaki: Gute Chancen
für Antwort Irans vor G-8-Gipfel
Irans Außenminister Manuchehr Mottaki
sagte dem Hamburger Magazin „Stern“,
er sehe gute Chancen, dass sein Land
noch vor dem G-8-Gipfel Mitte Juli in
St. Petersburg auf die Vorschläge der
fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats
und Deutschlands reagieren
wird. „Wenn alle den guten Willen
behalten, können bald Gespräche
beginnen“ sagte Mottaki.
Der Minister äußerte jedoch seine
Zweifel am guten Willen der USA. „Dass
sie schon vor Beginn Bedingungen stellen,
lässt uns an der Aufrichtigkeit
ihres Angebots zweifeln“, sagte er dem
„Stern“. Es gebe nur zwei Möglichkeiten:
Zusammenarbeit oder Konfrontation.
„Wir bevorzugen das zuerst genannte.
Aber wir müssen uns für alle Eventualitäten
wappnen.“
Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana
hatte Iran das Angebotspaket am 6. Juni
in Teheran vorgelegt. Mottaki hatte
bislang abgelehnt, sich auf ein Datum
für die Antwort festzulegen. Irans
Präsident Ahmadinedschad hatte eine
Antwort bis zum 22. Juli angekündigt.
Allen voran die USA drängen auf eine
Antwort bis zum Gipfeltreffen der G-8-
Staaten vom 15. bis 17. Juli in St.
Petersburg. Laut iranischer Presse
wird sich Solana Anfang Juli noch einmal
nach Teheran begeben, um das Angebot
der Veto-Mächte plus Deutschland
zu erläutern.
Bush droht Iran mit schärferen Sanktionen
US-Präsident George W. Bush hat Iran
mit schärferen politischen und wirtschaftlichen
Sanktionen gedroht, sollte
das Land seine umstrittenen Nuklearaktivitäten
nicht einstellen. „Wenn
die iranische Führung unser Angebot
ablehnt, wird der Fall vor den Sicherheitsrat
gebracht, Iran international
noch stärker isoliert, und es wird
schrittweise schärfere politische und
wirtschaftliche Sanktionen geben“,
sagte Bush am 19. Juni in King’s Point
im US-Bundesstaat New York.
„Wenn die iranische Führung Frieden,
Wohlstand und eine bessere Zukunft für
ihr Volk möchte, sollte sie unser Angebot
annehmen, sämtliche Ambitionen
zur Herstellung von Atomwaffen aufgeben
und ihre internationalen Verpflichtungen
einhalten, sagte Bush an
der Handelsakademie King’s Point. Die
USA und ihre Partner seien „vereint“,
fügte er hinzu. Das Angebot der fünf
UN-Vetomächte und Deutschlands sei
„vernünftig“ und eine „historische Ge-
legenheit“ für die iranische Regierung,
„ihr Land auf einen besseren
Kurs zu bringen“.
Bush zeigte Verständnis für den „legitimen
Wunsch“ der Iraner, die Atomenergie
zivil zu nutzen, solange dies
„mit echten internationalen Schutzmechanismen
einhergeht“.
Ahmadinedschad: Angebot im Atomstreit
„Schritt nach vorn“
Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad
hat zum ersten Mal offiziell
zu dem Lösungsvorschlag der fünf ständigen
Mitglieder im UN-Sicherheitsrat
und Deutschlands Stellung genommen.
„Wir bewerten das Angebot als einen
Schritt nach vorne, und ich habe meine
Kollegen angewiesen, es genau zu prüfen“,
sagte er am 16. Juni in Shanghai
nach einem Treffen mit dem chinesischen
Präsidenten Hu Jintao. Teheran
werde „zu gegebener Zeit“ eine Antwort
vorlegen. „Wir haben nicht vor, atomare
Waffen zu entwickeln“, betonte Ahmadinedschad.
Sein Land habe stets
Verhandlungen bevorzugt und versucht
Spannungen zu vermeiden. Auf die Frage,
ob bei seinem Treffen mit Hu und
dem russischen Präsidenten Wladimir
Putin auch über mögliche Sanktionen
gegen sein Land gesprochen worden sei,
sagte Ahmadinedschad, das Wort Sanktionen
sollte aus der politischen Sprache
gestrichen werden. „Druck auf andere
Staaten akzeptieren wir nicht.
Deswegen sprechen wir niemals darüber“.
Über den Inhalt seiner Gespräche
mit Hu und Putin wollte er keine
Auskunft geben. Zu diesen Ländern
pflege Iran seit langem gute Beziehungen
und da sei es nur natürlich, dass
„alle Aspekte“ angesprochen würden,
unter anderem auch der Streit um das
iranische Atomprogramm.
Die Stellungnahme Ahmadinedschads, der
sich zur Teilnahme an einem Gipfeltreffen
der Shanghaier Kooperationsorganisation
(SCO) in Shanghai aufhielt,
wurde im Westen mit Wohlwollen registriert.
Dennoch bestehen erhebliche
Zweifel darüber, ob Iran tatsächlich
auf das Angebot eingehen und vor allem
die darin enthaltene Forderung, auf
die Urananreicherung im eigenen Land
zu verzichten, akzeptieren wird. Pessimisten
vertreten die Ansicht, dass
die positiven Signale aus Teheran eher
der bekannten Verzögerungstaktik Irans
zuzurechnen sind und dazu dienen, Zeit
zu gewinnen, um die Differenzen zwischen
China und Russland einerseits
und den USA und der EU andererseits zu
vertiefen und für sich auszunutzen.
Diese Skepsis teilt offenbar auch die
US-Regierung. Stephen Hadley, nationaler
Sicherheitsberater von USPräsident
George W. Bush, sagte vor
der Presse in Washington: „Das Augenmerk
liegt zum jetzigen Zeitpunkt natürlich
darauf, zu versuchen, der iranischen
Regierung einen positiven Weg
aufzuzeigen.“ Es sei jedoch „klar“,
dass es auch einen „anderen Weg“ gebe,
der für die Führung in Teheran „Konsequenzen“
haben werde.
Grund für die Skepsis lieferten auch
die Äußerungen des iranischen Revolutionsführers
Ali Chamenei. Das geistliche
Oberhaupt des Gottesstaates, der
die Richtlinien der Politik festlegt,
sagte, Iran werde sich keinem Druck
des Westens beugen. „Der wertvolle und
ehrenhafte Beitrag der iranischen Jugend
in der Nukleartechnologie ist ein
historischer Schritt. Diese wissenschaftlichen
Schritte sollten mit aller
Kraft und in verschiedene Richtungen
fortgesetzt werden.“ (Anmerkung
d.A.: Gemeint sind die jungen Wissenschaftler,
die die Atomtechnologie
weiterentwickelt und erfolgreich die
Urananreicherung erreicht haben.)
Indes drängte die EU Teheran zu einer
raschen Entscheidung über das Angebot
der fünf Veto-Mächte plus Deutschland.
„Der Europäische Rat fordert Iran
nachdrücklich auf, bald eine positive
Antwort auf diese weit reichende Initiative
zu erteilen und die Voraussetzungen
für eine Wiederaufnahme der
Verhandlungen zu schaffen“, hieß es im
Abschlussdokument des EU-Gipfels, der
am 16. Juni zu Ende ging. Die Staats-
und Regierungschefs der EU bekräftigen
ihren Willen zu einer diplomatischen
Lösung, die einerseits den Bedenken
der internationalen Staatengemeinschaft
gegen das iranische Atomprogramm
Rechnung tragen und andererseits
das Recht Irans auf die friedliche
Nutzung der Atomenergie respektieren
soll.
An der positiven Äußerung Ahmadinedschads
ist tatsächlich Skepsis angebracht.
Es darf bezweifelt werden,
dass er, der seine Macht aus radikalen
Stellungnahmen und künstlicher Krisenerzeugung
bezieht, nun auf einmal dazu
bereit sein sollte, klein beizugeben
und die Forderung nach vollständiger
Einstellung der Urananreicherung im
eigenen Land zu akzeptieren. Hat er
doch seit seiner Amtsübernahme das
Recht Irans auf Herstellung des atomaren
Brennstoffs zu einer Frage der nationalen
Ehre hochstilisiert und den
Konflikt auf die Spitze getrieben. Wie
würde er vor den Massen, deren Emotionen
er aufgepeitscht hat, dastehen,
wenn er plötzlich einlenken würde? Zumal
das Recht, das der Iran beansprucht,
tatsächlich zu den verbrieften
Rechten der Mitglieder des Atomsperrvertrags
gehört.
Es ist eher anzunehmen, dass die Signale,
die Ahmadinedschad aus Shanghai
sendete, den Zielen dienen sollen, die
er und seine radikalislamistischen
Kampfgefährten verfolgen. Zunächst
geht es um die Position Russlands und
Chinas im iranischen Atomkonflikt. Teheran
ist bestrebt, die Differenzen
zwischen diesen beiden Mächten und den
USA bzw. der EU zu vertiefen, um dadurch
mögliche wirtschaftliche oder
gar militärische Sanktionen gegen den
Iran verhindern zu können. Dazu
braucht er Zeit. Die positiven Signale
sollen die Hast, mit der die USA und
die EU auf eine Entscheidung drängen,
eindämmen.
Doch die Ziele, die der iranische Regierungschef
bei seiner Teilnahme am
Gipfeltreffen der Shanghaier Kooperationsorganisation
(SCO) anstrebt, gehen
weit darüber hinaus. Seine Absicht
ist, dem Regional-Bündnis, dem neben
Russland und China die zentralasiatischen
Staaten Kirgisien, Tadschikistan,
Kasachstan und Usbekistan angehören,
beizutreten. Iran war neben Indien,
Afghanistan, Pakistan und der
Mongolei als Beobachter zu dem Gipfel
eingeladen worden.
Die Teilnahme an einem solchen Bündnis,
das der steigenden Einflussnahme
der USA im Nahen und Mittleren Osten
Einhalt gebieten soll, wäre ein wichtiger
Schritt zur Realisierung der erklärten
Strategie Teherans, weg vom
Westen, hin zum Osten. Sollte tatsächlich,
wie von Ahmadinedschad auf dem
Gipfel gefordert, hier ein neuer,
mächtiger Block entstehen, könnte Iran
als Brückenland zwischen dem Nahen und
Mittleren Osten eine enorm wichtige
Rolle spielen.
In seiner Rede auf dem Gipfel, die im
chinesischen Fernsehen direkt übertragen
wurde, sagte Ahmadinedschad, sein
Land sei bereit, die Kooperation mit
SCO-Ländern im Interesse des internationalen
Friedens und der Sicherheit
weiter auszubauen. Er bot an, ein
Treffen der Energieminister der SCOLänder
in Iran abzuhalten. Ohne die
USA beim Namen zu nennen, warnte der
iranische Regierungschef vor „beherrschenden
Mächten“. Er rief die sechs
Mitglieder der SCO auf, sie sollten
die „Drohungen der beherrschenden
Mächte“ als Einmischung in die inneren
Angelegenheiten anderer Staaten zurückweisen.
Er fügte auch hinzu, die
Shanghai-Gruppe könne eine „starke und
einflussreiche“ Gruppe werden.
Unmittelbar nach der Rede Ahmadinedschads
hat US-Verteidigungsminister
Donald Rumsfeld die SCO wegen ihrer
Verbindung zu Iran kritisiert. Es sei
merkwürdig, dass eine Organisation,
die den Terrorismus ablehnt, „den führenden
Terrorstaat, Iran, aufnehmen
will“, sagte Rumsfeld am 17. Juni auf
einer Konferenz in Singapur.
Laridjani: Washington plant einen Regimewechsel
in Iran
Irans Chefunterhändler bei den Atomverhandlungen,
Ali Laridjani, ist Medienberichten
zufolge der Ansicht,
dass die USA auf jeden Fall das Teheraner
Regime stürzen wollen. „Der Atomstreit
ist nur ein Vorwand“, zitiert
die britische Tageszeitung
„Guardian“ Laridjani am 23. Juni.
„Wenn es nicht dieser Konflikt wäre,
würden die USA einen anderen Grund
finden.“ Laridjani warf den USA vor,
ihre Interessen im Nahen Osten mit Gewalt
durchzusetzen. So mache beispielsweise
die US-Politik im Irak eine
Einigung im Atomstreit schwieriger.
„Sie wollen die ganze Region in Brand
stecken“, sagte Laridjani und warnte
vor wirtschaftlichen Konsequenzen wie
einer drastischen Erhöhung des Ölpreises.
Das Angebotspaket der fünf Vetomächte
plus Deutschland bezeichnete Laridjani
dem „Guardian“ zufolge als „Predigt“
und wies die Forderung der Verhandlungspartner,
Iran solle sein Atomprogramm
vollständig aussetzen, zurück.
Der Vorschlag sei von Anfang bis Ende
zweideutig. Sein Land werde detaillierte
Gegenvorschläge bringen, sagte
Laridjani.
Schäuble lehnt Treffen mit iranischem
Innenminister ab, Teheran dementiert
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble
hat ein Treffen mit dem iranischen Innenminister
Mostafa Pourmohammadi abgelehnt,
weil Iran nicht seinem Gesuch
nachgekommen ist, den deutschen Hochseeangler
Donald Klein, der sich in
Teheran in Haft befindet, vorzeitig zu
entlassen. Klein und ein französischer
Freund waren Ende November beim Hochseeangeln
in der Meeresenge von Hormus
in iranische Hoheitsgewässer geraten
und festgenommen worden. Beide wurden
zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt.
Einen Tag vor Schäubles Erklärung hatte
Irans Justizsprecher Djamal Karimi
Rad bekannt gegeben, dass die Justiz
eine vorzeitige Entlassung Kleins abgelehnt
habe.
Der Mitteilung des Bundesinnenministeriums
zufolge hatte die iranische Botschaft
zu Beginn der Fußball-
Weltmeisterschaften anfragen lassen,
ob Schäuble zu einem Gespräch mit
Pourmohammadi bereit sei, der ein WMSpiel
der iranischen Nationalmannschaft
in Deutschland besuchen wolle.
Für ein Gespräch hätten „bei allen Bedenken“
zwei Aspekte gesprochen:
Schäuble hätte noch einmal für eine
vorzeitige Entlassung Kleins intervenieren
können, und er hätte dem iranischen
Regierungsmitglied erneut verdeutlichen
können, dass die Äußerungen
des iranischen Staatspräsidenten zum
Holocaust und zum Existenzrecht Israels
für Deutschland unerträglich und
absolut inakzeptabel seien.
Mit der Festlegung des iranischen Justizministers
sei eine wesentliche Geschäftsgrundlage
für ein Gespräch während
der WM entfallen, teilte das Ministerium
mit. Das sei dem iranischen
Botschafter übermittelt worden.
Nach einem Bericht des Magazins „Focus“
handelt es sich bei Pourmohammadi
um einen früheren Staatsanwalt, der
1980 im Auftrag von Ayatollah Chomeini
in der Unruheprovinz Bandar Abbas Tausende
Menschen zum Tode verurteilt
hat. In einem Fall habe er 64 Menschen,
darunter viele 16-jährige Schüler,
erschießen und ihre Gräber von
Bulldozern platt walzen lassen. Ab
1990 sei er Leiter der Auslandsspionage
und Stellvertreter von Geheimdienstminister
Ali Fallahian gewesen.
Nach einem Urteilsspruch des Berliner
Kammergerichts war Fallahian Drahtzieher
des Mordanschlags, dem 1992 im
Berliner Restaurant „Mykonos“ vier iranische
Oppositionelle zum Opfer gefallen
waren.
Indes hat Innenminister Pourmohammadi
die Mitteilung Schäubles dementiert.
Er habe von Schäuble eine schriftliche
Einladung nach Deutschland erhalten,
sagte der Minister vor der Presse in
Teheran. Er warte nur auf einen „günstigen
Zeitpunkt“, um die Reise antreten
zu können.
Zentralrat der Juden fordert Sanktionen
gegen Iran
Der Zentralrat der Juden in Deutschland
hat von der Bundesregierung verlangt,
Wirtschaftssanktionen gegen Iran
zu verhängen. Die Regierung müsse
ihrer Kritik endlich Taten folgen lassen,
sagte Zentralrats-Generalsekretär
Stephan Kramer der „Netzeitung“. „Sie
muss Iran klar machen, dass Wirtschaftsbeziehungen
nur stattfinden
können, wenn politisch etwas geschieht
in diesem Land, wenn sich etwas verändert.“
Kramer warf der Bundesregierung
vor, sich politisch zu wenig mit dem
islamischen Staat auseinander zu setzen.
Kramer sagte laut „Netzeitung“,
Deutschland sei nicht nur der „größte
Gläubiger“ des Iran, es würden auch
Hermes-Bürgschaften für die deutsche
Industrie zur Verfügung gestellt. „Wir
haben ein Investitionsvolumen von über
3,6 Milliarden Euro pro Jahr.“ Dieses
Potential müsse die Bundesregierung
nutzen, um den Iran unter Druck zu
setzen. Konkret mahnte Kramer konsequentere
Gespräche über das iranische
Atomprogramm an. Auch gegen Menschenrechtsverletzungen
werde nichts unternommen.
Der Generalsekretär forderte auch ein
Einreiseverbot für den iranischen Präsidenten
Ahmadinedschad. Das Argument,
es sei rechtlich nicht möglich, halte
er für „außerordentlich kurzbeinig“.
„Die Bundesregierung soll sich nicht
hinter scheinheiligen Argumenten verstecken.“
Ansonsten entstehe der Eindruck,
dass außen- und wirtschaftspolitische
Interessen höher bewertet
würden.
Auch der israelische Politiker und Ex-
Minister Nathan Sharansky hat eine härtere
Gangart im Umgang mit dem iranischen
Staatspräsidenten Ahmadinedschad
gefordert. Er sagte der Bild-Zeitung:
„Dieser Mann muss gestoppt werden, bevor
er die Welt ins Unglück stürzt.“
Um ein Einlenken Irans im Atomstreit
zu erreichen, brauche die Weltgemeinschaft
„von allem etwas: Militärischen
Druck, Wirtschaftssanktionen, und wir
müssen politisch auf einen Regimewechsel
hinarbeiten“.
Auf die Frage nach einem möglichen Militärschlag
gegen Iran sagte der israelische
Politiker und ehemalige Sowjet-
Dissident: „Wenn Ahmadinedschad
den Weg des alles oder nichts geht –
wie er sich ausdrückt – und die freie
Welt nicht reagieren sollte, dann gibt
es keinen Zweifel daran, dass Israel
reagieren wird.“
Die Bundesregierung forderte Sharansky
auf, einen Besuch Ahmadinedschads zur
Fußball-WM in Deutschland zu verhindern:
„Ich erwarte von der deutschen
Regierung, dass sie ihm klar sagt,
dass er nicht erwünscht ist. Es gibt
kein Land auf der Erde, dass besser
wissen sollte als Deutschland, wie gefährlich
es ist, Hitler oder ähnliche
Gestalten gewähren zu lassen.“
Den Vergleich Ahmadinedschads mit Hitler
zog auch die neu gewählte Präsidentin
des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Charlotte Knobloch. „Für
mich ist dieser Mann ein zweiter Hitler.
Er leugnet den Holocaust. Das ist
in Deutschland strafbar“, sagte Knobloch
der Bild-Zeitung. Sollte Ahmadinedschad
zur Fußball-WM in Deutschland
anreisen, dürfe die Bundesregierung
den Staatschef nicht mit diplomatischer
Immunität schützen“, sagte sie.
„Vielmehr sollten die Behörden gegen
ihn ermitteln.“ Zuvor hatten bereits
andere Vertreter der Jüdischen Gemeinde
in Deutschland gedroht, Ahmadinedschad
bei einem WM-Besuch mit einer
Reihe von Strafanzeigen wegen Volksverhetzung
zu überziehen.
Jüdischer Weltkongress befasste sich
mit Iran
Der politische Rat des Jüdischen Weltkongresses
(WJC) hat sich auf seiner
Tagung in Berlin am 28. Juni unter anderem
mit den antiisraelischen Äußerungen
des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad
befasst.
Dem erst im Januar gebildeten politischen
Rat gehören 25 Delegierte an,
unter ihnen auch Nicht-Mitglieder des
WJC, die sich für jüdische Belange
einsetzen. Unter den Teilnehmern waren
außer dem WJC-Vorsitzenden, Rabbiner
Israel Singer, auch der frühere Bundesaußenminister
Joschka Fischer sowie
die französische Politikerin und
Auschwitz-Überlebende Simone Veil.
Der WJC ist der politische Dachverband
von jüdischen Organisationen aus etwa
80 Ländern. Er wurde 1936 in Genf gegründet.
Er setzt sich für die Belange
der Juden in der ganzen Welt ein.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland
bekräftigte anlässlich der Tagung
seine Kritik am Umgang der deutschen
Bundesregierung mit Vertretern der iranischen
Regierung. Die Vorsitzende
Knobloch sagte, sie sei überrascht gewesen,
dass der Bundesinnenminister
seinen iranischen Amtskollegen während
der Fußball-Weltmeisterschaft nicht
empfangen habe, der Außenminister aber
sehr wohl. Wenn der Weg beschritten
werde, den Iran international zu isolieren,
dann sei das ein kleiner Fortschritt,
sagte Knobloch, die zugleich
Vizevorsitzende des Rates des JWC ist.
Der Iran sei eine Gefahr für die ganze
Welt.
Knobloch machte Iran für die gegenwärtig
stark angespannte Lage im Nahen
Osten verantwortlich. Sie sagte im Inforadio
RBB, die Regierung in Teheran
unterstütze seit Jahren die radikalislamische
Hamas in ihrer Absicht, den
Staat Israel auszulöschen. Vom Westen
erwarte sie, „dass er Iran die rote
Karte zeigt“. Sie plädierte für eine
politische Isolierung Teherans als
„Beginn eines richtigen Weges“. Wegen
wirtschaftlicher Interessen sei im
Westen „natürlich eine Zurückhaltung
vorhanden“, aber das sollte überdacht
werden, „da ja Iran auch uns, den Westen,
sehr dringend benötigt, und ich
glaube, da hat man auch Ansatzpunkte.“
WJC-Vorsitzender Singer, der aus den
USA stammt, bezeichnete es als erschreckend,
dass ein Staatschef noch
heute eine solche Sprache spreche. Die
Äußerungen Ahmadinedschads seien nicht
allein ein Problem für Juden, sondern
für jeden Menschen.
Auch der Historiker Julius Schoeps
warf der deutschen Gesellschaft vor,
den antisemitischen Äußerungen Ahmadinedschads
nicht engagiert genug entgegenzutreten.
In der Netzeitung vom 28.
Juni sagte der Direktor des Moses-
Mendelssohn-Zentrums für europäisch-
jüdische Studien an der Universität
Potsdam, Wirtschaftsinteressen seien
offenbar dafür verantwortlich, das die
Deutschen den Äußerungen Ahmadinedschads
nicht schärfer entgegen träten.
Die Haltung des Westens gegenüber der
iranischen Regierung sei „eine Form
von Appeasmentpolitik“ (Beschwichtigungspolitik).
Die Haltung der Bundesregierung
sei nicht akzeptabel. Er
wünschte sich vielmehr eine klare
Stellungnahme. Die habe es bisher
nicht gegeben, kritisierte Schoeps.
Eklat um Staatsanwalt Mortazawi
Die kanadische Regierung forderte nach
eigenen Angaben die Bundesregierung
Deutschland auf, den iranischen
Staatsanwalts Saied Mortazawi zu verhaften.
Zur Begründung verwies der kanadische
Ministerpräsident Stephen
Harper am 23. Juni in Radio Canada auf
Mortazawis Verwicklung in den Tod der
iranisch-kanadischen Fotoreporterin
Zahra Kazemi. Das kanadische Außenministerium
habe den Antrag mit einem
mutmaßlichen „Verbrechen gegen die
Menschlichkeit“ begründet, fügte Harper
hinzu. Ein Sprecher der Bundesregierung
erklärte am 25. Juni, es lägen
weder ein Haftbefehl noch ein Auslieferungsbegehren
der kanadischen Regierung
vor.
Kanada hatte sich „entrüstet“ darüber
gezeigt, dass Mortazawi als Mitglied
der iranischen Delegation an der ersten
Sitzung der UN-Menschenrechtskommission
in Genf teilgenommen
hatte. Die Journalistin Kazemi
war am 23. Juni 2003 in Teheran
festgenommen worden, weil sie vor dem
Teheraner Gefängnis Evin Fotos gemacht
hatte. Etwa drei Wochen später wurde
sie tot aufgefunden. Wie sich herausstellte,
war sie an Hirnblutungen infolge
von Schlägen auf den Schädel gestorben.
Die kanadische Regierung
wirft Mortazwai vor, die Festnahme der
Journalistin angeordnet und anschließend
Dokumente gefälscht zu haben, um
„seine Verwicklung in diese Affäre zu
verschleiern“.
Der Antrag sei an die Bundesregierung
gerichtet worden, weil Mortazawi auf
dem Rückweg nach Teheran in Frankfurt
zwischenlande, sagte ein Sprecher des
kanadischen Außenministeriums. Er
wollte nicht erläutern, warum die
Schweizer Behörden nicht um Aushilfe
gebeten wurden.
Laut AFP konnte die Sprecherin des
Bundesjustizministeriums den Flug über
Deutschland nicht bestätigen. Die Reisepläne
der iranischen Seite seien
nicht mit Berlin abgestimmt gewesen.
Außenamtssprecher Martin Jäger sagte
am 23. Juni, es sei damit zu rechnen,
dass Mortazawi im Transit über Frankfurt
fliegen werde. Ob er dies bereits
getan habe oder noch tun werde oder
einen anderen Weg wählen werde, sei
dem Auswärtigen Amt nicht bekannt.
Die kanadische Regierung hat Iran die
Eröffnung von Konsulaten in ihrem Land
untersagt. Teheran unterhält eine Botschaft
in Ottawa, die Mitarbeiter müssen
vor jedem Treffen mit Regierungsvertretern
eine offizielle Erlaubnis
einholen. Die diplomatischen Beziehungen
beider Länder beschränken sich auf
die Themen Menschenrechte und Atom sowie
den Fall Kazemi.
Irans Außenminister Manuchehr Mottaki
bezeichnete den Haftantrag der kanadischen
Regierung als „unlogisch und
rechtlich unbegründet“. „Nach unserer
Auffassung steht es einem Staat, der
noch mit den Wurzeln des britischen
Kolonialismus verwachsen ist, nicht
zu, sich so unlogisch und rechtlich
unbegründet zu äußern und zu erwarten,
dass man ihm zuhört“, sagte Mottaki.
Er habe letztes Jahr dem kanadischen
Außenminister gesagt, „Kanada sollte
die eigenen Grenzen kennen und darauf
achten, mit welchem Land es spricht.
Kanada hat demnach die Botschaft der
Islamischen Republik erhalten. Es ist
deshalb anzunehmen, dass mit dem starken
und aktiven Auftreten Irans auf
der internationalen Bühne solche bodenlose
Stellungnahmen auch in Zukunft
geäußert werden.“
Dem Staatsanwalt Mortazawi wird nicht
nur der Mord an Kazemi vorgeworfen, er
war bereits vor Jahren als Richter
durch sein brutales Vorgehen gegen die
liberale Presse und kritische Journalisten
zu Berühmtheit gelangt. Er gilt
als einer der härtesten Widersacher
des demokratischen und liberalen Denkens.
Gerüchte besagen, dass er demnächst
zum Justizminister ernannt werden
soll.
Die Menschenrechtsorganisation Reporter
ohne Grenzen begrüßte die Initiative
der kanadischen Regierung und
forderte die UNMenschenrechtskommission
auf, zu erklären,
warum jemand wie Mortazawi an
der Gründungssitzung dieser Kommission
am 19. Juni in Genf habe teilnehmen
dürfen. Iran hatte sich vergeblich bemüht,
als eines der 47 Mitgliedsstaaten
in die Kommission gewählt zu werden,
darf aber eine Beobachterdelegation
zu den Sitzungen des Gremiums
schicken. Auch zahlreiche Gruppen der
iranischen Auslandsopposition haben
die Teilnahme Mortazwis kritisiert.
Türkei will im Atomkonflikt vermitteln
Der türkische Ministerpräsident Recep
Tayyip Erdogan hat im Atomstreit mit
Teheran ein Treffen der EU-Troika
Deutschland, Frankreich, Großbritannien
und iranischen Unterhändlern in
seinem Land angeregt. Er unterbreitete
diesen Vorschlag in einem Telefongespräch
mit dem iranischen Staatspräsidenten
Mahmud Ahmadinedschad, wie sein
Presseamt am 23. Juni mitteilte.
Erdogan telefonierte nach einem Anruf
des britischen Premierministers Tony
Blair mit Ahmadinedschad, hieß es weiter.
Blair habe sich für die türkischen
Bemühungen zur Lösung der Krise
bedankt und Ankara ermutigt, sich weiter
zu engagieren. Erdogan habe dann
Ahmadinedschad gesagt, dass der Konflikt
um Urananreicherung mit diplomatischen
Mitteln gelöst werden müsse.
Er werde Außenminister Abdullah Gül
mit einer „wichtigen Botschaft“ am
folgenden Tag nach Teheran entsenden.
Ahmadinedschad habe versichert, die
Botschaft gründlich zu prüfen. Aus
diplomatischen Kreisen in Ankara verlautete,
Gül überbringe eine Botschaft
der Türkei und sei in diesem Fall kein
Mittler zwischen EU, USA und Iran.
Gül erklärte vor seinem Abflug nach
Teheran am 25. Juni, sein Land sei bemüht,
im Atomkonflikt eine diplomatische
Lösung zu finden, um einer weiteren
Eskalierung des Streits Einhalt zu
gebieten. Es gebe zahlreiche Gründe,
die auf einen positiven Ausgang des
Konflikts hoffen ließen. In diesem Zusammenhang
werde es in den kommenden
Tagen wichtige Treffen geben. Gül forderte
sowohl Iran als auch den Westen
auf, mit dem Atomkonflikt „verantwortlich
und vernünftig“ umzugehen. Er
hatte vier Tage zuvor mit seinem iranischen
Amtskollegen Mottaki am Rande
der Konferenz Islamischer Staaten in
Baku gesprochen. Nach Berichten der
türkischen Presse wird Gül demnächst
nach Washington fliegen. Politische
Beobachter meinten, er werde eine Botschaft
aus Teheran mitnehmen.
Ahmadinedschad plant Irak-Reise
Wie die halbamtliche Nachrichtenagentur
Fars am 26. Juni berichtete, will
Ahmadinedschad bald in den Irak reisen.
Die Agentur beruft sich auf eine
„informierte“, aber nicht näher genannte
Quelle. Eine offizielle Bestätigung
der Teheraner Regierung liegt
bislang nicht vor. Sollte die Nachricht
zutreffen, wäre dies in vieler
Hinsicht eine wichtige Reise. Erstens
wäre der Staatsbesuch die erste Irak-
Reise eines iranischen Regierungschefs
nach der Revolution von 1979. Zweitens
wäre die Reise eine Provokation für
die amerikanische Besatzungsmacht.
Drittens würde sie sicherlich zur
Stärkung der Position Irans im Irak
beitragen. Der Agentur Fars zufolge
will Ahmadinedschad nicht nur mit der
irakischen Führung, sondern auch mit
führenden Schiiten zusammentreffen und
religiöse Stätten besuchen.
Gefängnisstrafen für 46 Iraner im Irak
Ein irakisches Gericht in der Stadt
Al-Kut hat 46 Iraner wegen illegalen
Grenzübertritts zu jeweils sechs Monaten
Gefängnis verurteilt. Wie am 19.
Juni aus Justizkreisen in der 170 Kilometer
südöstlich von Bagdad gelegenen
Stadt bekannt wurde, handelt es
sich bei den Verurteilten zum Teil um
Pilger. Seit dem Sturz des Regimes von
Saddam Hussein strömen jedes Jahr Hunderttausende
Pilger aus Iran zu den
Heiligtümern in Nadschaf, Kerbela, Kufa
und Samarra.
* Quelle: iran-report Nr. 07/2006, hrsg. von der Heinrich-Böll-Stiftung; www.boell.de
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