Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Bewegung im Atomstreit - Wirklich neue Töne aus dem Weißen Haus? - Die Kriegsgefahr nicht gebannt

Aus dem neuesten Iran-Report von Bahman Nirumand *


* Seit geraumer Zeit gibt der bekannte Iran-Experte Bahman Nirumand für die Heinrich-Böll-Stiftung den "Iran-Report" heraus aus dessen letzter Nummer wir den außenpolitischen Teil im Folgenden dokumentieren.
Bahman Nirumand spricht auf der Kundgebung der Friedensbewegung am 13. Juli 2006 anlässlich des Besuchs des US-Präsidenten George W. Bush in Stralsund.



Djannati: „Die Europäer können sich ihr Angebot an den Hut stecken“

Der Vorsitzende des Wächterrats, Ayatollah Ahmad Djannati, sagte am 10. Juni beim Freitagsgebet in Teheran: „Das Paket, das die Europäer uns gebracht haben, können sie sich selbst an den Hut stecken. Für die Menschen im Iran ist das Angebot nutzlos. Die Europäer sollten wissen, dass unser Volk, der Revolutionsführer und alle anderen, die in diesem Land eine Rolle spielen, nicht einmal um einen kleinen Schritt von ihrer Position zurückweichen werden.“ Der ultrakonservative Geistliche betonte, Iran werde auf jeden Fall auf die Urananreicherung bis zu einem Grad von 3,5 bis 5 Prozent bestehen und die anderen würden es akzeptieren müssen.

Chamenei lehnt Gespräche mit den USA ab

Revolutionsführer Ali Chamenei hat im Atomkonflikt direkte Gespräche mit den USA abgelehnt. Die von der USRegierung angebotenen Verhandlungen nutzten der Islamischen Republik nichts und seien daher nicht im iranischen Interesse, sagte er am 27. Juni einem Bericht des iranischen Fernsehens zufolge. Die USA erklärten, sie gingen nicht davon aus, dass dies das letzte Wort Irans zu dem Angebot sei. Die Äußerungen Chameneis seien nicht eindeutig, sagte USPräsidentensprecher Tony Snow.

Chamenei äußerte sich zugleich aber positiv über Verhandlungen zur Lösung des Atomstreits. Die Basis dafür sei gelegt, sagte er. „Mit Amerika zu verhandeln bringt keine Vorteile für uns und wir brauchen solche Verhandlungen nicht. Wir werden mit niemandem über unser Recht verhandeln, die Atomtechnologie zu beherrschen und zu nutzen. Wenn dieses Recht anerkannt wird, sind wir bereit über internationale Kontrollen, Aufsicht und Garantien zu reden, und die Basis für solche Verhandlungen ist gelegt.“

Außenminister Mottaki: Gute Chancen für Antwort Irans vor G-8-Gipfel

Irans Außenminister Manuchehr Mottaki sagte dem Hamburger Magazin „Stern“, er sehe gute Chancen, dass sein Land noch vor dem G-8-Gipfel Mitte Juli in St. Petersburg auf die Vorschläge der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschlands reagieren wird. „Wenn alle den guten Willen behalten, können bald Gespräche beginnen“ sagte Mottaki.

Der Minister äußerte jedoch seine Zweifel am guten Willen der USA. „Dass sie schon vor Beginn Bedingungen stellen, lässt uns an der Aufrichtigkeit ihres Angebots zweifeln“, sagte er dem „Stern“. Es gebe nur zwei Möglichkeiten: Zusammenarbeit oder Konfrontation. „Wir bevorzugen das zuerst genannte. Aber wir müssen uns für alle Eventualitäten wappnen.“

Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana hatte Iran das Angebotspaket am 6. Juni in Teheran vorgelegt. Mottaki hatte bislang abgelehnt, sich auf ein Datum für die Antwort festzulegen. Irans Präsident Ahmadinedschad hatte eine Antwort bis zum 22. Juli angekündigt. Allen voran die USA drängen auf eine Antwort bis zum Gipfeltreffen der G-8- Staaten vom 15. bis 17. Juli in St. Petersburg. Laut iranischer Presse wird sich Solana Anfang Juli noch einmal nach Teheran begeben, um das Angebot der Veto-Mächte plus Deutschland zu erläutern.

Bush droht Iran mit schärferen Sanktionen

US-Präsident George W. Bush hat Iran mit schärferen politischen und wirtschaftlichen Sanktionen gedroht, sollte das Land seine umstrittenen Nuklearaktivitäten nicht einstellen. „Wenn die iranische Führung unser Angebot ablehnt, wird der Fall vor den Sicherheitsrat gebracht, Iran international noch stärker isoliert, und es wird schrittweise schärfere politische und wirtschaftliche Sanktionen geben“, sagte Bush am 19. Juni in King’s Point im US-Bundesstaat New York.

„Wenn die iranische Führung Frieden, Wohlstand und eine bessere Zukunft für ihr Volk möchte, sollte sie unser Angebot annehmen, sämtliche Ambitionen zur Herstellung von Atomwaffen aufgeben und ihre internationalen Verpflichtungen einhalten, sagte Bush an der Handelsakademie King’s Point. Die USA und ihre Partner seien „vereint“, fügte er hinzu. Das Angebot der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands sei „vernünftig“ und eine „historische Ge- legenheit“ für die iranische Regierung, „ihr Land auf einen besseren Kurs zu bringen“.

Bush zeigte Verständnis für den „legitimen Wunsch“ der Iraner, die Atomenergie zivil zu nutzen, solange dies „mit echten internationalen Schutzmechanismen einhergeht“.

Ahmadinedschad: Angebot im Atomstreit „Schritt nach vorn“

Irans Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad hat zum ersten Mal offiziell zu dem Lösungsvorschlag der fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat und Deutschlands Stellung genommen. „Wir bewerten das Angebot als einen Schritt nach vorne, und ich habe meine Kollegen angewiesen, es genau zu prüfen“, sagte er am 16. Juni in Shanghai nach einem Treffen mit dem chinesischen Präsidenten Hu Jintao. Teheran werde „zu gegebener Zeit“ eine Antwort vorlegen. „Wir haben nicht vor, atomare Waffen zu entwickeln“, betonte Ahmadinedschad. Sein Land habe stets Verhandlungen bevorzugt und versucht Spannungen zu vermeiden. Auf die Frage, ob bei seinem Treffen mit Hu und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin auch über mögliche Sanktionen gegen sein Land gesprochen worden sei, sagte Ahmadinedschad, das Wort Sanktionen sollte aus der politischen Sprache gestrichen werden. „Druck auf andere Staaten akzeptieren wir nicht. Deswegen sprechen wir niemals darüber“. Über den Inhalt seiner Gespräche mit Hu und Putin wollte er keine Auskunft geben. Zu diesen Ländern pflege Iran seit langem gute Beziehungen und da sei es nur natürlich, dass „alle Aspekte“ angesprochen würden, unter anderem auch der Streit um das iranische Atomprogramm.

Die Stellungnahme Ahmadinedschads, der sich zur Teilnahme an einem Gipfeltreffen der Shanghaier Kooperationsorganisation (SCO) in Shanghai aufhielt, wurde im Westen mit Wohlwollen registriert. Dennoch bestehen erhebliche Zweifel darüber, ob Iran tatsächlich auf das Angebot eingehen und vor allem die darin enthaltene Forderung, auf die Urananreicherung im eigenen Land zu verzichten, akzeptieren wird. Pessimisten vertreten die Ansicht, dass die positiven Signale aus Teheran eher der bekannten Verzögerungstaktik Irans zuzurechnen sind und dazu dienen, Zeit zu gewinnen, um die Differenzen zwischen China und Russland einerseits und den USA und der EU andererseits zu vertiefen und für sich auszunutzen.

Diese Skepsis teilt offenbar auch die US-Regierung. Stephen Hadley, nationaler Sicherheitsberater von USPräsident George W. Bush, sagte vor der Presse in Washington: „Das Augenmerk liegt zum jetzigen Zeitpunkt natürlich darauf, zu versuchen, der iranischen Regierung einen positiven Weg aufzuzeigen.“ Es sei jedoch „klar“, dass es auch einen „anderen Weg“ gebe, der für die Führung in Teheran „Konsequenzen“ haben werde.

Grund für die Skepsis lieferten auch die Äußerungen des iranischen Revolutionsführers Ali Chamenei. Das geistliche Oberhaupt des Gottesstaates, der die Richtlinien der Politik festlegt, sagte, Iran werde sich keinem Druck des Westens beugen. „Der wertvolle und ehrenhafte Beitrag der iranischen Jugend in der Nukleartechnologie ist ein historischer Schritt. Diese wissenschaftlichen Schritte sollten mit aller Kraft und in verschiedene Richtungen fortgesetzt werden.“ (Anmerkung d.A.: Gemeint sind die jungen Wissenschaftler, die die Atomtechnologie weiterentwickelt und erfolgreich die Urananreicherung erreicht haben.)

Indes drängte die EU Teheran zu einer raschen Entscheidung über das Angebot der fünf Veto-Mächte plus Deutschland. „Der Europäische Rat fordert Iran nachdrücklich auf, bald eine positive Antwort auf diese weit reichende Initiative zu erteilen und die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen zu schaffen“, hieß es im Abschlussdokument des EU-Gipfels, der am 16. Juni zu Ende ging. Die Staats- und Regierungschefs der EU bekräftigen ihren Willen zu einer diplomatischen Lösung, die einerseits den Bedenken der internationalen Staatengemeinschaft gegen das iranische Atomprogramm Rechnung tragen und andererseits das Recht Irans auf die friedliche Nutzung der Atomenergie respektieren soll.

An der positiven Äußerung Ahmadinedschads ist tatsächlich Skepsis angebracht. Es darf bezweifelt werden, dass er, der seine Macht aus radikalen Stellungnahmen und künstlicher Krisenerzeugung bezieht, nun auf einmal dazu bereit sein sollte, klein beizugeben und die Forderung nach vollständiger Einstellung der Urananreicherung im eigenen Land zu akzeptieren. Hat er doch seit seiner Amtsübernahme das Recht Irans auf Herstellung des atomaren Brennstoffs zu einer Frage der nationalen Ehre hochstilisiert und den Konflikt auf die Spitze getrieben. Wie würde er vor den Massen, deren Emotionen er aufgepeitscht hat, dastehen, wenn er plötzlich einlenken würde? Zumal das Recht, das der Iran beansprucht, tatsächlich zu den verbrieften Rechten der Mitglieder des Atomsperrvertrags gehört.

Es ist eher anzunehmen, dass die Signale, die Ahmadinedschad aus Shanghai sendete, den Zielen dienen sollen, die er und seine radikalislamistischen Kampfgefährten verfolgen. Zunächst geht es um die Position Russlands und Chinas im iranischen Atomkonflikt. Teheran ist bestrebt, die Differenzen zwischen diesen beiden Mächten und den USA bzw. der EU zu vertiefen, um dadurch mögliche wirtschaftliche oder gar militärische Sanktionen gegen den Iran verhindern zu können. Dazu braucht er Zeit. Die positiven Signale sollen die Hast, mit der die USA und die EU auf eine Entscheidung drängen, eindämmen.

Doch die Ziele, die der iranische Regierungschef bei seiner Teilnahme am Gipfeltreffen der Shanghaier Kooperationsorganisation (SCO) anstrebt, gehen weit darüber hinaus. Seine Absicht ist, dem Regional-Bündnis, dem neben Russland und China die zentralasiatischen Staaten Kirgisien, Tadschikistan, Kasachstan und Usbekistan angehören, beizutreten. Iran war neben Indien, Afghanistan, Pakistan und der Mongolei als Beobachter zu dem Gipfel eingeladen worden.

Die Teilnahme an einem solchen Bündnis, das der steigenden Einflussnahme der USA im Nahen und Mittleren Osten Einhalt gebieten soll, wäre ein wichtiger Schritt zur Realisierung der erklärten Strategie Teherans, weg vom Westen, hin zum Osten. Sollte tatsächlich, wie von Ahmadinedschad auf dem Gipfel gefordert, hier ein neuer, mächtiger Block entstehen, könnte Iran als Brückenland zwischen dem Nahen und Mittleren Osten eine enorm wichtige Rolle spielen.

In seiner Rede auf dem Gipfel, die im chinesischen Fernsehen direkt übertragen wurde, sagte Ahmadinedschad, sein Land sei bereit, die Kooperation mit SCO-Ländern im Interesse des internationalen Friedens und der Sicherheit weiter auszubauen. Er bot an, ein Treffen der Energieminister der SCOLänder in Iran abzuhalten. Ohne die USA beim Namen zu nennen, warnte der iranische Regierungschef vor „beherrschenden Mächten“. Er rief die sechs Mitglieder der SCO auf, sie sollten die „Drohungen der beherrschenden Mächte“ als Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten zurückweisen. Er fügte auch hinzu, die Shanghai-Gruppe könne eine „starke und einflussreiche“ Gruppe werden.

Unmittelbar nach der Rede Ahmadinedschads hat US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die SCO wegen ihrer Verbindung zu Iran kritisiert. Es sei merkwürdig, dass eine Organisation, die den Terrorismus ablehnt, „den führenden Terrorstaat, Iran, aufnehmen will“, sagte Rumsfeld am 17. Juni auf einer Konferenz in Singapur.

Laridjani: Washington plant einen Regimewechsel in Iran

Irans Chefunterhändler bei den Atomverhandlungen, Ali Laridjani, ist Medienberichten zufolge der Ansicht, dass die USA auf jeden Fall das Teheraner Regime stürzen wollen. „Der Atomstreit ist nur ein Vorwand“, zitiert die britische Tageszeitung „Guardian“ Laridjani am 23. Juni. „Wenn es nicht dieser Konflikt wäre, würden die USA einen anderen Grund finden.“ Laridjani warf den USA vor, ihre Interessen im Nahen Osten mit Gewalt durchzusetzen. So mache beispielsweise die US-Politik im Irak eine Einigung im Atomstreit schwieriger. „Sie wollen die ganze Region in Brand stecken“, sagte Laridjani und warnte vor wirtschaftlichen Konsequenzen wie einer drastischen Erhöhung des Ölpreises.

Das Angebotspaket der fünf Vetomächte plus Deutschland bezeichnete Laridjani dem „Guardian“ zufolge als „Predigt“ und wies die Forderung der Verhandlungspartner, Iran solle sein Atomprogramm vollständig aussetzen, zurück. Der Vorschlag sei von Anfang bis Ende zweideutig. Sein Land werde detaillierte Gegenvorschläge bringen, sagte Laridjani.

Schäuble lehnt Treffen mit iranischem Innenminister ab, Teheran dementiert

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat ein Treffen mit dem iranischen Innenminister Mostafa Pourmohammadi abgelehnt, weil Iran nicht seinem Gesuch nachgekommen ist, den deutschen Hochseeangler Donald Klein, der sich in Teheran in Haft befindet, vorzeitig zu entlassen. Klein und ein französischer Freund waren Ende November beim Hochseeangeln in der Meeresenge von Hormus in iranische Hoheitsgewässer geraten und festgenommen worden. Beide wurden zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt.

Einen Tag vor Schäubles Erklärung hatte Irans Justizsprecher Djamal Karimi Rad bekannt gegeben, dass die Justiz eine vorzeitige Entlassung Kleins abgelehnt habe.

Der Mitteilung des Bundesinnenministeriums zufolge hatte die iranische Botschaft zu Beginn der Fußball- Weltmeisterschaften anfragen lassen, ob Schäuble zu einem Gespräch mit Pourmohammadi bereit sei, der ein WMSpiel der iranischen Nationalmannschaft in Deutschland besuchen wolle. Für ein Gespräch hätten „bei allen Bedenken“ zwei Aspekte gesprochen: Schäuble hätte noch einmal für eine vorzeitige Entlassung Kleins intervenieren können, und er hätte dem iranischen Regierungsmitglied erneut verdeutlichen können, dass die Äußerungen des iranischen Staatspräsidenten zum Holocaust und zum Existenzrecht Israels für Deutschland unerträglich und absolut inakzeptabel seien.

Mit der Festlegung des iranischen Justizministers sei eine wesentliche Geschäftsgrundlage für ein Gespräch während der WM entfallen, teilte das Ministerium mit. Das sei dem iranischen Botschafter übermittelt worden.

Nach einem Bericht des Magazins „Focus“ handelt es sich bei Pourmohammadi um einen früheren Staatsanwalt, der 1980 im Auftrag von Ayatollah Chomeini in der Unruheprovinz Bandar Abbas Tausende Menschen zum Tode verurteilt hat. In einem Fall habe er 64 Menschen, darunter viele 16-jährige Schüler, erschießen und ihre Gräber von Bulldozern platt walzen lassen. Ab 1990 sei er Leiter der Auslandsspionage und Stellvertreter von Geheimdienstminister Ali Fallahian gewesen. Nach einem Urteilsspruch des Berliner Kammergerichts war Fallahian Drahtzieher des Mordanschlags, dem 1992 im Berliner Restaurant „Mykonos“ vier iranische Oppositionelle zum Opfer gefallen waren.

Indes hat Innenminister Pourmohammadi die Mitteilung Schäubles dementiert. Er habe von Schäuble eine schriftliche Einladung nach Deutschland erhalten, sagte der Minister vor der Presse in Teheran. Er warte nur auf einen „günstigen Zeitpunkt“, um die Reise antreten zu können.

Zentralrat der Juden fordert Sanktionen gegen Iran

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat von der Bundesregierung verlangt, Wirtschaftssanktionen gegen Iran zu verhängen. Die Regierung müsse ihrer Kritik endlich Taten folgen lassen, sagte Zentralrats-Generalsekretär Stephan Kramer der „Netzeitung“. „Sie muss Iran klar machen, dass Wirtschaftsbeziehungen nur stattfinden können, wenn politisch etwas geschieht in diesem Land, wenn sich etwas verändert.“ Kramer warf der Bundesregierung vor, sich politisch zu wenig mit dem islamischen Staat auseinander zu setzen.

Kramer sagte laut „Netzeitung“, Deutschland sei nicht nur der „größte Gläubiger“ des Iran, es würden auch Hermes-Bürgschaften für die deutsche Industrie zur Verfügung gestellt. „Wir haben ein Investitionsvolumen von über 3,6 Milliarden Euro pro Jahr.“ Dieses Potential müsse die Bundesregierung nutzen, um den Iran unter Druck zu setzen. Konkret mahnte Kramer konsequentere Gespräche über das iranische Atomprogramm an. Auch gegen Menschenrechtsverletzungen werde nichts unternommen.

Der Generalsekretär forderte auch ein Einreiseverbot für den iranischen Präsidenten Ahmadinedschad. Das Argument, es sei rechtlich nicht möglich, halte er für „außerordentlich kurzbeinig“. „Die Bundesregierung soll sich nicht hinter scheinheiligen Argumenten verstecken.“ Ansonsten entstehe der Eindruck, dass außen- und wirtschaftspolitische Interessen höher bewertet würden.

Auch der israelische Politiker und Ex- Minister Nathan Sharansky hat eine härtere Gangart im Umgang mit dem iranischen Staatspräsidenten Ahmadinedschad gefordert. Er sagte der Bild-Zeitung: „Dieser Mann muss gestoppt werden, bevor er die Welt ins Unglück stürzt.“ Um ein Einlenken Irans im Atomstreit zu erreichen, brauche die Weltgemeinschaft „von allem etwas: Militärischen Druck, Wirtschaftssanktionen, und wir müssen politisch auf einen Regimewechsel hinarbeiten“.

Auf die Frage nach einem möglichen Militärschlag gegen Iran sagte der israelische Politiker und ehemalige Sowjet- Dissident: „Wenn Ahmadinedschad den Weg des alles oder nichts geht – wie er sich ausdrückt – und die freie Welt nicht reagieren sollte, dann gibt es keinen Zweifel daran, dass Israel reagieren wird.“

Die Bundesregierung forderte Sharansky auf, einen Besuch Ahmadinedschads zur Fußball-WM in Deutschland zu verhindern: „Ich erwarte von der deutschen Regierung, dass sie ihm klar sagt, dass er nicht erwünscht ist. Es gibt kein Land auf der Erde, dass besser wissen sollte als Deutschland, wie gefährlich es ist, Hitler oder ähnliche Gestalten gewähren zu lassen.“

Den Vergleich Ahmadinedschads mit Hitler zog auch die neu gewählte Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch. „Für mich ist dieser Mann ein zweiter Hitler. Er leugnet den Holocaust. Das ist in Deutschland strafbar“, sagte Knobloch der Bild-Zeitung. Sollte Ahmadinedschad zur Fußball-WM in Deutschland anreisen, dürfe die Bundesregierung den Staatschef nicht mit diplomatischer Immunität schützen“, sagte sie. „Vielmehr sollten die Behörden gegen ihn ermitteln.“ Zuvor hatten bereits andere Vertreter der Jüdischen Gemeinde in Deutschland gedroht, Ahmadinedschad bei einem WM-Besuch mit einer Reihe von Strafanzeigen wegen Volksverhetzung zu überziehen.

Jüdischer Weltkongress befasste sich mit Iran

Der politische Rat des Jüdischen Weltkongresses (WJC) hat sich auf seiner Tagung in Berlin am 28. Juni unter anderem mit den antiisraelischen Äußerungen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad befasst.

Dem erst im Januar gebildeten politischen Rat gehören 25 Delegierte an, unter ihnen auch Nicht-Mitglieder des WJC, die sich für jüdische Belange einsetzen. Unter den Teilnehmern waren außer dem WJC-Vorsitzenden, Rabbiner Israel Singer, auch der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer sowie die französische Politikerin und Auschwitz-Überlebende Simone Veil.

Der WJC ist der politische Dachverband von jüdischen Organisationen aus etwa 80 Ländern. Er wurde 1936 in Genf gegründet. Er setzt sich für die Belange der Juden in der ganzen Welt ein.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland bekräftigte anlässlich der Tagung seine Kritik am Umgang der deutschen Bundesregierung mit Vertretern der iranischen Regierung. Die Vorsitzende Knobloch sagte, sie sei überrascht gewesen, dass der Bundesinnenminister seinen iranischen Amtskollegen während der Fußball-Weltmeisterschaft nicht empfangen habe, der Außenminister aber sehr wohl. Wenn der Weg beschritten werde, den Iran international zu isolieren, dann sei das ein kleiner Fortschritt, sagte Knobloch, die zugleich Vizevorsitzende des Rates des JWC ist. Der Iran sei eine Gefahr für die ganze Welt.

Knobloch machte Iran für die gegenwärtig stark angespannte Lage im Nahen Osten verantwortlich. Sie sagte im Inforadio RBB, die Regierung in Teheran unterstütze seit Jahren die radikalislamische Hamas in ihrer Absicht, den Staat Israel auszulöschen. Vom Westen erwarte sie, „dass er Iran die rote Karte zeigt“. Sie plädierte für eine politische Isolierung Teherans als „Beginn eines richtigen Weges“. Wegen wirtschaftlicher Interessen sei im Westen „natürlich eine Zurückhaltung vorhanden“, aber das sollte überdacht werden, „da ja Iran auch uns, den Westen, sehr dringend benötigt, und ich glaube, da hat man auch Ansatzpunkte.“

WJC-Vorsitzender Singer, der aus den USA stammt, bezeichnete es als erschreckend, dass ein Staatschef noch heute eine solche Sprache spreche. Die Äußerungen Ahmadinedschads seien nicht allein ein Problem für Juden, sondern für jeden Menschen.

Auch der Historiker Julius Schoeps warf der deutschen Gesellschaft vor, den antisemitischen Äußerungen Ahmadinedschads nicht engagiert genug entgegenzutreten. In der Netzeitung vom 28. Juni sagte der Direktor des Moses- Mendelssohn-Zentrums für europäisch- jüdische Studien an der Universität Potsdam, Wirtschaftsinteressen seien offenbar dafür verantwortlich, das die Deutschen den Äußerungen Ahmadinedschads nicht schärfer entgegen träten.

Die Haltung des Westens gegenüber der iranischen Regierung sei „eine Form von Appeasmentpolitik“ (Beschwichtigungspolitik). Die Haltung der Bundesregierung sei nicht akzeptabel. Er wünschte sich vielmehr eine klare Stellungnahme. Die habe es bisher nicht gegeben, kritisierte Schoeps.

Eklat um Staatsanwalt Mortazawi

Die kanadische Regierung forderte nach eigenen Angaben die Bundesregierung Deutschland auf, den iranischen Staatsanwalts Saied Mortazawi zu verhaften. Zur Begründung verwies der kanadische Ministerpräsident Stephen Harper am 23. Juni in Radio Canada auf Mortazawis Verwicklung in den Tod der iranisch-kanadischen Fotoreporterin Zahra Kazemi. Das kanadische Außenministerium habe den Antrag mit einem mutmaßlichen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ begründet, fügte Harper hinzu. Ein Sprecher der Bundesregierung erklärte am 25. Juni, es lägen weder ein Haftbefehl noch ein Auslieferungsbegehren der kanadischen Regierung vor.

Kanada hatte sich „entrüstet“ darüber gezeigt, dass Mortazawi als Mitglied der iranischen Delegation an der ersten Sitzung der UN-Menschenrechtskommission in Genf teilgenommen hatte. Die Journalistin Kazemi war am 23. Juni 2003 in Teheran festgenommen worden, weil sie vor dem Teheraner Gefängnis Evin Fotos gemacht hatte. Etwa drei Wochen später wurde sie tot aufgefunden. Wie sich herausstellte, war sie an Hirnblutungen infolge von Schlägen auf den Schädel gestorben. Die kanadische Regierung wirft Mortazwai vor, die Festnahme der Journalistin angeordnet und anschließend Dokumente gefälscht zu haben, um „seine Verwicklung in diese Affäre zu verschleiern“.

Der Antrag sei an die Bundesregierung gerichtet worden, weil Mortazawi auf dem Rückweg nach Teheran in Frankfurt zwischenlande, sagte ein Sprecher des kanadischen Außenministeriums. Er wollte nicht erläutern, warum die Schweizer Behörden nicht um Aushilfe gebeten wurden.

Laut AFP konnte die Sprecherin des Bundesjustizministeriums den Flug über Deutschland nicht bestätigen. Die Reisepläne der iranischen Seite seien nicht mit Berlin abgestimmt gewesen. Außenamtssprecher Martin Jäger sagte am 23. Juni, es sei damit zu rechnen, dass Mortazawi im Transit über Frankfurt fliegen werde. Ob er dies bereits getan habe oder noch tun werde oder einen anderen Weg wählen werde, sei dem Auswärtigen Amt nicht bekannt.

Die kanadische Regierung hat Iran die Eröffnung von Konsulaten in ihrem Land untersagt. Teheran unterhält eine Botschaft in Ottawa, die Mitarbeiter müssen vor jedem Treffen mit Regierungsvertretern eine offizielle Erlaubnis einholen. Die diplomatischen Beziehungen beider Länder beschränken sich auf die Themen Menschenrechte und Atom sowie den Fall Kazemi.

Irans Außenminister Manuchehr Mottaki bezeichnete den Haftantrag der kanadischen Regierung als „unlogisch und rechtlich unbegründet“. „Nach unserer Auffassung steht es einem Staat, der noch mit den Wurzeln des britischen Kolonialismus verwachsen ist, nicht zu, sich so unlogisch und rechtlich unbegründet zu äußern und zu erwarten, dass man ihm zuhört“, sagte Mottaki. Er habe letztes Jahr dem kanadischen Außenminister gesagt, „Kanada sollte die eigenen Grenzen kennen und darauf achten, mit welchem Land es spricht. Kanada hat demnach die Botschaft der Islamischen Republik erhalten. Es ist deshalb anzunehmen, dass mit dem starken und aktiven Auftreten Irans auf der internationalen Bühne solche bodenlose Stellungnahmen auch in Zukunft geäußert werden.“

Dem Staatsanwalt Mortazawi wird nicht nur der Mord an Kazemi vorgeworfen, er war bereits vor Jahren als Richter durch sein brutales Vorgehen gegen die liberale Presse und kritische Journalisten zu Berühmtheit gelangt. Er gilt als einer der härtesten Widersacher des demokratischen und liberalen Denkens. Gerüchte besagen, dass er demnächst zum Justizminister ernannt werden soll.

Die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen begrüßte die Initiative der kanadischen Regierung und forderte die UNMenschenrechtskommission auf, zu erklären, warum jemand wie Mortazawi an der Gründungssitzung dieser Kommission am 19. Juni in Genf habe teilnehmen dürfen. Iran hatte sich vergeblich bemüht, als eines der 47 Mitgliedsstaaten in die Kommission gewählt zu werden, darf aber eine Beobachterdelegation zu den Sitzungen des Gremiums schicken. Auch zahlreiche Gruppen der iranischen Auslandsopposition haben die Teilnahme Mortazwis kritisiert.

Türkei will im Atomkonflikt vermitteln

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat im Atomstreit mit Teheran ein Treffen der EU-Troika Deutschland, Frankreich, Großbritannien und iranischen Unterhändlern in seinem Land angeregt. Er unterbreitete diesen Vorschlag in einem Telefongespräch mit dem iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad, wie sein Presseamt am 23. Juni mitteilte.

Erdogan telefonierte nach einem Anruf des britischen Premierministers Tony Blair mit Ahmadinedschad, hieß es weiter. Blair habe sich für die türkischen Bemühungen zur Lösung der Krise bedankt und Ankara ermutigt, sich weiter zu engagieren. Erdogan habe dann Ahmadinedschad gesagt, dass der Konflikt um Urananreicherung mit diplomatischen Mitteln gelöst werden müsse. Er werde Außenminister Abdullah Gül mit einer „wichtigen Botschaft“ am folgenden Tag nach Teheran entsenden. Ahmadinedschad habe versichert, die Botschaft gründlich zu prüfen. Aus diplomatischen Kreisen in Ankara verlautete, Gül überbringe eine Botschaft der Türkei und sei in diesem Fall kein Mittler zwischen EU, USA und Iran.

Gül erklärte vor seinem Abflug nach Teheran am 25. Juni, sein Land sei bemüht, im Atomkonflikt eine diplomatische Lösung zu finden, um einer weiteren Eskalierung des Streits Einhalt zu gebieten. Es gebe zahlreiche Gründe, die auf einen positiven Ausgang des Konflikts hoffen ließen. In diesem Zusammenhang werde es in den kommenden Tagen wichtige Treffen geben. Gül forderte sowohl Iran als auch den Westen auf, mit dem Atomkonflikt „verantwortlich und vernünftig“ umzugehen. Er hatte vier Tage zuvor mit seinem iranischen Amtskollegen Mottaki am Rande der Konferenz Islamischer Staaten in Baku gesprochen. Nach Berichten der türkischen Presse wird Gül demnächst nach Washington fliegen. Politische Beobachter meinten, er werde eine Botschaft aus Teheran mitnehmen.

Ahmadinedschad plant Irak-Reise

Wie die halbamtliche Nachrichtenagentur Fars am 26. Juni berichtete, will Ahmadinedschad bald in den Irak reisen. Die Agentur beruft sich auf eine „informierte“, aber nicht näher genannte Quelle. Eine offizielle Bestätigung der Teheraner Regierung liegt bislang nicht vor. Sollte die Nachricht zutreffen, wäre dies in vieler Hinsicht eine wichtige Reise. Erstens wäre der Staatsbesuch die erste Irak- Reise eines iranischen Regierungschefs nach der Revolution von 1979. Zweitens wäre die Reise eine Provokation für die amerikanische Besatzungsmacht. Drittens würde sie sicherlich zur Stärkung der Position Irans im Irak beitragen. Der Agentur Fars zufolge will Ahmadinedschad nicht nur mit der irakischen Führung, sondern auch mit führenden Schiiten zusammentreffen und religiöse Stätten besuchen.

Gefängnisstrafen für 46 Iraner im Irak

Ein irakisches Gericht in der Stadt Al-Kut hat 46 Iraner wegen illegalen Grenzübertritts zu jeweils sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Wie am 19. Juni aus Justizkreisen in der 170 Kilometer südöstlich von Bagdad gelegenen Stadt bekannt wurde, handelt es sich bei den Verurteilten zum Teil um Pilger. Seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein strömen jedes Jahr Hunderttausende Pilger aus Iran zu den Heiligtümern in Nadschaf, Kerbela, Kufa und Samarra.

* Quelle: iran-report Nr. 07/2006, hrsg. von der Heinrich-Böll-Stiftung; www.boell.de


Zurück zur Iran-Seite

Zum Bush-Besuch 2006 in Stralsund

Zurück zur Homepage