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Teheran äußert "tiefe Genugtuung" über die Ergebnisse der Gespräche - Moskau bleibt kritisch

Russisch-iranische Atomverhandlungen ohne eindeutiges Ergebnis

Im Folgenden dokumentieren wir zwei Artikel, die sich mit den russisch-iranischen Atomverhandlungen in Moskau vom 20. und 21. Februar 2006 befassen. sie stammen beide aus gut unterrichteten Quellen, kommen aber zu recht unterschiedlichen Einschätzungen.


Präsident Putin bittet um Bericht

"Vorsichtiger Optimismus" bei russisch-iranischen Gesprächen in Moskau

Von Alexej Dubatow, Moskau*

Vor Beginn der russisch-iranischen Atomgespräche in Moskau schrieb die iranische Nachrichtenagentur IRNA, es handle sich dabei um eine zweite Gesprächsrunde. Die erste habe in Teheran stattgefunden.

In Wahrheit hatte Iran ursprünglich Konsultationen mit Peking und Moskau abgesagt und das Verhandlungsangebot des Chefs der russischen Atomenergiebehörde Sergej Kirijenko zurückgewiesen. Offenbar wurde es dann aber doch noch angenommen, damit sich der russische Außenminister Sergej Lawrow in zwei Wochen bei seinem Besuch in den USA für Teheran stark machen kann. Wladimir Putin fragte ihn in der Kabinettssitzung nach Erfolgsaussichten der Gespräche. Lawrow antwortete, er wolle sich mit Erwartungen zurückhalten. Der Präsident bat später um einen Abschlussbericht.

Experten rechneten von Anfang an nicht mit einem Durchbruch in Moskau. Die iranische Delegation sollte vor allem technische Einzelheiten des Reaktors in Buschehr erörtern. Nach allgemeiner Einschätzung wird die Entscheidung über das von Moskau angebotene Projekt der Urananreicherung in Russland erst bei Kirijenkos Besuch in Teheran am 25. Februar fallen.

Iran hatte sich bereit erklärt, der internationalen Gemeinschaft Garantien für die ausschließlich friedliche Ausrichtung seines Atomprogramms zu unterbreiten. So könne das 2003 unterzeichnete Zusatzprotokoll, das IAEA-Kontrolleuren mehr Rechte einräumt, vom iranischen Parlament ratifiziert werden, hieß es. Daraufhin deutete IAEA-Chef Mohammed El-Baradei inoffiziell an, seine Behörde könnte es akzeptieren, dass Iran kleine Uranmengen auf seinem Boden verarbeitet, wenn garantiert wird, dass man auf die Anreicherung größerer Posten verzichtet. Für eine friedliche Lösung des Konflikts brauchten die Iraner Moskau im Grunde also gar nicht, hieß es in einem Kommentar der liberalen »Gaseta«. Nach Angaben der Zeitung drängt Teheran auf die Unterzeichnung eines geheimen Memorandums, dessen Inhalt vermutlich nie bekannt wird, falls es tatsächlich unterzeichnet werden sollte. Bisher war Russland strikt dagegen. Jedenfalls stieß der iranische Wunsch, wenigstens mit einem Auge in ein »richtig großes« russisches Atomlabor hineinschauen zu dürfen, auf klare Ablehnung.

Vor der Delegationsreise nach Moskau hatte Außenminister Manuchehr Mottaki erklärt, sein Land könne das Angebot zur Urananreicherung in Russland nur akzeptieren, wenn der russische Plan iranischen Interessen entsprechend »ergänzt und verbessert« werde. Der Moskauer Koordinator russisch-iranischer Programme Radschab Safarow machte seinerseits deutlich, Russland könne in ein Joint Venture zur Urananreicherung nur mit Zustimmung der internationalen Gemeinschaft einsteigen.

Laut Anton Chlopkow vom Zentrum für politische Forschung verspricht Moskau sich vor allem wirtschaftliche Vorteile von einem Geschäft mit Iran, Teheran gehe es dagegen mehr um politische Unterstützung. Russland könne einen seiner sowieso nicht voll ausgelasteten Anreicherungsbetriebe für das Joint Venture zur Verfügung stellen, sagte der frühere Atomminister Viktor Michailow der »Wremja Nowostjej«. Als Einstiegspreis kämen 150 US-Dollar pro Kilogramm Uran in Frage. Auch hofft Moskau auf weitere Aufträge für den Reaktorbau. Falls Sanktionen gegen Iran ausbleiben, könnte das Land bis zu 20 Atomreaktoren brauchen. Das hat wiederum mit russischer Innenpolitik zu tun. Kirijenko und die Atomlobby möchten seine Behörde wieder in ein mächtiges Atomministerium sowjetischem Zuschnitts verwandeln.

* Aus: Neues Deutschland, 21. Februar 2006


Russisch-iranische Atomverhandlungen: Eindeutig "Jein"

Von Pjotr Gontscharow*

MOSKAU, 21. Februar. Die erste Runde der russisch-iranischen Verhandlungen über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens für die Urananreicherung auf russischem Territorium ist erwartungsgemäß ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Die Gespräche wurden bis auf weiteres verschoben.

Das Resultat der Moskauer Runde lag von vornherein klar auf der Hand. Teheran wäre sich selbst untreu gewesen, hätte es die Frage (im Rahmen der auf der Tagesordnung stehenden Initiative Moskaus) lakonisch beantwortet, ob der Iran zur Urananreicherung auf russischem Territorium im Prinzip bereit wäre.

Ein prinzipielles "Ja" oder ein prinzipielles "Nein". Gerade auf eine solche Antwort Teherans wartet man, auch wenn sie der Iran wohl nie geben wird. Der Iran würde nie ein "Ja" sagen, ohne dabei ein "Nein" gesagt zu haben.

Teheran bekennt sich verbal dazu, dass sein Atomprogramm ausschließlich einen friedlichen Charakter habe. Zugleich ist der Iran bestrebt, einen eigenen Atomkreislauf - von der Urananreicherung bis hin zur Verarbeitung verbrauchter Brennelemente - zu schaffen. Von diesem Stand der Atomtechnologien ist ein Katzensprung zum Bau einer eigenen Atombombe. Dieser Schritt hinge dann nur von der Präsenz oder dem Mangel an politischem Willen ab.

Der russische Vorschlag, ein Gemeinschaftsunternehmen zur Urananreicherung und Verarbeitung verbrauchter Brennelemente auf russischem Territorium zu gründen, würde die Besorgnis des Westens und der USA über das iranische Atomprogramm zerstreuen. Aber nur unter der Bedingung, dass der Iran auf den eigenen Atomkreislauf verzichtet und das Angebot akzeptiert, bereits angereichertes Uran in einem anderen Land, in diesem Fall in Russland, zu beziehen. Es sieht aber so aus, dass der Iran es nicht nur nicht eilig hat, die Besorgnis des Westens über das Atomprogramm Teherans zu zerstreuen, sondern überhaupt keine dahin gehenden Pläne hat.

Dabei gibt sich Teheran Mühe, die Position Moskaus und dessen Besorgnis im Zusammenhang mit der Entwicklung um das iranische Atomprogramm zu übersehen. Sogar Teherans Einschätzung der Ergebnisse der Moskauer Verhandlungen unterscheidet sich krass von der russischen.

In der russischen Hauptstadt wurde viel auf diese Gespräche gesetzt. Am ersten Tag der Verhandlungen hatte Außenminister Sergej Lawrow erklärt, Russland werde versuchen, das Problem des Atomprogramms des Irans aus der Sackgasse herauszuführen und keine gewaltsame Lösung dieses Problems zulassen. Das wurde dem russischen Präsidenten Wladimir Putin beim Treffen mit Kabinettsmitgliedern versprochen. Nach allem zu urteilen ist die Besorgnis Moskaus über das weitere Schicksal des iranischen Nuklear-Dossiers ganz und gar nicht abgebaut.

Der Chef der Russischen Atomenergiebehörde Rosatom, Sergej Kirijenko, sagte in einer Stellungnahme zu seinem bevorstehenden Iran-Besuch, dass die Verhandlungen über die Gründung eines Atom-Joint-Ventures auf russischem Territorium fortgesetzt werden. "Russland wird alles in seinen Kräften Stehende unternehmen, um (dem Iran) einen friedlichen konstruktiven Ausweg aus der komplizierten Situation zu ermöglichen", sagte Kirijenko.

Indessen äußern Politiker in Teheran nahezu "tiefe Genugtuung" über die Ergebnisse der Gespräche, die "positiv und konstruktiv" waren. Dass die Weiterleitung des iranischen Atom-Dossiers an den UN-Sicherheitsrat nicht zu einem "konstruktiven Schritt" werde und die Situation um das iranische Atomprogramm auf der Ebene der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) gelöst werden solle, bezeichne Teheran als das Hauptergebnis der Moskauer Verhandlungsrunde, sagte Chefunterhändler Ali Chosro-Tasch, Stellvertreter des Chefs des Höchsten Rates für nationale Sicherheit des Irans.

Teheran will ganz offenkundig, dass ihm Russland die Kastanien aus dem Feuer holt. Unterdessen wird die Position des Irans in Moskau kritischer aufgefasst, wozu der Westen Russland seit langem aufgerufen hat. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Konstantin Kossatschow, ist der Ansicht, dass der Iran nicht genug guten Willen an den Tag legt, um die Situation um das eigene Atom-Dossier zu regeln, und russische Anstrengungen allein nicht ausreichend sind. "Ein Tango wird immer zu zweit getanzt. Wir (Russland) sind jetzt, wenn nicht Geiseln des Irans, so doch auf dessen guten oder bösen Willen angewiesen. Leider mangelt es bislang in Teheran an gutem Willen", sagte der Parlamentarier.

Kossatschow befürchet, dass sich die Lösung des Iran-Problems nach dem "so genannten nordkoreanischen Szenario" entwickeln könnte. In diesem Fall würde der Iran "sich selbst isolieren, den Atomwaffensperrvertrag aufkündigen und jegliche Kontakte zur IAEO abbrechen". "Ich denke, dass die internationale Gemeinschaft dabei nur verlieren wird. Solange es eine Chance gibt, darf sie nicht verpasst werden. Genau das macht Russland gerade jetzt."

Dabei schwieg Kossatschow über einen ganz offensichtlichen Fakt: Den "Iran-Tango" tanzt Moskau nach den jüngsten Verhandlungen alleine.

* Quelle: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 21. Februar 2006: http://de.rian.ru


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