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Teheran ohne Chance

Im Streit um Irans Atomprogramm setzen USA und Israel auf Konfrontation

Von Knut Mellenthin

Auch nachdem Iran im Streit um sein Atomenergieprogramm nachgegeben hat, halten sich die Regierungen der USA und Israels nach wie vor eine militärische Option offen. Das nächste wichtige Datum ist nun der 20. November. An diesem Tag wird die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) entscheiden, ob Teheran den ultimativ gestellten Forderungen tatsächlich nachgekommen ist. Anderenfalls droht dem Iran eine Verurteilung durch den UNO-Sicherheitsrat und die Verhängung von Sanktionen. Unter starkem amerikanischen Druck hatte die IAEA am 12. September Iran eine Frist bis zum 31. Oktober gesetzt, um einerseits einen vollständigen Bericht über sein Atomprogramm vorzulegen, und andererseits der Ausweitung der Befugnisse der internationalen Inspektoren zuzustimmen und ein entsprechendes Zusatzprotokoll zum Atomwaffen-Sperrvertrag zu unterzeichnen. Außerdem soll die Errichtung einer Anlage zur Urananreicherung, die waffenfähiges Plutonium produzieren könnte, eingestellt werden.

In einer gemeinsam mit den Außenministern Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens abgegebenen Erklärung hatte die iranische Regierung am Dienstag vergangener Woche alle Forderungen grundsätzlich akzeptiert. Einige Tage später übergab Teheran der IAEA einen Bericht über den Entwicklungsweg und den aktuellen Stand seines Atomenergieprogramms. Der Bericht muß nun von der IAEA geprüft werden. Das Zusatzprotokoll soll erst im November unterschrieben werden. Hinsichtlich der Urananreicherung hat die iranische Regierung erklärt, daß noch technische Probleme zu lösen seien, bevor diese stillgelegt werden kann.

Die US-Regierung argumentiert daher, daß sich derzeit überhaupt noch nicht sagen läßt, ob Iran die von der IAEA gestellten Bedingungen wirklich erfüllt hat. Washington hat sich aber schon in der Vergangenheit darauf festgelegt, daß Irans Atomprogramm zweifelsfrei der Produktion nuklearer Waffen diene und wird von dieser Behauptung auch nicht abgehen. Falls der Bericht, den Teheran jetzt der IAEA vorgelegt hat, dieser Theorie nicht entspricht, wird die US-Regierung die Iraner vermutlich bezichtigen, die Wahrheit zu vertuschen.

Am negativsten äußerte sich die israelische Regierung. Während am vorigen Dienstag in Teheran verhandelt wurde, gab der Chef des israelischen Militärgeheimdienstes, General Aharon Ze’evi, eine »alarmierende Erklärung« ab: Schon Mitte nächsten Jahres werde Iran den »Point of no return« bei der Produktion von angereichertem Uran erreichen, was dem Land erlauben werde, bis zum Jahr 2006 eigene Atombomben herzustellen. Diplomatische Bemühungen seien daher nicht länger als bis Mitte 2004 sinnvoll. Eine deutliche Drohung, daß Israel spätestens zu diesem Zeitpunkt die iranischen Atomanlagen angreifen und zerstören könnte, falls die USA dazu nicht bereit sind.

Ohne das Ergebnis der Verhandlungen der europäischen Außenminister in Teheran abzuwarten, hatte die amerikanische Pro-Israel-Lobby in beiden Häusern des Kongresses am 15. und 20. Oktober gleichlautende Resolutionsanträge eingebracht, in denen Iran vorgeworfen wird, seinen Verpflichtungen gegenüber der IAEA nicht nachzukommen. »Irans bekannte Unterstützung des Terrorismus«, seine Entwicklung von Mittelstreckenraketen und sein »Atomwaffenprogramm« seien eine »ernste Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA und ihrer Verbündeten in der Region«. Der US-Präsident wurde aufgefordert, »alle geeigneten Mittel« einzusetzen, »um Iran am Erwerb von Atomwaffen zu hindern«. Die Regierung solle Druck auf Rußland ausüben, das für das iranische Atomenergieprogramm eine zentrale Rolle spielt, die Zusammenarbeit mit Teheran einzustellen. An die -IAEA und den UNO-Sicherheitsrat wurde appelliert, Iran zu verurteilen.

Der Resolutionsentwurf wurde von Vertretern beider Parteien gemeinsam eingebracht. Auf republikanischer Seite unterschrieben Senator John Kyl sowie die Abgeordneten Mark Kirk und Curt Weldon. Die demokratischen Mitinitiatoren des Antrags sind Senatorin Dianne Feinbein sowie die Abgeordneten Jane Harman und Howard Berman. Alle sechs sind profilierte Repräsentanten der Pro-Israel-Lobby im Kongreß. Weldon und Kyl sind außerdem als »Agenten« der Star-Wars-Lobby hervorgetreten.

Einige der Initiatoren – Kyl, Feinstein, Harman und Weldon - nahmen am 19. September als Vertreter des US-Kongresses an einer gemeinsamen Sitzung von je vier amerikanischen und israelischen Parlamentariern teil. Iran war eines der Hauptthemen. Als Gast der Sitzung erklärte Paula DeSutter, Unterstaatssekretärin im US-Außenministerium, daß Iran den Atomwaffen-Sperrvertrag gebrochen habe und insgeheim nicht-konventionelle Waffen aller Art entwickle. Das iranische Atomprogramm sei eine Gefahr nicht nur für den Nahen Osten, sondern auch für die USA. Es ist vor dem Hintergrund solcher Äußerungen zu befürchten, daß es Iran nicht gelingen wird, durch sein Nachgeben der Vorverurteilung durch die amerikanische Regierung zu entgehen und die militärischen Drohungen der USA und Israels zu entschärfen.

Aus: junge Welt, 28.10.2003


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