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Unerfüllbare Maximalforderungen

Hintergrund. Im Streit um sein ziviles Atomprogramm stößt Iran auf Unnachgiebigkeit seitens EU und USA

Von Knut Mellenthin *

Falls nicht eine der beiden Seiten noch einmal alles über den Haufen wirft, soll es am 5. Dezember an einem noch zu vereinbarenden Ort ein möglicherweise sogar mehrtägiges Treffen zwischen dem Iran und seinen Gegnern im Atomstreit – China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Rußland und den USA – geben. Als Tagungsorte sind Wien, Genf und – vom Iran vorgeschlagen, aber von der Sechsergruppe abgelehnt – die Türkei im Gespräch. Die vorerst letzte Begegnung dieser Art hatte am 1. Oktober vorigen Jahres in Genf stattgefunden.

Die Erwartungen an dieses Treffen sind von vornherein so unterschiedlich, wie sie überhaupt nur sein können. Auf der einen Seite besteht vor allem die US-Regierung darauf, daß das iranische Atomprogramm eindeutig das zu behandelnde Hauptthema sein muß. Auf der anderen Seite haben iranische Politiker wie Präsident Mahmud Ahmadinedschad, Außenminister Manutschehr Mottaki und Chefunterhändler Said Dschalili klargestellt, daß eine breite Palette von Themen erörtert werden könne – nicht jedoch das Atomprogramm. Anscheinend besteht aber ein stillschweigender Konsens aller Beteiligten, diese Meinungsverschiedenheit erst während der bevorstehenden Gespräche auszutragen.

Auch wenn in den Medien die Begriffe »Verhandlungen«, »Gespräche« oder »Diskussionen« austauschbar gebraucht werden, handelt es sich dennoch genau genommen nicht um Verhandlungen, sondern nur um ein Vorstadium. Überhaupt hat es während des gesamten, seit 2002 geführten internationalen Streits noch niemals Verhandlungen im formalen Sinn des Wortes zwischen Iran und der Sechsergruppe, die auch als fünf plus eins bezeichnet wird, gegeben. Diese hat sich erst im Frühjahr oder Sommer 2006 konstituiert. Zuvor hatten seit Herbst 2003 Gespräche zwischen Iran und dem sogenannten EU-Trio – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – stattgefunden. Das Trio agierte dabei zwar in enger Abstimmung mit den USA, aber – zumindest offiziell – nicht in Konsultation mit China und Rußland.

Formal gesehen handelte es sich damals um Verhandlungen. Nicht aber praktisch, da sich herausstellte, daß die drei europäischen Mächte in Zusammenarbeit mit den USA lediglich eine von vornherein unverhandelbare Maximallösung durchsetzen wollten: den zeitlich unbefristeten Verzicht der islamischen Republik auf zentrale Teile seines zivilen Atomprogramms. Damit hatte die iranische Seite offenbar überhaupt nicht gerechnet. Sie hatte, auch aufgrund übertriebener Hoffnungen auf die Eigenständigkeit der EU gegenüber den USA, tatsächliche Verhandlungen über die Perfektionierung des Kontrollsystems der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) erwartet. In dieser Hinsicht wäre sie damals zu erheblichen Zugeständnissen bereit gewesen. Als vertrauensbildende Maßnahme hatte Iran sogar einem freiwilligen Moratorium – Unterbrechung aller mit der Urananreicherung zusammenhängenden Arbeiten für die Dauer der Verhandlungen – zugestimmt.

Keine Ausgewogenheit

Nach monatelangen Verzögerungsspielchen legte das EU-Trio schließlich Anfang August 2005, kurz vor der Amtseinführung des neuen Präsidenten Ahmadinedschad, sein mit den USA abgestimmtes Vorschlagspaket vor. Es enthielt auf der einen Seite nicht ein einziges konkret und verbindlich formuliertes Angebot an den Iran, weder auf wirtschaftlichem noch auf sicherheitsstrategischem Gebiet. Auf der anderen Seite sollte sich Iran jedoch bereiterklären, nicht nur seine Arbeiten an der Urananreicherung vollständig einzustellen, sondern auch auf den Bau von Schwerwasserreaktoren zu verzichten. Eine »Überprüfung« dieses Langzeitabkommens hätte, dem westlichen Vorschlag zufolge, erstmals in zehn Jahren erfolgen sollen.

In der iranischen Antwort, die noch unter Ahmadinedschads Vorgänger, dem »Reformpräsidenten« Mohammad Khatami, abgegeben wurde, hieß es mit offensichtlicher Enttäuschung: »Der Vorschlag ist extrem lang hinsichtlich der Forderungen an Iran, aber absurd kurz in seinen Angeboten an Iran. Er zeigt das Fehlen jeden Versuchs, wenigstens einen Anschein von Ausgewogenheit zu schaffen. Er läuft auf eine Beleidigung der iranischen Nation hinaus.«

Gleichzeitig kündigte Teheran das freiwillige Moratorium. Darauf reagierte das EU-Trio mit dem Abbruch der Verhandlungen und verkündete, daß diese erst nach einer Wiederinkraftsetzung des Moratoriums fortgesetzt werden könnten. Propagandistisch wird das seither in totaler Verkehrung der realen Verhältnisse mit Aufrufen an den Iran verbunden, »an den Verhandlungstisch zurückzukehren«.

Mit dem ersten gemeinsamen Auftreten der Sechsergruppe im Juni 2006 schlossen sich auch China und Rußland dieser Haltung an. In der Folgezeit wurden die Kontakte nach Teheran nur noch durch regelmäßige Telefonate und gelegentliche Treffen zwischen dem Verantwortlichen für Außenpolitik der EU, Javier Solana, und dem iranischen Chefunterhändler aufrechterhalten. Das war zunächst der jetzige Parlamentspräsident Ali Laridschani und seit dessen Rückzug im Oktober 2007 Said Dschalili. Am 19. Juli 2008, also noch in der Amtszeit von US-Präsident George W. Bush, gab es zum allerersten Mal eine Zusammenkunft mit Dschalili, bei dem alle Staaten der Sechsergruppe vertreten waren. Allerdings spielte William S. Burns, Staatssekretär im US-Außenministerium, nur den schweigenden Zuhörer. Erst unter Barack Obama kündigte Außenministerin Hillary Clinton im April 2009 an, daß sich die USA an künftigen Begegnungen mit dem Iran direkt und aktiv beteiligen würden. Das Treffen in Genf am 1. Oktober 2009 war nicht nur das bisher letzte, sondern zugleich auch das erste dieser Art. Die Schuld dafür liegt ganz offensichtlich nicht beim Iran.

Angesichts der vorherrschenden Begriffsverwirrung könnte man auf den Gedanken kommen, die Sechsergruppe habe mittlerweile ihre kategorische Forderung nach Wiederherstellung des iranischen Moratoriums als Vorbedingung für die Aufnahme von Verhandlungen fallengelassen. Das trifft aber genau betrachtet nicht zu. So heißt es beispielsweise in dem gemeinsamen »Anreizpaket« der Sechsergruppe vom 17. Juni 2008: »Die unten stehenden Elemente« – nämlich die sogenannten Anreize – »werden als Verhandlungspunkte vorgeschlagen, (…) solange wie Iran verifizierbar seine mit Anreicherung und Wiederaufarbeitung zusammenhängenden Aktivitäten einstellt«. Auch in der am 9. Juni 2010 vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verabschiedeten Resolution 1929 wird penibel unterschieden zwischen einerseits »Dialog und Beratungen« mit dem Iran, zu denen die Fünf-plus-eins-Länder »ohne Vorbedingungen« bereit seien, und andererseits »formalen Verhandlungen«, die es erst nach der Unterwerfung Irans unter sämtliche Forderungen der Sechsergruppe bezüglich seines Atomprogramms geben soll.

Angriff auf Souveränität

Mittlerweile sind schon vier Sanktionsresolutionen des Sicherheitsrates in Kraft. Die erste wurde am 23. Dezember 2006 verabschiedet, die zweite am 24. März 2007, und die dritte folgte am 3. März 2008. Durch diese Beschlüsse ist Iran mit den folgenden für die Sechsergruppe von vornherein nicht verhandelbaren Forderungen konfrontiert:

Erstens. Einstellung der Urananreicherung und aller damit in Zusammenhang stehenden Arbeiten, einschließlich der Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten auf diesem Gebiet. Zum Zeitpunkt der ersten Sanktionsresolution betrieb Iran überhaupt noch keine Anreicherung. Seit Februar 2007 wird in Natanz Uran auf 3,5 Prozent angereichert, um Brennstoff für Atomkraftwerke zu produzieren. Ebenfalls in Natanz wurde im Februar 2010 mit der Anreicherung auf 19,75 Prozent begonnen. Das Material wird für die Versorgung eines Versuchsreaktors in Teheran benötigt, der medizinischen Zwecken dient. Alle Prozesse, ebenso wie das gesamte angereicherte Uran, stehen unter Kontrolle der IAEA. Um waffenfähiges Uran zu erhalten, müßte es auf etwa 90 Prozent angereichert werden. Jeder Versuch dazu würde von der internationalen Behörde sofort entdeckt werden.

Zweitens. Einstellung aller mit sogenanntem schweren Wasser in Zusammenhang stehenden Aktivitäten. Davon betroffen wäre nicht nur der im Bau befindliche Schwerwasserreaktor in Arak, sondern auch die Produktion dieser Sauerstoff-Deuterium-Verbindung, obwohl sie nicht nur in Reaktoren verwendet wird.

Drittens. Verzicht auf die Wiederaufarbeitung und alle damit zusammenhängenden Aktivitäten. Dabei geht es um die Gewinnung von Plutonium aus verbrauchten Reaktorbrennstäben. Nordkorea hat sich auf diese Weise das Material für seine ersten Nuklearwaffen verschafft. Zuvor hatte das Land aber im Januar 2003 seinen Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag erklärt und die Kontrollen durch die IAEA beendet. Iran hat bisher auf dem Gebiet der Wiederaufarbeitung keine Anstrengungen unternommen und mehrmals die Bereitschaft angedeutet, dies auch durch eine offizielle Erklärung zu fixieren.

Viertens. Wiederinkraftsetzung eines freiwilligen Zusatzprotokolls zum Atomwaffensperrvertrag, das die iranische Regierung am 18. Dezember 2003 unterzeichnet hatte. Das Dokument sah erweiterte Kontrollbefugnisse der IAEA und eine umfassendere Informationspflicht Teherans vor. Vom iranischen Parlament wurde es mehrheitlich abgelehnt und niemals ratifiziert, wurde also auch nicht rechtskräftig. Als Zeichen guten Willens hielt sich Teheran dennoch an das Zusatzprotokoll, kündigte es aber auf, nachdem die IAEA am 4. Februar 2006 beschlossen hatte, den UN-Sicherheitsrat einzuschalten. Die Willenserklärung würde Iran beispielsweise verpflichten, die Behörde schon im Planungsstadium von Nuklearanlagen zu informieren. Dagegen muß nach dem Atomwaffensperrvertrag die IAEA erst ein halbes Jahr vor der Inbetriebnahme unterrichtet werden.

Fünftens. Gewährung eines sofortigen Zugangsrechts für die Inspektoren der IAEA zu sämtlichen Anlagen, Personen und Dokumenten, die sie zu sehen beziehungsweise zu sprechen wünschen. Das würde faktisch die Souveränität Irans auf seinem eigenen Territorium aufheben und entspräche der Lage, in der sich der Irak zwischen dem ersten Golfkrieg 1991 und der militärischen Besetzung im Frühjahr 2003 befand. Normalerweise sind die Rechte der IAEA unmittelbar auf Atomanlagen sowie damit in Zusammenhang stehende Personen und Dokumente beschränkt. Würde Iran sich dem Begehren der Sechsergruppe beugen, wäre das gleichbedeutend mit der Öffnung des gesamten Landes für die ungehinderte Auskundschaftung potentieller Angriffsziele, wie Präsident Ahmadinedschad zutreffend feststellte.

Keine rechtliche Grundlage

Für keine einzige der an Iran gestellten Forderungen gibt es eine rechtliche Grundlage. Anreicherung, Wiederaufarbeitung und Schwerwasserreaktoren sind allen Unterzeichnern des Atomwaffensperrvertrages erlaubt, sofern die Anlagen und ihr Betrieb von der IAEA überwacht werden. Zusatzabkommen zum Sperrvertrag beruhen ausschließlich auf Freiwilligkeit. Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, ergänzt durch Deutschland, erheben mit ihrem Vorgehen gegen Iran den Anspruch, ein nur auf diesen Staat bezogenes Sonderrecht schaffen zu können. Grundlage dafür ist die selten offen ausgesprochene Unterstellung, daß Iran durch ein heimliches Nuklearwaffenprogramm das mit dem Sperrvertrag untrennbar verbundene Recht auf uneingeschränkte friedliche Nutzung der Atomenergie für unbegrenzte Zeit verloren habe. Die IAEA hat jedoch zu keinem Zeitpunkt behauptet, daß ein solches Programm jemals existiert hätte.

Abgesehen von allen sonstigen materiellen und politischen Aspekten käme es einem schwerwiegenden Schuldeingeständnis und einem daraus resultierenden dauerhaften Paria-Status gleich, wenn Iran sich auf die Forderungen der Sechsergruppe einlassen würde. Das könnte dem Land allenfalls mit militärischer Gewalt aufgezwungen werden. Noch so harte Wirtschaftssanktionen, selbst eine totale Blockade könnten denselben Effekt auch in zehn oder fünfzehn Jahren nicht erreichen. Irak hielt unter sehr viel schlechteren Bedingungen, geschwächt durch zwei vorausgegangene Kriege, von 1991 bis 2003 zwölf Jahre lang extreme Sanktionen aus, ohne Anzeichen für ein »Einlenken« zu zeigen. Genau das war schließlich Grund für die Entscheidung der US-Regierung, den Konflikt durch militärische Aggression zu beenden.

Da die Fünf-plus-eins-Staaten ihre Maximalforderungen in mehreren UN-Resolutionen festgeschrieben haben, ist nicht zu erkennen, wo überhaupt noch Spielraum für Kompromisse sein könnte. Selbst von einem partiellen Entgegenkommen in dem einen oder anderen Punkt könnte die iranische Seite sich folglich nicht das Geringste erhoffen. Auch aus diesem Grund wäre es falsch und irreführend, von Verhandlungen zu sprechen. Das widerspricht zwar einzelnen Äußerungen russischer und chinesischer Politiker, man wolle dem Iran nichts aufzwingen, sondern strebe eine für alle Seiten annehmbare Lösung an. Real stellen die UN-Resolutionen aber den kaum noch zu verändernden Rahmen dar, auf den sich Rußland und China eingelassen haben.

Ohne Zustimmung der drei westlichen Vetomächte im UN-Sicherheitsrat, USA, Frankreich und Großbritannien, sind die Ratsresolutionen und die mit ihnen verbundenen Sanktionen nicht mehr aufzuheben. Selbst im rein hypothetischen und höchstwahrscheinlich irrealen Fall, daß Iran sämtliche Forderungen ohne Abstriche annehmen würde, käme dadurch kein Automatismus in Gang. Vielmehr bedürfte es auch dann noch eines formalen Beschlusses, daß das vorderasiatische Land »seine Verpflichtungen aus den relevanten Resolutionen des Sicherheitsrates vollständig erfüllt« habe und daß »das internationale Vertrauen in die ausschließlich friedliche Natur des iranischen Atomprogramms« hergestellt sei.

In dieser Situation könnten die USA – und selbstverständlich ebenso Frankreich und Großbritannien – ihre Zustimmung zur Aufhebung der Resolutionen davon abhängig machen, daß Iran weitere Forderungen akzeptiert. Zum Beispiel noch weitergehende Kontrollmaßnahmen, aber auch eine grundsätzliche Änderung der iranischen Außenpolitik. So könnte etwa die Einstellung der Unterstützung für die libanesische Hisbollah und die palästinensische Hamas gefordert werden.

Diese äußerst negativen, perspektivlosen Voraussetzungen erklären, warum die Bereitschaft Irans, mit der Sechsergruppe noch irgendwelche Gespräche über sein ziviles Atomprogramm zu führen, auf dem Nullpunkt ist. Lieber würde man die Verhandlungen über den »Fuel swap deal« [Brennstoff-Tausch, d.Red.] vorantreiben, der die Versorgung des medizinisch genutzten Teheraner Versuchsreaktors mit Brennstoff sichern soll. Das von Argentinien 1993 gelieferte Material reicht voraussichtlich nur noch bis Ende 2010. Iran hatte deshalb im Juni 2009 bei der IAEA sein Interesse angemeldet, neue Brennstäbe auf dem internationalen Markt zu kaufen.

Rechtlich und sachlich gäbe es nicht den geringsten Grund, diesem Vorhaben zu widersprechen. Trotzdem intervenierte die US-Regierung dagegen und brachte statt dessen ein Tauschgeschäft ins Spiel: Iran sollte 1200 Kilogramm schwach angereichertes Uran (LEU) nach Rußland liefern. Dort sollte es auf die erforderlichen 19,75 Prozent angereichert und schließlich in Frankreich zu Brennstäben verarbeitet werden. Damals besaß Iran etwa 1760 Kilogramm LEU. Der Tausch hätte ihm weniger LEU gelassen als rein theoretisch für die Herstellung einer Atombombe – nach entsprechender Hochanreicherung – nötig wäre.

Propagandistisches Vorspiel

Iran stimmte diesem Vorschlag im Prinzip zu, bestand aber in den technischen Gesprächen, die darüber im Oktober 2009 geführt wurden, auf der Gleichzeitigkeit des Tauschgeschäfts, um sicherzustellen, daß man die Brennstäbe wirklich erhalten würde. Das war das Ergebnis zahlreicher negativer Erfahrungen mit der Vertragsbrüchigkeit westlicher Firmen nach der »islamischen Revolution« von 1979. Erneut betrogen zu werden, hätte nicht nur einen wirtschaftlichen Schaden dargestellt, sondern wäre für die iranische Regierung vor allem in politischer Hinsicht ein Desaster geworden. Denn sowohl konservative Hardliner als auch die oppositionellen Reformer kritisierten das geplante Tauschgeschäft ohnehin schon als Ausverkauf und Verrat.

Nicht nur die USA und ihre europäischen Verbündeten, sondern alle Länder der Sechsergruppe lehnten es damals kategorisch ab, auch nur in Verhandlungen über die iranischen Einwände einzutreten. Daraufhin ordnete Ahmadinedschad im Februar an, in Natanz mit der Anreicherung von Uran auf 19,75 Prozent zu beginnen. Bis zum 20. August waren dort, einem Bericht der IAEA vom 6. September zufolge, 22 Kilogramm produziert worden. Höchst ungewiß ist jedoch, ob Iran wirklich die Fähigkeit besitzt oder in kurzer Zeit entwickeln kann, das Material zu Brennstäben zu verarbeiten.

Deshalb bleibt Iran daran interessiert, doch wieder auf die Idee des »Fuel swap« zurückzukommen. Grundlage dafür soll die Teheraner Erklärung sein, die das Land am 17. Mai gemeinsam mit der Türkei und Brasilien abgab. In deren Zentrum steht das Angebot, das vom Iran zu liefernde schwach angereicherte Uran bis zur Fertigstellung der Brennstäbe in der Türkei unter Aufsicht der IAEA zwischenzulagern. Allerdings wurde dieser Vorschlag mit Zustimmung Chinas und Rußlands in der Sicherheitsratsresolution 1929 vom 9. Juni ohne einen einzigen begründenden Satz als »nicht konstruktiv« abgefertigt. Inoffiziell hat die US-Regierung bereits deutlich gemacht, daß sie die Sechsergruppe dazu bringen will, die Bedingungen des Tauschgeschäfts jetzt sogar noch wesentlich schärfer zu formulieren als im Oktober 2009. Unter anderem soll die Menge LEU, die Iran zu liefern hat, auf 3000 Kilogramm heraufgesetzt werden, obwohl das weit mehr ist als zur Produktion der Brennstäbe für den Teheraner Reaktor benötigt wird. Insgesamt besitzt Iran derzeit zwischen 3100 und 3200 Kilogramm schwach angereichertes Uran.

So ist zu befürchten, daß sowohl das bevorstehende Treffen zwischen den Vertretern Irans und der Sechsergruppe als auch eventuelle Verhandlungen über den »Fuel swap«, für die bisher noch kein Termin im Gespräch ist, schon vor ihrem Beginn gescheitert sind. Unter dem Strich dienen sie als propagandistisches Vorspiel für die nächste Resolution des UN-Sicherheitsrats. Die Frist von 90 Tagen, die dem Iran in der Resolution 1929 für die Annahme sämtlicher Forderungen gestellt wurde, ist bereits seit über zwei Monaten abgelaufen.

* Aus: junge Welt, 16. November 2010


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