Laridschani gewinnt an Einfluss in Iran
Parlament stärkt Ahmadinedschads Rivalen
Von Jan Keetman, Istanbul *
Mit der Wahl Ali Laridschanis zum Parlamentspräsidenten hat das im März neu gewählte iranische
Parlament einen Widersacher von Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad in eine starke Stellung
gebracht.
So gegensätzlich sie sind, in einem sind sie sich einig: Sowohl für den neuen Parlamentspräsidenten
Ali Laridschani als auch für Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad steht ein Einlenken Irans im
Atomstreit mit den USA und deren Verbündeten nicht zur Debatte.
Ansonsten dominieren die Unterschiede: Laridschani und Ahmadinedschad sind von ihrem ganzen
Auftreten her gegensätzliche Naturen. Ahmadinedschad ist als Anwalt des kleinen Mannes in die
Politik eingetreten. Jemand, der eine alte Jacke trägt, der sich vor dem Wahlbüro in der Schlange
hinten anstellt, der das Establishment der Reichen geißelt, ohne freilich Namen zu nennen.
Dagegen gehört der heute 50-jährige Laridschani schon lange zum engsten Zirkel der Macht. Als
Kulturminister unter dem damaligen Präsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, später als Chef
des staatlichen Rundfunks und Fernsehens IRIB hatte er für die Selbstdarstellung Irans wichtige
Posten inne. Der Wahlbezirk, aus dem er im März mit haushoher Mehrheit ins Parlament gewählt
wurde, ist die Stadt Ghom, das religiöse Zentrum Irans. Der Sohn eines Geistlichen, studierte
Computerwissenschaft und Mathematik und erlangte schließlich einen Doktortitel in Philosophie.
Bei den Präsidentenwahlen 2005 schied Laridschani allerdings schon in der ersten Runde mit
bescheidenem Stimmenanteil aus. Trotzdem wurde er zum Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates
und damit zum Chefunterhändler in Sachen Atomkonflikt. Dass Laridschani in dieser Funktion den
Eindruck erwecken konnte, er sei ein gemäßigter Vertreter Irans, lag nicht nur an seinem
diplomatischen Geschick, sondern auch daran, dass Ahmadinedschad mit seiner verbalen
Radikalität alle Aufmerksamkeit auf sich zog.
Auch innerhalb des Regimes ist man über Ahmadinedschads Eskapaden nicht immer begeistert.
Das Problem mit dem Präsidenten hat wohl am besten sein ehemaliger Finanzminister Davoud
Danesh Dschafari zusammengefasst: »Der Mann ist einfach nicht berechenbar.« Im Oktober letzten
Jahres reichte es jedenfalls auch Laridschani und er trat vom Posten des Chefunterhändlers zurück.
Möglich dass Laridschani nicht nur wegen Differenzen über die diplomatische Strategie im
Atomkonflikt abtrat. Fast nahtlos schloss er eine neue Karriere als Gegenspieler Ahmadinedschads
an. 232 Stimmen bei derzeit 287 Mandatsträgern bei der Wahl des Parlamentspräsidenten waren
Beweis dafür, dass er enormen Rückhalt im konservativen Lager besitzt.
Vermutet wird, dass Laridschani bei den Präsidentenwahlen im Juni 2009 gegen Ahmadinedschad
antreten wird. Diesmal mit mehr Erfolgschancen, denn Ahmadinedschad ist nicht mehr der
Unbekannte, auf den die enttäuschten Iraner ihre Hoffnungen setzen können, sondern ein Präsident,
unter dem die Inflation auf nahezu 25 Prozent gestiegen ist. Doch einen Kurswechsel bringt der
Aufstieg Laridschanis nicht. Zweifel räumte er schon in seiner ersten Rede nach der Wahl zum
Parlamentspräsidenten aus: Da drohte er der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO)
wegen eines für Iran ungünstigen Reports mit der Einschränkung der Kooperation
* Aus: Neues Deutschland, 5. Juni 2008
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