Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Laridschani gewinnt an Einfluss in Iran

Parlament stärkt Ahmadinedschads Rivalen

Von Jan Keetman, Istanbul *

Mit der Wahl Ali Laridschanis zum Parlamentspräsidenten hat das im März neu gewählte iranische Parlament einen Widersacher von Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad in eine starke Stellung gebracht.

So gegensätzlich sie sind, in einem sind sie sich einig: Sowohl für den neuen Parlamentspräsidenten Ali Laridschani als auch für Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad steht ein Einlenken Irans im Atomstreit mit den USA und deren Verbündeten nicht zur Debatte.

Ansonsten dominieren die Unterschiede: Laridschani und Ahmadinedschad sind von ihrem ganzen Auftreten her gegensätzliche Naturen. Ahmadinedschad ist als Anwalt des kleinen Mannes in die Politik eingetreten. Jemand, der eine alte Jacke trägt, der sich vor dem Wahlbüro in der Schlange hinten anstellt, der das Establishment der Reichen geißelt, ohne freilich Namen zu nennen.

Dagegen gehört der heute 50-jährige Laridschani schon lange zum engsten Zirkel der Macht. Als Kulturminister unter dem damaligen Präsidenten Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, später als Chef des staatlichen Rundfunks und Fernsehens IRIB hatte er für die Selbstdarstellung Irans wichtige Posten inne. Der Wahlbezirk, aus dem er im März mit haushoher Mehrheit ins Parlament gewählt wurde, ist die Stadt Ghom, das religiöse Zentrum Irans. Der Sohn eines Geistlichen, studierte Computerwissenschaft und Mathematik und erlangte schließlich einen Doktortitel in Philosophie.

Bei den Präsidentenwahlen 2005 schied Laridschani allerdings schon in der ersten Runde mit bescheidenem Stimmenanteil aus. Trotzdem wurde er zum Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates und damit zum Chefunterhändler in Sachen Atomkonflikt. Dass Laridschani in dieser Funktion den Eindruck erwecken konnte, er sei ein gemäßigter Vertreter Irans, lag nicht nur an seinem diplomatischen Geschick, sondern auch daran, dass Ahmadinedschad mit seiner verbalen Radikalität alle Aufmerksamkeit auf sich zog.

Auch innerhalb des Regimes ist man über Ahmadinedschads Eskapaden nicht immer begeistert. Das Problem mit dem Präsidenten hat wohl am besten sein ehemaliger Finanzminister Davoud Danesh Dschafari zusammengefasst: »Der Mann ist einfach nicht berechenbar.« Im Oktober letzten Jahres reichte es jedenfalls auch Laridschani und er trat vom Posten des Chefunterhändlers zurück.

Möglich dass Laridschani nicht nur wegen Differenzen über die diplomatische Strategie im Atomkonflikt abtrat. Fast nahtlos schloss er eine neue Karriere als Gegenspieler Ahmadinedschads an. 232 Stimmen bei derzeit 287 Mandatsträgern bei der Wahl des Parlamentspräsidenten waren Beweis dafür, dass er enormen Rückhalt im konservativen Lager besitzt.

Vermutet wird, dass Laridschani bei den Präsidentenwahlen im Juni 2009 gegen Ahmadinedschad antreten wird. Diesmal mit mehr Erfolgschancen, denn Ahmadinedschad ist nicht mehr der Unbekannte, auf den die enttäuschten Iraner ihre Hoffnungen setzen können, sondern ein Präsident, unter dem die Inflation auf nahezu 25 Prozent gestiegen ist. Doch einen Kurswechsel bringt der Aufstieg Laridschanis nicht. Zweifel räumte er schon in seiner ersten Rede nach der Wahl zum Parlamentspräsidenten aus: Da drohte er der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) wegen eines für Iran ungünstigen Reports mit der Einschränkung der Kooperation

* Aus: Neues Deutschland, 5. Juni 2008


Zurück zur Iran-Seite

Zurück zur Homepage