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Iran will ab heute selbst Uran anreichern

Teheran: Radioaktive Stoffe für medizinische Zwecke nötig / Bundesregierung kritisiert Ankündigung

Ungeachtet der Kritik vom Ausland will Iran ab diesem Dienstag (9. Feb.) selbst sein Uran auf 20 Prozent anreichern.

Teheran habe die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) am Montag über diesen Schritt informiert, sagte Irans Vertreter bei der IAEA, Ali Asghar Soltanieh. Gleichzeitig zeigte sich Teheran bereit, die Anreicherung zu stoppen, wenn der Westen auf die iranischen Bedingungen eingehe. Der IAEA sei ein entsprechender »offizieller Brief« übergeben worden, sagte Soltanieh dem staatlichen Fernsehsender El Alam. Der Nachrichtenagentur IRNA erklärte er, Iran habe darin die IAEA-Inspektoren in das Werk in Natans eingeladen, wo das Uran angereichert werden soll. So könnten »alle nuklearen Anlagen« Irans unter Kontrolle der Behörde gestellt werden.

Iran benötigt das angereicherte Uran nach eigenen Angaben für seinen Forschungsreaktor in Teheran. Der Westen verdächtigt Iran jedoch, unter dem Vorwand eines zivilen Atomprogramms Nuklearwaffen zu entwickeln.

Die IAEA schlug Iran daher den Kompromiss vor, sein niedrig angereichertes Uran zur weiteren Anreicherung ins Ausland zu schicken. Teheran fordert aber, den Austausch parallel und in Etappen zu vollziehen.

Soltanieh sagte IRNA, es seien mittlerweile »mehr als acht Monate« vergangen, seit Iran bei der IAEA einen Bedarf an Brennstoff angemeldet habe. »Wir konnten einfach nicht länger warten, um für unsere Kranken zu sorgen«, sagte er.

Der Reaktor in Teheran soll radioaktive Stoffe für medizinische Zwecke produzieren. Am Sonntag hatte Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad angeordnet, das für den Reaktor benötigte Uran selbst anzureichern. Für die Herstellung von waffenfähigem Uran ist eine Anreicherung von über 80 Prozent nötig.

Iran will dennoch an der Uran-Anreicherung im Ausland unter bestimmten Voraussetzungen festhalten. Sollte der Westen die Bedingungen Teherans, also den parallelen Austausch in Etappen, akzeptieren, werde Iran seine Anreicherung auf 20 Prozent stoppen, sagte der Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Ali Akbar Salehi, laut der Nachrichtenagentur MEHR. Das Angebot sei »noch aktuell«. Soltanieh sagte IRNA, die »Tür zu den westlichen Nationen« bleibe »geöffnet«. Er rief den Westen auf, »von der Konfrontation zur Kooperation« überzugehen.

Das Werk in Natans liegt rund 200 Kilometer südlich von Teheran und ist die größte Anlage des Landes zur Urananreicherung. Derzeit sind dort etwa 8000 Zentrifugen installiert, 4600 davon sind in Betrieb. Das Gelände ist für 50 000 Zentrifugen ausgerichtet.

Die Bundesregierung verurteilte die Mitteilung. Die »Ankündigungen der iranischen Führung« zeugten davon, dass Iran »nicht kooperationsbereit ist«, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. In den nächsten Tagen würden die Schritte der iranischen Regierung »sehr sorgfältig« beobachtet. Auch das russische Außenministerium bezeichnete laut der Nachrichtenagentur Interfax die Anreicherung im Ausland als einzigen »Ausweg aus der aktuellen Situation«.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Februar 2010

Weitere Meldungen **

Uran-Nachreicherung: Moskau enttäuscht über Iran

MOSKAU, 09. Februar (RIA Novosti). Russland ist enttäuscht über die Entscheidung des Iran, sein niedrig angereichertes Uran bis auf 20 Prozent nachzureichern. Das sagte der russische Außenamtssprecher Andrej Nesterenko am Dienstag (9. Feb.) in Moskau.

Mit seiner Entscheidung, die den einschlägigen UN-Resolutionen und Beschlüssen des IAEA-Gouverneursrats widerspräche, verstärke der Iran die Zweifel daran, dass er aufrichtig nach einer Entspannung um sein Atomprogramm strebe, sagte Nesterenko. Moskau sei enttäuscht, dass Teheran das Tauschangebot der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) nicht angenommen habe.

Der Iran hatte am Montag (8. Feb.) die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEA) über den Beginn der Produktion von hoch angereichertem Uran informiert. Die Islamische Republik besitzt 1,5 Tonnen auf 3,5 Prozent angereichertes Uran, benötigt für ihren Forschungsreaktor in Teheran jedoch Uran mit einem Anreicherungsgrad von 20 Prozent. Die internationale Gemeinschaft verdächtigt Teheran, unter dem Deckmantel des Nuklearprogramms Atomwaffen zu entwickeln.

Zur Lösung des Streits hatte die IAEA dem Iran vorgeschlagen, dessen niedrig angereichertes Uran ins Ausland zu schicken, wo es auf 20 Prozent angereichert und zu Brennelementen verarbeitet werden soll. Teheran wies das Angebot zunächst ab. Dann sagte Präsident Ahmadinedschad, er sehe "kein Problem, unser angereichertes Uran ins Ausland zu schicken". Am Wochenende kündigte Ahmadinedschad jedoch den Beginn der eigenen Produktion von hoch angereichertem Kernbrennstoff an.


Türkischer Außenminister eilt nach Iran zur Regelung des Atomproblems

ANKARA, 09. Februar (RIA Novosti). Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu will Teheran dringend besuchen, um neue Spannungen in den Beziehungen zwischen dem Iran und der Weltgemeinschaft nicht zuzulassen, die wegen des Beginns der Urananreicherung auf 20 Prozent durch die iranische Seite entstehen können.

"Wir glauben immer noch, einen gemeinsamen Boden (für die Lösung des Problems) finden zu können. Wir wollen keine neuen Spannungen in unserer Region", sagte der türkische Außenminister am Dienstag (9. Feb.) in Ankara.

Nach seinen Worten sprach er am Dienstagmorgen per Telefon mit seinem iranischen Amtskollegen und sagte ihm, dass er Teheran am Abend desselben Tages besuchen könne. Davutoglu teilte auch mit, dass er plane, mit dem Präsidenten der Islamischen Republik Iran, Mahmud Ahmadinedschad, zusammenzutreffen.

Teheran benachrichtigte am Montag die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) über die Absicht, am Dienstag mit der Urananreicherung auf seinem Territorium zu beginnen. Der Chef der iranischen Atomenergieorganisation Ali Akbar Salehi bestätigte am Dienstag, dass die Arbeiten an der Urananreicherung auf 20 Prozent schon aufgenommen worden seien.

Ein IAEO-Vertreter teilte mit, dass sich Inspektoren der Organisation derzeit in der iranischen Atomanlage in Natans befinden, wo die Arbeiten an der Urananreicherung durchgeführt werden.


Moskau weist auf Kriegsgefahr wegen Teherans Atomprogramm hin

MOSKAU, 09. Februar (RIA Novosti). Nach dem von Teheran verkündeten Produktionsstart von hoch angereichertem Uran weist der russische Sicherheitsratchef Nikolai Patruschew auf bestehende Zweifel über die friedliche Ausrichtung des iranischen Atomprogramms und sogar auf eine Kriegsgefahr hin.

„Der Iran behauptet, keine Atomwaffen entwickeln zu wollen. Seine Aktivitäten, darunter der Produktionsstart von 20-prozentig angereichertem Uran, stoßen bei anderen Ländern jedoch auf begründetes Bedenken“, sagte Patruschew am Dienstag auf einer RIA-Novosti-Pressekonferenz. Kurz davor zitierte der iranische Sender Press TV den Chef der nationalen Atombehörde, Ali-Akbar Salehi, mit den Worten, in Natanz habe am Dienstag (9. Feb.) die Uran-Anreicherung auf 20 Prozent begonnen.

Dem Kreml lägen vorerst keine vollständigen Angaben zum Start dieses neuen iranischen Uran-Programms vor, so Patruschew weiter. Teheran müsse mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) „offen kooperieren“, um eine friedliche Ausrichtung seines Atomprogramms zu belegen.

„Es ist sehr wichtig, einen Krieg zu verhindern. Die Kriegsgefahr besteht jedoch theoretisch, einige Länder schließen einen Militäreinsatz nicht aus“, betonte Patruschew.

** Alle Nachrichten aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 9. Februar 2010; http://de.rian.ru




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